© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/03 16. Mai 2003

 
Endlich alle Kräfte bündeln
Irak-Krieg: Im Wissenschaftszentrum Berlin wurde über die neue "Welt-Unordnung" nach dem Sieg der USA debattiert
(JF)

Es gibt nicht zuviel USA sondern zuwenig Europa - diese Aussage, die die Nichtexistenz einer gemeinsamen, schlagkräftigen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik meint, schien der Haupttenor der Podiumsdiskussion am Montagabend im Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) gewesen zu sein. Auch wenn dieser Satz dem Munde Walther Stützles, Staatssekretär a.D. im Verteidigungsministerium, entstammte, so hatte es doch den Anschein, daß alle Beteiligten in dem Punkt, Europa müsse seine Kräfte bündeln, um der US-Außenpolitik entgegenwirken zu können, Einigkeit zeigten.

Gemeinsam mit sechs Wissenschaftlern diskutierte Moderator Jürgen Kocka, Professor am WZB über das Thema "Eine neue Welt-Unordnung? - Amerika, Europa und die Uno nach dem Krieg". Ist eine Auseinanderentwicklung im Verhältnis von Europa zu den USA zu beobachten? Stehen die Veränderungen in der amerikanischen Außenpolitik im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. Septembers? Und wie sieht die neue Rolle Europas aus - lockert sich die seit langem enge Beziehung zum transatlantischen Partner?

Eine deutliche Wandlung der US-Außenpolitik sieht Ursula Lehmkuhl von der Freien Universität Berlin. Das einigende Band in der Sicherheitspolitik des Landes sei seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes zerschnitten und habe zu tiefschürfenden Veränderungen, nicht zuletzt aufgrund des Terroranschlages vor zwei Jahren geführt. Gerade der jüngste Regierungswechsel von Clinton zu Bush junior habe die inhaltliche Kontinuität beendet.

Doch um in der Uno eine Alternative zur derzeit diktierenden Weltmacht USA darzustellen, müsse Europa außenpolitisch mit geeinten Kräften agieren, so Thomas Risse, Professor für internationale Politik an der Freien Universität Berlin.

Denn wie wolle man Veränderungen herbeiführen, ohne Sanktionen sowie militärische Drohungen aussprechen zu können. Darüber hinaus müsse eine EU-Streitmacht, laut Stützle, neben Gewährleistung des eigenen Schutzes auch handlungsfähig nach außen sein.

Allerdings bedarf die Bildung einer solchen Koalition einer gemeinsamen Außenpolitik, die momentan mit Blick auf Spanien oder die Beitrittsländer Polen und Tschechien weit entfernt zu liegen scheint. Und würde eine Hochrüstung der EU den gewünschten Erfolg mit sich bringen?

Oder würde man sich scheuen, diese noch fiktive Interventionsmacht gegen das Veto des großen Amerika auch wirklich ins Felde zu führen, wie Michael Zürn, Politikwissenschaftler der Universität Bremen, bezweifelt? Wäre nicht das allgemeine Denken, die USA müssen ein Verbündeter sein, auch dann noch aktuell? Für problematisch hält allerdings Charles Maier, Historiker und gebürtiger Amerikaner die Bildung eines Militärpaktes in der Europäischen Union. Seine Meinung nach würde dies die Gräben noch vertiefen, weshalb er vielmehr auf die Erneuerung und Verbesserung der transatlantischen Beziehungen pocht.

Auch wenn oder gerade weil die Meinungen über die Zukunft Europas, seine Rolle in der Uno sowie gegenüber den Vereinigten Staaten differieren, müsse man diese in naher Zukunft offen zur Diskussion stellen. Und dies mit allen möglichen Chancen, Konsequenzen und Risiken, so Zürn abschließend.


 
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