© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/03 11. Juli 2003 |
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Feuer wütet in Studentenvertretung Göttingen: Ein Brandanschlag verwüstete mehrere Räume des AStA-Gebäudes der Universität / Sachverständige schätzen den Schaden auf 50.000 Euro Christian Vollradt Auf das Gebäude des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) der Universität Göttingen ist am vergangenen Wochenende ein Brandanschlag verübt worden. Als Mitarbeiter des AStA am Sonntagnachmittag das Gebäude betraten, bemerkten sie Brandgeruch und alarmierten Polizei und Feuerwehr. Zunächst war nur ein kleinerer Brandherd im Erdgeschoß auszumachen, der schnell bekämpft werden konnte. Anschließend stellte die Feuerwehr jedoch im ersten Stockwerk einen größeren Brand fest. Im Raum des Sozialreferats der Studentenvertretung hatten die Brandstifter offenbar Aktenordner und Bücher aus den Regalen geworfen, in der Mitte des Raumes zu einem Haufen aufgeschichtet und dann entzündet. Die Täter zerstörten sämtliche Unterlagen Nur durch den Einsatz von großem Gerät und unter Atemschutz gelang es der Feuerwehr, den Raum zu löschen und ein Übergreifen auf benachbarte Zimmer zu verhindern. Durch die starke Hitzeentwicklung unter dem brennenden Aktenberg brach jedoch der Raumboden durch. Herabfallende brennende Gegenstände fielen durch das Loch in der Zimmerdecke in den darunter gelegenen Raum der Fachschaft Jura und richteten dort - ebenso wie das anschließend herabfließende Löschwasser - erheblichen Schaden an. In beiden Räumen sind sämtliche Einrichtungsgegenstände, Unterlagen und mehrere Computer zerstört worden. Die Täter hatten sich durch das Aufbrechen der Haustür sowie insgesamt dreier Türen im Gebäude Zugang zu den Räumlichkeiten verschafft. Im Büro des AStA-Vorsitzenden ist zudem ein Feuerlöscher entleert worden, auch dort wurden Aktenschränke verwüstet und Unterlagen gestohlen. Zudem wurde ein Computer aus dem Außenreferat des AStA entwendet. Besonders ärgerlich ist, so der AStA-Sozialreferent Randolph Schmidt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß fast sämtliche Broschüren, mit denen der AStA Studenten in Fragen des BAföG oder in sozialen und rechtlichen Belangen berät, vernichtet worden sind. "Leidtragende sind hierdurch alle Kommilitonen, die auf unsere Informationsbroschüren angewiesen sind. Unsere rechtliche und soziale Beratung wird durch diesen Anschlag erheblich erschwert, aber unterkriegen lassen wir uns davon nicht!" so Schmidt, der für den Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) im AStA sitzt. Nach Angaben der Gebäudeverwaltung der Universität werden die Aufräum- und Wiederherstellungsarbeiten im AStA-Haus noch mehrere Monate in Anspruch nehmen. Laut ersten Schätzungen der Brandsachverständigen beläuft sich der Schaden derzeit auf 50.000 Euro. Für den Schaden am Gebäude wird nach jetzigem Kenntnisstand das Land Niedersachsen als ehemaliger Träger der nunmehr in eine Stiftung umgewandelten Universität aufkommen. Wer jedoch für die zerstörten Einrichtungsgegenstände, Unterlagen und entwendeten Rechner finanziell einsteht, ist bislang offenbar noch unklar In die Ermittlungen der Brandursache und der Täterschaft hat sich auch die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei eingeschaltet. Das läßt darauf schließen, daß ein politischer Hintergrund der Tat nicht ausgeschlossen wird. In einer Pressemitteilung der Göttinger Polizei wird ein Zusammenhang zu der Ende April diesen Jahres gewaltsam beendeten Besetzung des AStA-Gebäudes durch linke Gruppen hergestellt. Damals hatte ein "Bündnis für freie Räume" aus Protest gegen die Raumverteilung durch den wiedergewählten "rechten" AStA das Haus besetzt und verbarrikadiert (JF 19/03). Gegen einige der Besetzer ist mittlerweile ein Strafbefehl von jeweils bis zu 1.500 Euro ergangen, außerdem erhielten sie Hausverbot auf dem Gelände der Universität. Unmittelbar nach der Räumung durch zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei wurde das Gebäude zunächst von einem privaten Wachunternehmen gesichert. Vor kurzem zog jedoch die Universitätsverwaltung die Bewachung wieder ab. Als am vergangenen Samstagabend eine Großveranstaltung des Musikfernsehsenders MTV ("Campus Invasion") auf dem Unigelände in Göttingen zu Ende gegangen war, sammelten sich auf einer Rasenfläche neben dem AStA-Haus etwa zwei Dutzend Personen aus dem linken Spektrum um ein Lagerfeuer. Nach eigenen Angaben des "Bündnis für freie Räume" handelte es sich dabei um eine Party von Sympathisanten der ehemaligen Besetzer, um deren finanzielle Unterstützung sich mittlerweile sogar die linksradikale Organisation "Rote Hilfe" kümmert. Das linke Bündnis wandte sich jedoch bereits öffentlich gegen die Vorwürfe des AStA, der Anschlag stehe in einem kausalen und personellen Zusammenhang mit dem Protest der Besetzer. Auf die Frage, warum ein Lagerfeuer auf dem Rasen des AStA geduldet worden sei, äußerte ein Mitglied des Studentenparlaments die Vermutung, die Polizei sei von der Universitätsverwaltung zu einer deeskalierenden Strategie und zu Zurückhaltung aufgefordert worden. Schon bei der Besetzung der AStA-Räume durch linksradikale Gruppen hatte der Universitätspräsident zunächst äußerst zögerlich gehandelt. Während also die ehemaligen Besetzer von einem "unpolitischen Einbruch" sprechen und selbst die am AStA beteiligte unpolitische Gruppierung "Aktion Demokratische Fachschaft (ADF)" verlautbart, der "vage" Verdacht gegen die Sympathisanten am Lagerfeuer sei "entkräftet", machen Mitglieder des RCDS keinen Hehl aus ihren Vermutungen. Akten des Außenreferats wurden entwendet Bereits in früheren Jahren hatten Mitglieder des extremen linken Potentials an der Uni das Gebäude beschmiert oder verwüstet, wenn ihnen unliebsame Mehrheiten aus den Hochschulwahlen hervorgegangen sind, so erstmals 1996 und wieder in den Jahren 2000 und 2002. Die Tatsache, daß bestimmte Akten und ein Rechner des Außenreferats entwendet und nicht zerstört worden sind, läßt auf einen linken politischen Hintergrund schließen. Wie üblich in der ortsansässigen Szene ging man arbeitsteilig zwischen den öffentlich auftretenden und daher hinreichend bekannten Protagonisten einerseits und den im Verborgenen agierenden Gewalttätern vor. Daß die AStA-Besetzer durch den Brand nun ebenso überrascht worden sind, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Wie ist es erklärbar, daß ausgerechnet solche Dinge vernichtet oder entwendet wurden, die einen politischen Inhalt hatten? Wieso sind nicht ziellos (da angeblich unpolitisch) auch die Einrichtungen und Rechner in den Räumen der hauptamtlichen Geschäftsführung und der Sekretärin verwüstet worden? Den linken AStA-Gegnern ging es im Kampf um die vermeintlich vorenthaltenen Räume um mehr: "Der rechte AStA hat die Zerschlagung einer wichtigen linken Struktur in der Uni angeschoben ..." verlautbarten sie schon vorige Woche. Die Besetzung sei "gerechtfertigte Gegenwehr gegen den rechten Angriff" gewesen, hieß es in einem Solidaritätsaufruf mit den "kriminalisierten" Besetzern, in dem zu einer Fortsetzung des Kampfes "für selbstverwaltete Räume, aus denen heraus Allgemeinpolitik möglich ist", aufgefordert wird. Im linksradikalen Szene-Blättchen Göttinger Drucksache bekannte man - zwei Tage vor dem Brand im AStA -, es sei gut gewesen, daß "soviel Staub aufgewirbelt wurde". Offensichtlich wollte man diesem Aufwirbeln noch einmal Nachdruck verleihen. Foto: Wasserschaden durch Löschwasser in der Fachschaft Jura, Brandschaden im Sozialreferat: Wer dafür finanziell einsteht, ist bislang unklar |