© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/03 23. Mai 2003

 
Ausverkauf
Was im Schaufenster steht, verliert rapide an Wert: In Lima hat eine Studentin ihre Jungfräulichkeit versteigert
Richard Stoltz

In Lima (Peru) hat eine 21jährige Studentin ihre Jungfräulichkeit versteigert, um - wie sie sagt - ihr Philosophiestudium finanzieren zu können. Der Erfolg war riesig. Lautete das Erstgebot noch auf magere 700.000 Pesos (etwa 900 Euro), so stiegen und stiegen die Einsätze in schließlich schwindelnde Höhen, so daß das Mädchen jetzt, wie die Zeitungen schreiben, ein ganzes Leben lang studieren könnte - vorausgesetzt das Geschäft wird auch perfekt.

Solide Gemüter hoffen natürlich, es war alles nur ein Scherz und die Schöne wird den Weg zurückfinden zu anständigeren Methoden der Studienfinanzierung. Die Versenkung in die Tiefen der Philosophie könnte ihr dabei helfen. "Nur wer in Unschuld wandelt, ist reif für die Weisheit", wußte schon Plutarch. Und Spinoza sekundierte: "Die Weisheit fordert den Menschen ganz, sie duldet keine anderen Bräute neben sich". Und auch keine anderen Bräutigame, ließe sich zeitgemäß hinzufügen.

Freilich hat die Sache auch noch eine andere Seite. Sie betrifft die allgemeine Zeitlage. Wenn in einem Land des Westens und dazu noch in einem so überwiegend katholischen und züchtigen wie Peru Späße wie der mit der Jungfrauenversteigerung um sich greifen (und vielleicht sogar ernst gemeint sind), steht es schlimm mit der Tugend in der westlichen Welt. Die berühmten "Werte" geraten ins Rutschen, und die Mullahs und Ajatollas kriegen wieder einmal Grund zum Wettern gegen den "großen Satan".

Mit den "Werten" ist es eben so eine Sache. Sie lassen sich, wenn es wirklich Werte sind, nicht verkaufen; wer sie ins Schaufenster stellt, entwertet sie gründlich.


 
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