© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/03 27. Juni 2003

 
Linke Verhaltensstörung
Hochschulen: Bei einem Vortrag von Brandenburgs CDU-Innenminister Jörg Schönbohm an der Potsdamer Universität kam es zu Tumulten
Steffen Königer

Wenn Jörg Schönbohm an einer Universität spricht, fliegen die Fetzen. Am vorvergangenen Montag fand am Hasso-Plattner-Institut der Potsdamer Universität ein vom Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) veranstalteter Vortrag statt. Geladen war Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der zum Thema "Mittelmaß als Leitbild? - Welche Eliten braucht das Land?" mit den Studenten diskutieren wollte. Eigentlich. Wenn da nicht unter den rund 70 Gästen 40 augenscheinlich Linksextreme gekommen wären, die nur durch Tumulte klarmachen konnten, daß sie von einer Diskussion rein gar nichts hielten.

Bereits in den Tagen zuvor hatten Anonyme auf der Internetseite "Indymedia" zu "Fedayeentätigkeiten gegen Schönbohm" aufgerufen. Rhythmisches Klatschen, Pfeifen und Zwischenrufe wurden nur noch überboten von einem Plakat mit der Losung: "Wann foltern Sie die JUNGE FREIHEIT?", hinter dem sich drei Mitglieder der Offenen Linken Liste (OLL) versteckten. Hans Wilhelm Dünn, Gruppenvorsitzender des RCDS Potsdam, hatte keinerlei Verständnis für die Störer. "Es ist unfaßbar, wie sich Vertreter des Allgemeinen Studierenden Ausschusses hier aufführen. Man könnte meinen, daß man es mit Leuten zu tun hätte, die alles daran setzen, ein totalitäres Regime an der Potsdamer Universität zu etablieren", erklärte Dünn. Gerade Olaf Löhmer, Mitglied der OLL im Studierendenparlament (Stupa), welcher der hauptverantwortliche Störer zu sein schien, soll sich im Stupa darüber enttäuscht gezeigt haben, daß eine Diskussion miteinander wegen Zwischenrufen kaum möglich ist - nun verstecke er sich feige hinter einem Plakat, so Dünn entrüstet. Das Plakat wurde nach einer Viertelstunde unter Beifall den Trägern entrissen und aus dem Raum entfernt, wogegen Löhmer aggressiv protestierte.

Tamás Blénessy, Finanzreferent und Vorstandsmitglied des AStA, fand die tumultartigen Szenen anscheinend belustigend und hatte nichts gegen Parolen wie "Mehr Einwanderung", "Deutschland auflösen" und "Preußen bleibt Scheiße" einzuwenden - eine Distanzierung von diesen Krawallen blieb bislang aus.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm trotzte allen Anfeindungen und versuchte nach seinem Vortrag noch auf "Fragen" der linken Chaoten einzugehen, sofern diese einigermaßen dem angekündigten Thema entsprachen. Wiederkommen wolle er jedoch in jedem Falle, wie er den Mitgliedern des RCDS im Anschluß an die Veranstaltung erklärte.

Doch die Tumulte scheinen nicht die einzigen extremen Tendenzen an der Potsdamer Uni zu sein. In der letzten Tagung des Studierendenparlaments am vorvergangenen Dienstag verweigerte der AStA einer unabhängigen Universitäts- und Wissenschaftszeitung (Der Babelsberger) 100 Euro Unterstützung. Die Begründung des Referenten fiel so kurz wie skandalös aus: "Wir geben keinen Zuschuß an eine Zeitung, zu deren Autoren Mitarbeiter der JUNGEN FREIHEIT gehören", so Arne Karrasch, der Referent für interne Hochschulpolitik an der Universität Potsdam und Mitglied der OLL. Martin Schütte, der anwesende Vertreter des Babelsberger, ernüchternd gegenüber der JF: "Wir haben leider kein Recht auf das Geld." Zeitgleich legte der AStA einen Antrag im Stupa vor, dem zufolge 8.000 Euro für ein autonomes Frauenreferat ausgegeben werden sollen.


 
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