© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/03 30. Mai 2003

 
Die letzte Chance
Ausstellung in Berlin: "Der 17. Juni und die Künstler"
(JF)

Aus Anlaß des 50. Jahrestags des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 ist seit Montag dieser Woche in der Berliner Akademie der Künste eine Ausstellung mit Dokumenten aus dem Archiv der Künstlersozietät zu sehen. Gezeigt werden bisher zum Teil unveröffentlichte Dokumente aus den persönlichen Archiven von Bertolt Brecht, Johannes R. Becher, Hanns Eisler, Anna Seghers und Ernst Busch, die die Auseinandersetzung der Künstler und Kulturpolitiker mit den damaligen Ereignissen belegen.

Die Ausstellung dokumentiert sowohl öffentliche Wortmeldungen von Künstlern und Schriftstellern als auch private Tagebuchaufzeichnungen sowie literarische Verarbeitungen des Stoffes. Dazu gehören der Roman "5 Tage im Juni" von Stefan Heym, der in der DDR nicht erscheinen durfte, sowie das Theaterstück zum Thema "Die Plebejer proben den Aufstand" von Günter Grass von 1966. Außerdem werden vertrauliche Dienstanweisungen und Diskussionsprotokolle sowie Stellungnahmen der damaligen Deutschen Akademie der Künste im Ostteil Berlins präsentiert.

Vier Jahre nach der Staatsgründung 1949 waren viele Künstler in der DDR verwirrt und verunsichert - der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 hatte laut Bertolt Brecht ihre "ganze Existenz verfremdet". Parallel zum aufgestauten Unmut unter den Arbeitern hatte sich auch unter Kunstschaffenden ein Unbehagen über die SED-Regierung breitgemacht. Heiner Müller, der später mit seinem "Lohndrücker" selber in die kulturpolitischen und ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Partei und Künstlern geriet, sah in den damaligen Ereignissen bereits einen "Drehpunkt in der DDR-Geschichte, den 17. Juni als die letzte Chance für eine neue Politik". Brecht notierte: "Es steht mehr auf dem Spiel als der Fall einer Regierung."

Die Ausstellung ist bis zum 31. August im Archivgebäude der Berliner Akademie am Robert-Koch-Platz 10 zu sehen.


 
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