© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/03 06. Juni 2003

 
Nur den Scherz ernst nehmen
Zum 100. Geburtstag des Filmregisseurs und Drehbuchautors Robert Adolf Stemmle
Werner Norden

Bereits als Jugendlicher griff der am 10. Juni 1903 in Magdeburg geborene Robert Adolf Stemmle zur Feder und schrieb Gedichte und Geschichten über seine Heimatstadt. Nach einer Ausbildung zum Pädagogen arbeitete er fast fünf Jahre als Lehrer. Doch schon bald spürte er, daß sein Herz mehr für die kreative Kunst schlug, und als 1927 eine große Theaterausstellung in Magdeburg stattfand, agierte er als Intendant der Puppenbühne des Berliner Volksverbandes. Bald darauf verließ er seine Heimatstadt, um als freier Schriftsteller sein Glück zu versuchen.

Nach dem großen Erfolg seines Stückes "Kampf um Kitsch" widmete er sich zunächst ganz dem Theater. Doch schon 1930 avancierte er zum Chefdramaturgen der Tobis-Filmgesellschaft, und ein Jahr später war der Name Stemmle bereits ein Begriff in der gesamten deutschen Filmwelt. In vielen Produktionen zeichnete er nicht nur für das Drehbuch verantwortlich, sondern auch für die Regie. So schrieb und inszenierte er 1934 die erfolgreichen Komödien "Charleys Tante" und "Heinz im Mond", später folgten "Gleisdreieck" (1937), der in Königsberg und auf der Kurischen Nehrung gedrehte Spielfilm "Jungens" (1940) und "Reitet für Deutschland" (1941) mit Willy Birgel.

Im Nachkriegs-Berlin drehte Stemmle 1948 die "Berliner Ballade", zu der Günther Neumann, der spätere Chef der berühmten "Insulaner", das Drehbuch beisteuerte. Der Held dieser unheroischen Ballade war Otto, der Normalverbraucher, der in allen Widerwärtigkeiten auch das Komische und Lächerliche sah. Diese Figur, die nur den Scherz ernst nehmen konnte, wie es einem ansteht, der mit dem Strick um den Hals des Weges tanzt, verkörperte kongenial der damals noch klapperdürre Gert Fröbe.

In den fünfziger Jahren feierten Stemmles Inszenierungen "Toxi", die Kästner-Verfilmung "Emil und die Detektive", und "Gestehen Sie, Dr.Corda" ebenso große Erfolge wie seine Drehbücher zu den Abenteuer- und Kriminalfilmen der sechziger Jahre wie "Das Testament des Dr. Mabuse", "Der Henker von London", "Old Shatterhand" oder "Die Gruft mit dem Rätselschloß". Fast 80 Kinofilme und 25 Fernsehproduktionen entstanden in seiner langen Schaffenszeit, während der er mit Stars wie Hans Moser, Klaus Kinski, Heinz Rühmann und Hardy Krüger zusammenarbeitete und gemeinsam mit bekannten Autoren wie Johannes Mario Simmel Textvorlagen schrieb, etwa für "Mein Schulfreund". Obwohl er als Regisseur eher Farcen, Komödien und volkstümliche Unterhaltung bevorzugte, zeichneten absolute Zielstrebigkeit und Perfektionismus die Arbeit des Magdeburger Filmemachers aus. Stemmle starb am 25. Februar 1974 in seiner Wahlheimat Baden-Baden.


 
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