© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/03 04. Juli 2003

 
Karl Heinz Johannsmeier
Gegen das Vergessen
von Peter Freitag

Als sich der Tag des Volksaufstands in der DDR am 17. Juni 2003 zum fünfzigsten Mal jährte, wurde in Jena der Grundstein für ein Denkmal zu Ehren der "Verfolgten der kommunistischen Diktatur 1945 bis 1989" gelegt. Initiator dieses Gedenkens, das im Beisein politischer Prominenz, unter anderem Thüringens Ministerpräsidenten Dieter Althaus, stattfand, ist Karl Heinz Johannsmeier, ein ehemaliger Jenenser, der in den USA Karriere machte und nun seine alte Heimat beschenken möchte.

Die Gründe für dieses Geschenk sind nicht abstrakt, sondern haben biographische Ursachen. Denn Johannsmeier verließ seine Heimat an der Saale, wo er als Feinmechaniker bei Zeiss arbeitete, nicht etwa freiwillig. 1955 war er, noch keine dreißig Jahre alt, in die Fänge der Stasi geraten, die ihn der Spionage für den Westen bezichtigte und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilen ließ, von denen er drei in den berüchtigten Anstalten Waldheim und Torgau absaß. Der Freilassung 1958 folgte der endgültige Gang gen Westen, Anfang der sechziger Jahre schließlich die Auswanderung nach Amerika.

Im legendären Silicon Valley reüssierte Johannsmeier schließlich als Hersteller von Mikroelektronik und machte mit seinem Unternehmen ein Millionenvermögen. Als er von der Bundesregierung 18.000 Mark Haftentschädigung erhielt, kam ihm der Gedanke, damit etwas zu schaffen, das gegen das Vergessen der sozialistischen Diktatur und ihrer Opfer helfen könnte. Johannsmeier ist jedoch - und das ist eine Besonderheit - nicht nur Finanzier, sondern auch Schöpfer des Denkmals, für dessen Entwurf er sich ratsuchend an den Architekten eines Holocaust-Mahnmals in Boston wandte: Vier Stelen aus Glas, die höchste etwa vier Meter messend, sollen codiert die Namen von 400.000 Opfern des Kommunismus tragen, dazu ein Wasserbecken und Bäume.

Nicht Rache, nicht Schmerz, sondern eher ein gefälliges Denkmal wolle er errichten, so der Neu-Kalifornier aus Jena. Aus seinem Pragmatismus, der auf Bürokratie wenig Rücksicht nimmt, macht er keinen Hehl: "Es ist mein Geld, es ist mein Entwurf, es ist für eine gute Sache."

An Einwänden gegen das Projekt mangelte es nicht: Den einen war der künstlerische Dilettantismus des Spenders ein Graus, den anderen die vermischte Bildsprache zu unspezifisch und zu privat, den Dritten kamen Bedenken ob der Tatsache, daß für die ehemaligen ausländischen Zwangsarbeiter während des Nationalsozialismus in Jena kein Denkmal steht. Unter all diesen Punkten schwingt - deutsche "Normalität" - der heimliche Vorwurf des Revisionismus mit; der Verdacht, hier kratze jemand am Monopol des Schreckens, dem die Gedenkstelen allein vorbehalten seien.

Daß Karl Heinz Johannsmeier sein Denkmal noch zu Lebzeiten am Alten Rathaus in Jena errichtet wissen kann, dafür mußte er mehr überwinden als die Entfernung zwischen Kalifornien und dem Thüringer Wald.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen