© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/03 20. Juni 2003

 
Gleicher als andere
von Michael Waldherr

Es kam wie erwartet, denn Macht geht vor Recht: Die USA haben sich wieder einmal beim Streit um den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) durchgesetzt. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete bei drei Enthaltungen eine Resolution, wonach US-Personal bei Friedensmissionen weitere zwölf Monate vor Strafverfolgung durch den ICC geschützt ist - auch dann, wenn es möglicherweise Kriegsverbrechen oder Völkermord begangen hat. Bereits im vergangenen Jahr wurde US-Soldaten bei UN-Einsätzen eine einjährige Immunität gewährt. Damals hatte die US-Regierung gedroht, andernfalls ein Veto gegen alle UN-Friedenseinsätze einzulegen. Diesmal wirkten offene Drohungen, US-Finanzhilfen zurückzuziehen.

Die US-Regierung unter George W. Bush lehnt den ICC ab, weil sie befürchtet, daß er für politisch motivierte Verfahren gegen US-Bürger mißbraucht werden könnte. Doch wer nicht traut, dem ist nicht zu trauen. Die einzig verbliebene Weltmacht läßt sich keinerlei Fesseln anlegen, die sie in ihrem globalen Handeln und ihrer Souveränität beschränken könnten.

Wer wie die EU dem ICC unabhängige Rechtsprechung zutraut, kann keine Ausnahmeregelungen zulassen und muß Farbe bekennen. Trotzdem stimmte Deutschland nicht mit Nein, sondern enthielt sich, um die angespannten transatlantischen Beziehungen nicht weiter zu belasten. Manche nennen das Realpolitik, andere Unterwürfigkeit. Derweil orientieren sich die USA an George Orwells Buch "Farm der Tiere": Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als andere.


 
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