© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/03 18. Juli 2003

 
Meldungen

Ein Primus über den Sprachmagier Borchardt

STUTTGART. Bei Journalisten, denen wie Gustav Seibt ewig das Primus-Image anhaftet, ist es doppelt peinlich, wenn Hochglanzaufsätze über die Zeitgeist-Ikone Rudolf Borchardt gleich mit einem so groben Schnitzer beginnen wie sein Beitrag über den Sprachmagier "während des Dritten Reiches" (Merkur, 6/03). Dort verpflanzt er den 1936 in Wien lehrenden Borchardt-Freund und Neugermanisten Josef Nadler nach Königsberg und verwechselt die "berüchtigte" vierte Auflage von dessen "Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften" mit der "harmlosen" dritten. Mit Schiefheiten und Fehlern geht es weiter, bis uns Seibt Borchardt "einbekanntermaßen" als Propagandist der Völkermischung, als Archäologen ungeschehener oder "besiegter" Historie und als "Weiterträger einer in Antike und Christentum wurzelnden deutschen Poesie" präsentiert, der sich gegen das NS-"Rassengerassel" wandte. Das sind seit einem Menschenalter, seit Erscheinen der angeblich "chaotischen Werkausgabe", bekannte Positionen der Borchardt-Forschung, die Seibt hier referiert. Daß er dies an prominentem Ort aufwärmen darf, scheint rätselhaft, mag aber positiv als Anstoß zur "Re-Lektüre" Borchardts hingehen.

 

Schädliches Ozon wirkt auf dem Land stärker

ITHACA. Die verschmutzte Luft einer Großstadt bekommt dem Wachstum von Pappeln besser als die vermeintlich frische Landluft im Umland. Die Forschergruppe um die Biologin Jillian Gregg von der Cornell-Universität in Ithaca (Staat New York) pflanzten Pappel-Klone im Herzen New York Citys, im nördlich gelegenen ländlichen Hudson Valley und im östlichen Long Island. Nach drei Jahren waren die Großstadtbäume doppelt so groß wie die Klone in der Provinz. Die Nährstoffe des Bodens und eine höhere Temperatur innerhalb der Stadt konnten als Gründe ausgeschlossen werden. Vielmehr scheint der Faktor des Ozongehalts in der Luft entscheidend zu sein. Skurrilerweise liegt die durchschnittliche Ozon-Konzentration in den ländlichen Gebieten oft weit über innerstädtischen Werten, was aus der Reaktionsdauer resultieren kann, die das Ozon aus Stickstoffdioxid der Autoabgase und Sauerstoff unter Einwirkung von Sonnenlicht bildet (Nature, Ausgabe 424). Gleichzeitig reagiert das ebenfalls in Abgasen vorhandene Stickstoffmonoxid (NO) in der Stadt das vorhandene Ozon direkt zu Stickstoffdioxid und Sauerstoff.

 

Britischer Hauptankläger Shawcross gestorben

LONDON. Der britische Hauptankläger bei den Nürnberger Prozessen von 1947, Hartley William Shawcross, ist letzten Donnerstag im Alter von 101 Jahren verstorben. Das Gericht und die Anklagebehörde wurden per Beschluß der alliierten Siegermächte durch jeweils delegierte Richter besetzt. In der Anklagebehörde stellt jede der vier Nationen zudem einen "Hauptankläger": Neben dem britischen Vertreter Shawcross, der kurz zuvor durch den Wahlsieg der Labour-Party Clement Attlees ins Unterhaus gewählt worden war, trat als Vertreter der USA Robert H. Jackson auf, der als Organisator des "Internationalen Militär-Tribunals" fungierte. Die "Hauptankläger" der Sowjetunion und Frankreichs waren der General Roman Rudenko und François de Menthon. Der 1945 zum Sir und 1974 zum Lord nobilitierte Shawcross wurde später Generalstaatsanwalt und britischer Justizminister im nächsten Kabinett Attlees.


 
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