© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/03 11. Juli 2003

 
Linker Feldzug
Die Breitseiten gegen Silvio Berlusconi sind politisch motiviert
Andreas Mölzer

Die Betroffenheitsmaschinerie in linken Medien ist europaweit angelaufen, als der neue EU-Ratsvorsitzende Silvio Berlusconi in einer vielleicht wirklich nur für Italiener als solche verständlichen Form von Ironie wagte, einen deutschen SPD-Europaparlamentarier, der sich als Hüter der political correctness aufspielte, mit einem KZ-Kapo zu vergleichen. Das war bereits am Beginn der italienischen EU-Präsidentschaft Wasser auf den Mühlen der linken Kampagnen-Journaille, die wieder einmal einen Feldzug gegen Rechts ausgerufen hat.

Gutmenschen aller Nationalitäten nahmen die Gelegenheit wahr, um endlich wieder ihren Abscheu vor rechter Politik und rechten Politikern so recht deutlich zu machen: Er verstehe nicht, warum die Europäische Union dem italienischen Ministerpräsidenten nicht wegen allgemeiner Unwürdigkeit die Präsidentschaft verweigere, formulierte etwa eine der selbsternannten moralischen Autoritäten der internationalen Kulturszene, der Österreicher André Heller. Als Anti-Demokrat, als Mafiosi, als reaktionärer Despot oder auch nur als Operettentenor wird der italienische Regierungschef bei derlei Stellungnahmen dargestellt. Er sei ein Geschäftemacher im steten Kampf gegen die italienische Justiz, die er sich durch seine Mehrheit in Rom gefügig machen wolle, um sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen. Er sei schlicht und einfach eine Gefahr für die europäische Demokratie. Ein Urteil, das - entsinnen wir uns - bereits mehrfach für andere konservative, rechtsliberale oder rechtsdemokratische Politiker gefällt wurde.

Der US-amerikanische Präsident George W. Bush hingegen und Rußlands Staatschef Wladimir Putin, beides ebenfalls knallharte Konservative, sind dem Vernehmen nach von Berlusconi eingenommen. Der ebenso umtriebige wie gesellige Italiener hat es geschafft, sich die beiden weltmächtigsten Staatenlenker freundschaftlich zu verpflichten. Und dazu wird es wohl nicht nur ausreichen, daß er bisweilen in die Tasten des Klaviers greift oder den einen oder anderen spezifisch italienischen Witz reißt. Da wird er schon auch politische Qualitäten haben müssen. In Europa allerdings verfügt er über wenig Verbündete. Deutschlands Führungsduo Schröder/Fischer verabscheut den Mailänder Medienmogul, für den Briten Tony Blair muß er ein rotes Tuch sein. Und auch die konservativen Regierungschefs innerhalb der EU, wie etwa jene in Spanien, Frankreich und Österreich, zeigen nur verhaltene Solidarität mit Berlusconi. Zu verworren, zu unsauber erscheinen ihnen die italienischen Zustände.

Dabei wird allzu häufig außer acht gelassen, daß in Italien eine völlig andere politische Kultur gepflogen wird. Eine politische Kultur, deren Exponent eben derzeit Silvio Berlusconi heißt, die aber früher in den Reihen der italienischen Sozialisten und der Christdemokraten ebenso prominente Vertreter aufzuweisen hatte. Übersehen wird auch, daß Italien seit Generationen hervorragend mit einer Form der Schattenwirtschaft lebt, die schlicht und einfach Mafiosi-Tendenzen hat; daß Korruption eher als Kavaliersdelikt angesehen wird und politische Parteien ganz offen als Organisationen für Lobbying und Gegengeschäfte betrachtet werden. Natürlich gibt es den Einfluß der sizilianischen Mafia, der katholischen Kirche und auch anderer Gruppen. Nichtsdestotrotz aber ist Italien eine funktionstüchtige westliche Demokratie und eine beispielgebende freie Marktwirtschaft mit einem starken gewerblichen und bürgerlichen Mittelstand, der sich auch in den Zeiten der Globalisierung hält. Nicht nur in Sachen Kunst und Kultur, nicht nur in Sachen Lebensstil, nein, auch in wirtschaftlicher Hinsicht könnten sich viele an Italien ein gutes Beispiel nehmen.

So erweist sich also bei näherem Hinsehen die gegenwärtig auf Hochtouren laufende Hatz gegen Silvio Berlusconi als heuchlerische Kampagne. Während angeblich geläuterte Ex-Kommunisten quer durch Europa in den Staatskanzleien hofiert werden, während der ehemalige linksradikale Straßenkämpfer Joschka Fischer als künftiger gesamteuropäischer Außenminister hochgelobt wird, stehen Politiker von rechts nach wie vor auf der medialen watch list der politisch korrekten Meinungsmacher. Da werden dann verbale Ausrutscher, wie der Vergleich mit dem KZ-Kapo, zu internationalen Staatsverbrechen hochstilisiert und das typisch italienische Polit-Pathos, das im übrigen nicht nur von der Rechten, sondern auch von der Linken gepflogen wird, wird als Gefahr für die europäische Demokratie dargestellt.

Was aber die politisch korrekten Kämpfer gegen Rechts besonders stört, ist wohl, daß ein Exponent der politischen Rechten in Europa auch noch über gewaltigen medialen Einfluß verfügt. Und daß er nicht bereit ist, das gefügige Opferlamm, das man zur Schlachtbank führen kann, zu spielen. Wenn sich der Wähler schon das eine oder andere Mal auf den rechten Irrweg begibt, dann ist man es gewohnt, mit der medialen Keule solche Abirrungen niederknüppeln zu können. Im Falle des Italieners jedoch verfügt der böse Rechte selbst über großen Einfluß in den Medien. Ein Faktum, das die Linke zu besonderer Weißglut reizt.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung "Zur Zeit".


 
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