© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/03 11. Juli 2003 |
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Der Sturm auf das Monopolfernsehen Florian Kain beschreibt die Bestrebungen, in den frühen sechziger Jahren ein massenwirksames Privatfernsehen zu installieren Ronald Gläser Es gilt neben der Spiegel-Affäre als größter Fehlgriff seiner Amtszeit: die Gründung der "Deutschland-Fernsehen GmbH" durch Konrad Adenauer. 1960 sorgte der Bundeskanzler mit seinem "Fernseh-Streich" für Aufruhr in der Nachkriegs-Medienlandschaft. Doch der Versuch scheiterte, einen zweiten Fernsehsender neben der ARD zu schaffen. In seinem Buch "Das Privatfernsehen, der Axel-Springer-Verlag und die deutsche Presse" analysiert der Autor Florian Hain ein heutzutage vergessenes Kapitel deutscher Mediengeschichte. Nach Adenauers mißglücktem Coup zur Schaffung eines "CDU-Fernsehens" versuchten mehrere Großverlage ebenfalls, eine Sendelizenz zu erhalten. Die treibende Kraft bei der jahrelangen Auseinandersetzung war Axel Cesar Springer. Seinem Ziel, in den sechziger Jahren einen privaten Fernsehsender zu installieren, ist Springer sehr nahe gekommen. Dem Fernsehen gelang in den sechziger Jahren der große Durchbruch. 1957 gab es eine Million Zuschauer, 1963 waren es bereits sechs Millionen. Am Ende des Jahrzehnts verfügten drei Viertel der Haushalte in der Bundesrepublik über ein Fernsehgerät. Zwar konnte auch die Presse ihre Auflagen und Gewinne steigern. Der rasante Siegeszug des TV-Geräts versetzte die Verlagshäuser jedoch in Angst und Schrecken. Die Produzenten von Druckerzeugnissen befürchteten, langfristig der Konkurrenz um Anzeige- und Werbekunden nicht gewachsen zu sein. Die Situation muß sich den Verlegern so dargestellt haben wie die Internet-Manie Ende der neunziger Jahre, als auch dem letzten Tante-Emma-Laden prophezeit wurde, daß er ohne Beteiligung am E-Commerce vom Markt verschwinden würde. Seit den späten fünfziger Jahren betrieb die Druckindustrie Lobbyarbeit in Bonn. Der CDU-geführten Bundesregierung wurde als Gegenleistung für eine Sendelizenz eine wohlgesonnene Berichterstattung in Aussicht gestellt. Bereits 1958 wurde die Freies Fernsehen GmbH (FFG) gegründet. Unter dem Namen "Verlegerfernsehen" betrieb eine Gruppe von etwa vierzig Zeitungsverlegern das Projekt. Springer war die treibende Kraft in diesem Unternehmen. Das Verdienst des Buchautors ist es, die Vorgänge mit und um Springer akribisch recherchiert zu haben. Dazu stand ihm auch das Firmenarchiv zur Verfügung. Der Antikommunist Springer sah neben neuen Gewinnquellen die Möglichkeit, von Berlin aus die "Zonen-Bevölkerung" informiert zu halten. Seine Zeitungen konnten die Mitteldeutschen ja spätestens seit 1961 nicht mehr lesen. Die anderen Verleger waren mit weit weniger Begeisterung an dem Projekt beteiligt. Zwar wartete die FFG vergebens auf die Erteilung einer Lizenz. Doch die gesamten sechziger Jahre hindurch dauerten die Versuche der interessierten Verleger an, sich ihr Tortenstück aus dem neuen Markt herauszuschneiden. Im Frühjahr 1961 startete die Kampagne, die in den kommenden Jahren einfallsreich und hartnäckig vorangetrieben wurde. Vor allem über die Bild-Zeitung wurde versucht, die Massen für das Privatfernsehen zu mobilisieren. Das bundesdeutsche Fernsehen befinde sich im "Dauerschlaf" und habe der "massiver werdenden Propagandaflut" in der "Sowjetzone" nichts entgegenzusetzen, lautete der Vorwurf an das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Aber auch die ökonomischen Aspekte des bestehenden "öffentlich-rechtlichen Monopols" wurden kritisiert. Springer selbst griff zu einprägsamen Metaphern: Die Zeitungsverleger agierten hinsichtlich der Nachrichtenübermittlung im "Zeitalter der Postkutsche", während die Fernsehsender längst im "Zeitalter des Düsenflugzeugs" angekommen seien. Innerhalb des Springer-Medienimperiums gab es eine klare Strategie. Ein Stab von Redaktionsangehörigen wurde mit der Aufgabe betraut, in den Publikationen des Hauses die Linie der Konzernspitze zu vermitteln. Bild-Chefredakteur Peter Boenisch wiegelte seine Leser auf und veröffentlichte jeden fernsehkritischen Leserbrief, der ihn erreichte. In typischer Bild-Manier wurde gegen "die da oben" gewettert, deren Programm "keine Mark wert" sei. Bild kommentierte den inszenierten Volkszorn dann mit solchen und ähnlichen Meinungsbeiträgen: "Was den Herren fehlt, ist Konkurrenz, (...) dann würden sie nicht wagen, Millionen Zuschauer an der Nase herumzuführen." Die Reaktionen der ARD standen in denen Attacken Springers in nichts nach. 1963 stellte das Magazin Panorama fest: "Das Fernsehen wird demokratisch kontrolliert. Aber niemand kontrolliert Axel Springer." So entstand eine Auseinandersetzung, an deren Ende die Anti-Springer-Bewegung der späten sechziger Jahre stand. Andere namhafte Zeitungen und Zeitschriften wie beispielsweise der Spiegel, die Zeit oder das Handelsblatt nahmen ambivalente Positionen ein. Insbesondere der Spiegel, dessen Mitbegründer John Jahr stark am TV-Geschäft interessiert war, dann aber seine Anteile an Rudolf Augstein veräußerte, ging später zu verbalen Maßregelungen Springers über. Weder Kanzler Ludwig Erhard noch Kanzler-in-spe Willy Brandt wollten es sich mit dem Mediengiganten Axel Springer verderben. Also nährten sie zeitweise die Hoffnung, seine Wünsche zu erfüllen. Aber alle politischen Ansätze verliefen im Sande. Am Ende kam eine Studie zu dem Urteil, das die Wettbewerbsverzerrungen zwischen der Presse und dem Fernsehen nicht beständen. Entmutigt mußten die Verleger um Springer ihre Pläne für ein Privatfernsehen begraben. Auch wenn sich in der öffentlichen Wahrnehmung alles auf die Person Axel Springers fokussiert hat, so handelte es sich bei dem frühen Feldzug für das Privatfernsehen um eine Aktion weiter Teile der deutschen Druckindustrie. Diese und andere Aspekte erhellt die Studie von Florian Kain, der selbst Journalist ist. Interessant ist die Studie auch deshalb, weil sie uns viel über frühere Fehleinschätzungen mitteilt. Genauso wie das Fernsehen nicht zum übermächtigen Medium wurde, hat sich auch folgende Aussage nicht bewahrheitet: Die Einführung des Privatfernsehens verbessere dessen Qualität. Auch die vermeintliche Linkslastigkeit, die schon Adenauer bedauerte, konnte nicht austariert werden. Die Balance im deutschen Fernsehen findet nicht zwischen rechts und links statt, sondern zwischen Politik einerseits und den beiden Pobacken von Jennifer Lopez andererseits. Foto: Adenauer gründet "Deutschland Fernseh-GmbH": Größter Fehlgriff Florian Kain: Das Privatfernsehen, der Axel Springer Verlag und die deutsche Presse - die medienpolitische Debatte in den sechziger Jahren. LIT Verlag, Münster 2003, 216 Seiten, 25,90 Euro |