© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/03 13. Juni 2003

 
Zum Tod von Jürgen W. Möllemann
"Er war ein Querdenker"
Holger Zastrow

Kaum ein anderer Politiker hat die Nation in den vergangenen Jahren so erregt wie Jürgen W. Möllemann. Er setzte Themen, machte Tempo, suchte den Konflikt, sprach eine Sprache, die jeder verstand, und fand Wege, auch komplizierte Sachverhalte einfach und prägnant zu vermitteln. Es sind zu wenige, die das wollen und können. Und es sind zu viele, die sich mit den gängigen Hierarchien und Denkweisen längst arrangiert haben und in vollkommener Distanz von ihren bequemen Parlamentssitzen aus auf die Probleme der Straße schauen. Möllemann kannte keine Scheu vor Menschen. Vielleicht erlaubte ihm das, manche Dinge anders zu sehen und anders zu machen. Doch sein hoher persönlicher Ehrgeiz ließ den Blick für die Mannschaft oftmals unscharf erscheinen. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit fand sich auch bei ihm zuweilen eine Lücke. Er hat "Klartext für Deutschland" gefordert. Eine Forderung, die angesichts unzähliger Denkschranken und Abhängigkeiten aktueller denn je ist. Aber: Für jemanden, der gesellschaftliche Tabus angreifen will, ist persönliche Glaubwürdigkeit der entscheidende Maßstab.

Klare Worte an andere sind nur dann wirkungsvoll, wenn man bereit ist, auch in eigener Sache "Klartext" zu sprechen. Genau daran mangelte es in den letzten Monaten zu oft zu sehr. Bei allem Für und Wider hat sich Möllemann in der FDP bleibende Verdienste erworben. Er war der Vater des Projektes 18, einer damals noch gemeinsam mit Guido Westerwelle entwickelten Strategie, hinter der sich mehr verbarg als eine mutige Zahl und die Abkehr von der klassischen Klientelpartei. Es war der Versuch, Deutschland nachhaltig zu verändern und mit einer neuformierten FDP unabhängiger, freier, schlagkräftiger und moderner als andere und einflußreicher als bisher das bundesdeutsche Parteiengefüge gehörig durcheinanderzuwirbeln. Im ersten Anlauf scheiterte der Versuch.

Die Ursachen sind vielfältig. Manche lieferte auch er. Deutschland hat einen seiner charismatischsten und streitbarsten Politiker verloren - in einer Zeit, da unser Land Aufreger, Querdenker und Macher statt Stillsitzer und Zauderer braucht. Jürgen Möllemann wird im Gedächtnis vieler freiheitlich denkender Menschen in der FDP und in Deutschland bleiben.

 

Holger Zastrow ist Landesvorsitzender der FDP in Sachsen.


 
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