© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/03 13. Juni 2003

 
Harpunierung des Fangverbots
Artenschutz: Die Internationale Walfang-Kommission tagt in Berlin / Kritik von Naturschützern
Volker Kempf

Greenpeace, WWF, Pro Wildlife und weitere Artenschutzorganisationen kämpfen mit Blick auf die vom 16. bis 19. Juni in Berlin stattfindende Jahrestagung der Internationalen Walfang-Kommission (IWC) gegen eine Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs. Diese konnte letztes Jahr gerade noch verhindert werden.

Die Tierrechtsorganistion People for the Ethical Treatment of Animals (Peta) dagegen startete auf zurückliegenden IWC-Tagungen die Kampagne "Eßt Wale". Sogar Walfleisch wurde serviert. Wale, hieß es, hätten in freier Natur artgerecht leben können, und das Abschlachten eines Wales ersetze tausendfaches Töten von Fischen oder anderen Tieren und erspare so viel Leid.

Warum sollen "Menschen, die immer noch Fleisch essen, weniger Leiden verursachen, wenn sie die Chicken Nuggets und Schellfisch-Filets zugunsten von Wal-Whoppern stehenließen?" Peta argumentiert so: "Unstrittig ist, daß Fleischesser jedes Jahr Milliarden von Land- und Meerestieren konsumieren - das Fischessen einer einzigen Familie kann eine zweistellige Todesrate bedeuten, und zwei hungrige Nichtvegetarier können bei einer einzigen Mahlzeit ein ganzes Huhn vertilgen."

Peta weiter: "Wären Wale die einzige Fleischquelle für die Fleischesser in Deutschland, könnte die Anzahl von Mahlzeiten, die aus ihnen hergestellt werden könnten, Hunderten von Millionen Tieren das Leben retten."

Daß durch den Walfleischkonsum Tiere gerettet und Massentierhaltung überflüssig gemacht werden könnte, ist zumindest sehr kurzfristig gedacht, weil bei dieser Ernährungsweise die Wale binnen kurzem aussterben würden.

"Eßt Walfleisch"-Kampagne von Tierrechtsorganisation

Das wissen auch die Peta-Aktivisten, die trotzdem anprangern, wenn "einige Leute, die lauthals das Töten von Walen beklagen, nicht zögern, auf dem Weg nach Hause kübelweise Chicken Wings zu harpunieren". Bruce Friedrich, Koordinator der Peta-Vegan-Kampagne, meinte gar: "Ganz offensichtlich sind wir gerne dafür, Wale zu retten, doch wenn Sie kein Vegetarier sind, sehen Sie den Tatsachen ins Auge: Sie sind verantwortlich für weitaus mehr Leiden und Todesfälle als ein japanischer oder norwegischer Walfänger." Trotz Petas "Eßt Walfleisch"-Kampagne meinen auch die vegetarischen Aktivisten: "Wir würden uns freuen, wenn jeder Wale und alle anderen Tiere rettet."

Um bei den Walen zu bleiben: Erst vor 20 Jahren konnte die IWC einen Durchbruch zum Walschutz durchsetzen. Beschlossen wurde ein Moratorium, also eine Aufschiebung für kommerziellen Walfang. Dies geschah 1986 - aber mit großen Schlupflöchern. Norwegen und Rußland legten nämlich fristgerecht Einspruch ein und sind damit nicht an das Moratorium gebunden.

Japan nutzt 600mal jährlich den Deckmantel der "Wissenschaft", in deren Namen auch weiterhin das Töten der größten Meeressäuger der Erde erlaubt ist. Island trat 1989 aus der IWC aus - und damit gilt das Fangverbot formal nicht mehr für den Inselstaat, der nun den Wiedereinstieg in den Walfang vorbereitet. Doch trotz dieser Schwachstellen führte das Moratorium zu einem deutlichen Rückgang der Fangquoten: Waren es 1992 noch mehr als 12.000 harpunierte Wale, wurden nach Angaben von Pro Wildlife 1996 weniger als tausend Tiere aus kommerziellen Gründen getötet.

Ein sogenanntes "Revised Management Scheme" (RMS) soll die Rahmenbedingungen zur Überwachung und Einhaltung der Quoten festlegen. Dieser Ansatz gilt bei Walschützern als sehr gewagt, ist auf den Konferenzen der letzten Jahre aber Stück für Stück weiterentwickelt worden und steht in Berlin zu seiner Perfektionierung an. Während der letzten IWC-Jahrestagungen und bei IWC-Sondertreffen bemühten sich die Teilnehmer, ein baldiges Abschließen des RMS zu ermöglichen. Doch die Walfangländer, allen voran Japan und Norwegen, wollen die Mitsprachemöglichkeiten der Staatengemeinschaft und die Kontrollen durch internationale Instanzen so gering wie möglich halten.

Strenge Überwachung des legalen Walfanges

Die Walschutznationen drängen dagegen auf transparente und lückenlose Überwachungsmöglichkeiten (etwa durch Beobachter an Bord von Walfangflotten, Satellitenüberwachung, Kontrollen bei allen Fang- und Verarbeitungsschritten).

Auch wenn die Walfangländer sich in den bisherigen Diskussionen wenig kompromißbereit zeigten und internationale Kontrollen auch weiterhin möglichst gering halten wollten, kommt der Abschluß des RMS und damit die Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs immer näher. Neu hinzugekommene IWC-Mitgliedsstaaten wie Island, Marokko und Panama werden sich für eine Aufhebung des Moratoriums einsetzen und auch beim Walfang mehr Freihandel für alle befürworten.


 
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