© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/03 02. Mai 2003

 
Leserbriefe

Zum Interview mit Reinhold Thiel "35 Prozent" , JF 18/03

Kilometerweit an Realität vorbei

Na, wenn das nicht kilometerweit an der Realität vorbei ist, was soll es dann sein? 35 Prozent als Wahlziel anzupeilen, zeugt von Größenwahn. Wie kann man nur ein solches Interview geben? Da ich selbst Mitglied der Deutschen Partei (DP) bin und auch auf etliche Jahre aktive Parteiarbeit zurückgreifen kann, kommen mir die Argumente für ein so hohes Wahlergebnis doch sehr theoretisch vor. Ganz ehrlich gefragt, wissen die Wähler in Bremen eigentlich noch, daß die DP in den fünfzigern und sechzigern in der Bürgerschaft saß? Und selbst wenn sie es wüßten, warum sollten sie ausgerechnet die DP wählen? Die Konkurrenz aus DVU, Rep und Schill kommt doch mit ähnlichen Argumenten und Aussagen. Und sie haben einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber der DP, sie sind einfach bekannter. So sehr ich es mir als Mitglied der DP wünsche, daß wir in die Bürgerschaft einziehen, so weiß ich doch sehr genau, daß man immer auf dem Boden der Tatsachen bleiben und keine Luftschlösser bauen sollte. Der Aufprall auf besagten Boden wird sonst um so härter sein und viele Mitstreiter nur enttäuschen. Mit Realismus in einen Wahlkampf zu gehen und alles zu geben was man an Organisation, Mitgliedern und Geld hat, und dies gezielt einzusetzen, halte ich für wesentlich effektiver, als so ein Interview zu geben. Hochmut kommt vor den Fall.

Johannes Schwefel, Mannheim

 

 

Zu: "Stunde Null in Bagdad" von Alexander Griesbach, JF 17/03

Wo ist Saddam?

Nun ist es an der Zeit, die UNO-Inspektoren zu reaktivieren. Es ist anzunehmen, daß sie nach zweijähriger Tätigkeit feststellen werden, daß es Saddam Hussein gar nicht gibt, vielleicht nie gab. Vermutlich wird er und der Rest seiner Gertreuen genau da sein, wo auch seine von den Inspektoren nicht gefundenen Waffen sind, nämlich in Syrien.

Dr. Roland Teufel, Stexwig

 

Unermeßliche Schäden

Am 11. und 12. April wurde das Museum für Altertümer, das Nationalmuseum in Bagdad, geplündert und schätzungsweise 170.000 Kulturgegenstände gestohlen, bzw. beschädigt oder zerstört. Das Nationalmuseum dokumentierte die fünftausend Jahre alte Geschichte der Hochkulturen im Irak, in ihren antiken und islamischen Epochen. Den Plünderungen fielen insbesondere Stücke zum Opfer, die von berühmten Fundstätten wie Ur, Uruk (Warka), Ninniveh und Babylon stammten. Dadurch entstand ein Schaden am kulturellen Erbe der Menschheit, dessen Ausmaß noch in Jahrzehnten wohl nicht ermessen werden kann.

Am 12. April hatten, nach Darstellung der in London erscheinenden, als unabhängig geltenden Zeitung al Hayat amerikanische Panzer vorübergehend Stellung vor dem Museum bezogen, wurden jedoch nach kurzer Zeit wieder abgezogen, woraufhin die Plünderungen und Zerstörungen weitergingen. Irakische und internationale Archäologen sind sich einig, daß die Hauptverantwortung für diesen unermeßlichen Verlust den Amerikanern zufällt. Experten hatten vor Kriegsbeginn eindringlich an die US-Militärführung appelliert, die Kulturschätze des Zweistromlandes zu schützen - vergeblich. Der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte beim Erhalt der Nachricht lapidar, daß Plünderungen zu erwarten waren und diese "unbedeutend" seien, verglichen mit "dem großen Plan" der Ereignisse.

Heinz Hochapfel, Zweibrücken

 

O Amerika!

Es ist zu hoffen, daß das reale Verhalten der US-Amerikaner im Irak vielen die Augen über deren tatsächliche Absichten und "Ideale" geöffnet hat. Während infolge Zerstörung und Plünderung von 30 Krankenhäusern nur drei eingeschränkt weiterarbeiten konnten, wurden Erdölministerium und Ölquellen von den Soldaten beschützt. Ein weiterer Skandal ist der unterbliebene Schutz für das irakische Nationalmuseum mit seinen für die Menschheit (außer den USA) unersetzlichen und bis zu 10.000 Jahre alten Kunstschätzen. Rad und Schrift wurden hier in der "Wiege der Menschheit" erfunden. Aber was bedeuten schon 170.000 zerstörte und geraubte Kunstobjekte für die Junkfood-Barbaren aus Übersee. Wie sagte bereits Georges Clemenceau, 1841 bis 1929, zweimaliger französischer Ministerpräsident: "Amerika? - das ist die Entwicklung von der Barbarei zur Dekadenz ohne den Umweg über die Kultur." 

Horst Gehrke, Halstenbek

 

 

Zu: "Deutsche Schulen sind besser als ihr Ruf" von Christian Roth, JF 17/03

Haushoch überlegen

Das angeblich höhere Kompetenzniveau der Grundschüler dürfte wenig mit der Schulform und dem ihr zugeschriebenen didaktischen Schnickschnack zu tun haben. Bekanntlich sind Grundschüler im allgemeinen immer noch schulfreundlicher und lernbereiter als die getesteten Pubertierenden der PISA-Studie. Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, daß in zahlreichen Klassen der weiterführenden Schulen das reinste Chaos herrscht. Das Lernklima bestimmt nun einmal das Lernverhalten und die Lernergebnisse.

Allein schulformbezogene Vergleiche der Bundesländer könnten zeigen, daß das Leitungsniveau des gegliederten Schulwesens dem des integrativen Einheits- bzw. Gesamtschulsystems haushoch überlegen ist. Leider erfährt man nicht, wie sich die 10.571 getesteten Zehnjährigen aus den 246 ausgewählten Schulen eigentlich sozial zusammensetzen. Es ist schwer vorstellbar, daß Schulklassen mit einem hohen, nicht integrierbaren Ausländeranteil ohne ausreichende Deutschkenntnisse zu befriedigenden Testergebnissen kommen.

Ernst H. Kratzsch, Rosengarten

 

 

Zum Interview mit Sir John Keegan, "Der Instinkt, das Vaterland zu verteidigen", JF 17/03

Kein Glück

Mit Briten als Gesprächspartnern hatte die JF bisher eigentlich kein besonderes Glück. Da gab es unlängst den Lufthelden Forsyth, der die Luftkriegsgeschichte des Zweiten Weltkrieges einem erstaunten Publikum erklärte. Seitdem wissen wir, wie es mit dem Bombenkrieg 1940 bis 1945 wirklich war. Nunmehr erhebt (der Militärhistoriker) Sir John Keegan seine Stimme und belehrt den Leser, was richtiger und falscher Pazifismus ist. Seine Ausführungen zu den Kriegen, die man führen kann und denen, die man führen muß, lassen zumindest an seiner klaren Denkfähigkeit zweifeln. 

Karl Schönberg, Sinzig

 

 

Zu: "Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit" von Doris Neujahr, JF 17/03

Ungleichgewicht

Normalisierung heißt in der Tat nicht "ein furchtbares historisches Geschehen zu verkleinern". Aber es ist in den großen Rahmen menschlicher Verbrechen zu stellen, um der historischen Gerechtigkeit, aber auch um der Zukunft willen. Es entsteht keine wirkliche moralische Grundlage für ein neues Europa, wenn immer einige bei jeder Gelegenheit, so auch Schröder wieder kürzlich bei der Osterweiterung der EU, auf ihre Schuld hinweisen müssen. Dies führt zu einem Ungleichgewicht, das sich eines Tages rächt.

Simon Aumeier, Weiden

 

 

Zu: "Ohne Tod keine Auferstehung" von Alexander Barti JF17/03

Festgründe

Die Suche in vorchristlichen, heidnischen Zeiten stellt keine allgemeine Relativierung aller Werte, sondern eine Rückbesinnung auf Althergebrachtes dar. Und der katholische Festtagskalender deckt sich ja nun verblüffend mit dem heidnischen - da gibt es nichts zu "veraten". Die Bibel weiß uns weder vom Weihnachtsmann, "Christ"baum, Adventskranz, noch vom Osterhasen und -eiern zu berichten! So feiert man Ostern, nach eigenem Brauchtum, zum Frühlingsbeginn, zur Frühjahrs-Tag-und Nachtgleiche, um den 21. März, zu dem Zeitpunkt, wo die Sonne genau im Osten aufgeht. Der Sieg vom Tag über die Nacht. Die Auferstehung des Lebens in der Natur. 

Ralf Rogge, Berlin

 

Ungenaue Recherche

Alexander Barti will seinen Lesern weismachen, die Suche nach möglichen heidnischen Wurzeln christlicher Feste sei ein Symptom der "allgemeinen Relativierung aller Werte". In Wahrheit soll diese reaktionäre Larmoyanz nur über unliebsame Tatsachen hinwegtäuschen, zum Beispiel den Umstand, daß Papst Gregor I ("der Große"; gestorben 604) in seinen Missionsanweisungen ausdrücklich die christliche Umgestaltung heidnischer Riten anordnete.

Wenn übrigens Barti "Eostro" als germanische Wortform bezeichnet, von der die althochdeutsche abstamme, ist dies ein Indiz für ungenaue Recherche. Eostro ist altenglisch und geht wie das althochdeutsche "Ostara" auf das germanische "Austro" zurück. Und noch eines, Herr Barti: Der "ewige Widersacher" und neumodische "Relativierer aller Werte", der die Göttin Ostara in die Forschungsliteratur einführte, war weder "Neuheide" noch 68er. Es war kein geringerer als Jacob Grimm. 

Ralf Kaiser, Weinheim

 

 

Zu: "Warten auf den Kollaps" von Paul Rosen, JF 16/03

Lehrling Schröder

Die so lange von Schröder erwartete Rede vom 14. März, die den "Ruck durch die Nation" gehen lassen sollte, entpuppte sich mehrheitlich als das, was der Abkürzung "SPD" innewohnt: "Sozialisten plündern Deutschland"! Erwähnenswert dazu ist die Äußerung des Lehrherrn vom damaligen Einzelhandelskaufmann und heutigen Bundeskanzler Gerhard Schröder auf einem Empfang in Northeim: "Er bestätigte, daß Gerhard Schröder ein eifriger Lehrling war. Doch "er hinterließ ein einziges Chaos..." (Cellesche Zeitung vom 26. November 2002). Genauso kommt mir der Abgang in Niedersachsen vor, und ebenso wird es in Berlin werden.

Hans Steding, Bröckel

 

Hindernisse beseitigen

Es kann nicht das Warten auf den Kollaps sein, was uns gegenwärtig motiviert, über unser politisches Schicksal nachzudenken, sondern das Hoffen, wie der Kollaps vermieden wird. Aus dieser Irak - Periode, die Gott sei Dank zu Ende gehen muß, bleibt eine ganz andere Erkenntnis und Forderung; das Besinnen auf die erschreckende Erkenntnis, wir bekennen uns zwar zum Euro, aber nicht zu Europa. An anderer Stelle bezeichnete ich die französisch - deutsche Freundschaft als das entscheidende Jahrtausendereignis. Sie war das Fundament des europäischen Einigungsgedankens. Europa sollte das nicht vergessen, und die beiden Länder sollten fortwährend daran erinnern, sollten die Schritte zur europäischen Geschlossenheit forcieren und alle Hindernisse beseitigen. Nicht noch einmal darf ein Ereignis wie der Irak - Krieg zu gravierenden Zerwürfnissen führen. Und England muß sich entscheiden, ob es zu Europa gehört, oder ein Satellit der USA ist.

Wilhelm Lehbrink, Vogt/Allgäu

 

 

Zum Pro & Contra: "Rentenerhöhungen aussetzen" JF 16/03

Langzeitbelogene

Seit 1982 werden die Rentner belogen und kräftig betrogen. Kohl entnahm jährlich 100 Milliarden aus der Rentenkasse und stopfte damit die Haushaltslöcher. Kohl hat die Verelendung der Krankenkassen und der deutschen Wirtschaft herbeigeführt.

Meine Mutter gebar sechs Kinder im eigenen Bett, arbeitete vierzig Jahre und war in ihrem Leben sechs Tage krank. Ich arbeitete 38 Jahre und bezahlte die höchsten Sozialbeiträge. Heutige Beamte haben 30 Krankentage pro Jahr und gehen bis 10 Jahre früher in Pension. Alle Wurzeln des Angemessenen und Richtigen hat die CDU gerodet, mit eingerechnet das Denken, so daß der jetzige Aktionismus nur Unausgegorenes ans Tageslicht bringen kann.

Alexander Spieß, Rheinhausen

 

 

Zu: "Kein Gespür für Exzellenz" von Thorsten Thaler, JF 16/03

Auf den Arm genommen

Ernst Jünger hat in einem Interview einmal zugegeben, mit den "Marmorklippen" einen Schlüsselroman geschrieben zu haben. Ich habe das vor vielen Jahren wahrscheinlich in der FAZ oder der Welt am Sonntag gelesen. Nach meiner Erinnerung fand das Interview in Paris statt. Nach diesem Bekenntnis wurde Jünger gefragt, warum er das bisher immer geleugnet hätte. Er antwortete: "Ich wollte nicht, daß mir die Emigranten auf die Schulter klopfen." Damit wird die Vermutung von Thorsten Thaler bestätigt. Die Antwort Jüngers auf diese Frage, die Marcel Reich-Ranicki erwähnt, wurde sicherlich gegeben, um einen lästigen Frager auf den Arm zu nehmen.

Dietrich Schröter, Frankfurt/Oder

 

 

Zu: "Angst vor dem Wähler" von Arno Surminski, JF 16/03

Der Weg in die Sackgasse

Anstatt stillschweigende Anzeichen der Vernunft an der deutschen Politik zu würdigen, den irrwitzigen, beliebig fortsetzbaren Wettlauf zwischen Straßenbau und Automobilproduktion ein scheinbares Ende gesetzt zu haben, favorisiert der Autor die glorreiche Idee, dem Auto, und damit den Autoherstellern, als "Konjunkturprogramm erster Ordnung" wieder auf die Sprünge zu helfen. Mit der Folge, daß die Oberfläche unserer Republik weiter mit Asphalt versiegelt bzw. zubetoniert wird; daß das Auto - mit seinem bescheidenem Gesamtwirkungsgrad von 20 Prozent und permanenten Anfahr - und Bremszyklen die größte "Energievernichtungsanlage" aller Zeiten - verstärkt die Atmosphäre kontaminiert, die Wälder ruiniert, und autofahrende Bürger für das zweifelhafte Vergnügen, immer häufiger im Stau mit der Immobilität vorliebnehmen zu müssen, gleich zweimal geschröpft werden: einmal für den Bau von noch mehr Straßen, und zum zweiten für die Subventionierung der Bundesbahn, die durch diesen Irrsinn in die roten Zahlen getrieben wird. So ein "Weg aus der Krise" direkt in die Sackgasse ist auch nicht gerade berauschend und ermutigend. 

Roger Süllhöfer, Wuppertal

 

Surminski lesen

Erfrischend und tiefgründig, was der Schriftsteller Arno Surminski in der Forumsreihe "Wege aus der Krise" geboten hat. "Die Angst vor dem Wähler" führt eben dazu, daß die großen Parteien den "Schwarzen Peter Soziale Kälte" hin- und herschieben, statt zu einschneidenden Reformen in Form einer "großen Koalition" zu beginnen. Beim Subventionsgesetz war der Ansatz noch zu kurz, aber er kam der Situation "5 vor 12" entgegen.

Es scheint mir aber zu billig, Arno Surminski nur als Schriftsteller und Journalisten über Flucht und Vertreibung herauszustellen. Ostpreußen war nach seiner Herkunft nur der Hintergrund seiner Schreibe. Was er in seinen Romanen über die Vertreibung und die Wiedereingliederung der Vertriebenen sowie ihr Fernweh geschrieben hat, war soziologisch vom Feinsten. Sie sollten seine Romane (alle als preiswerte Taschenbücher vorhanden) durchaus einmal aufführen und zur Lektüre empfehlen. Arno Surminski hat sich nie vom Zeitgeist vereinnahmen lassen und hat uns deshalb auch heute etwas zu sagen.

Georg K. Schmelzle, Norden/Ostfriesland

 

 

Zu: "Konservative Revolution entlarvt" von Hans-Peter Rissmann, JF 16/03

Entzückende Logik

In den NRW-VS-Schreibstuben hat sich ein Vorrat an entzückendster Logik angesammelt, der nun mit Macht zum Durchbruch dringt. Das erstaunte Publikum ist mit einer erschütternden Erkenntnis konfrontiert: Beschäftigt sich eine Zeitung mit Politik und Kultur, dann ist sie darauf aus, die Welt zu erobern. "Bezeichnend ist der umfangreiche Kulturteil der JF, in dem verschiedene Elemente aus den Kultursparten der Musik, des Films und der Literatur aufgenommen und kommentiert werden." Der Feind beschäftigt sich also mit Musik, Film und Literatur, er kommentiert diese Kultursparten umfangreich - und das ist bezeichnend!

Kommt es uns nicht bekannt vor? Das ist doch die Logik des kommunistischen Anklägers Andrey Wyschinski, der in den Moskauer Schauprozessen der Jahre 1936 bis 1939 (in der damaligen kommunistischen UdSSR) eine weltweite traurige Berühmtheit erlangt hatte. Derart wertvolle Errungenschaften können die NRW-VS-Kollegen natürlich nicht brachliegen lassen, zumal an kommunistisch geschulten Kadern wahrhaftig kein Mangel herrscht.

Valentin Werbitz, per E-Post


 
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