© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/03 18. Juli 2003

 

Leserbriefe

Zu: "Was ist deutsch?" von Silke Lührmann, JF 29/03

Wem der Schuh paßt

Wem der Schuh paßt, der zieht ihn sich an! Dieses alte deutsche Sprichwort gilt für Herrn Berlusconi gleichermaßen wie für den Europaabgeordneten Martin Schulz. Ich für meinen Teil hätte nur freudig erregt: "Wo und wann darf ich mich vorstellen und wie ist meine Gage" gefragt, wenn mir ein Medienzar öffentlich angeboten hätte, mich als Filmbösewicht zu engagieren und in die erlauchte Schar der Filmschurken à la Klaus Maria Brandauer und Gerd Fröbe aufgenommen zu werden! Aber vielleicht verdienen Europaabgeordnete im Vergleich zu einem kleinen Praktischen Arzt wie mir viel zuviel, um eine so einmalige Chance zu erkennen und auszuschlagen!

Im Ernst! Es kann doch nicht angehen, daß 58 Jahre nach dem Naziregime Deutsche der Nachkriegsgeneration auf die bloße Erwähnung des Wortes Nazi oder Gestapo oder sonst etwas aus dieser schrecklichen Zeit mit solcher überschießenden Scham und Emotion reagieren, daß alle ihre rationalen und logischen Hirnarreale , inclusive der Spracherkennung, blitzartig und sofort blockiert und lahmgelegt werden, wie es sonst nur bei höchster Emotion und Lebensgefahr passieren darf, oder eben nicht! Hier meine ich nicht nur die Europaabgeordneten, sondern auch das Kanzleramt und Außenministerium, die den italienischen Botschafter zitierten!

Ich glaube hier nützten einigen Personen entsprechende Streßbewältigungs-und Kompensationskurse beim Psychotherapeuten oder Streßmanager - ich denke, nicht nur Kampfpiloten und Offiziere der Bundeswehr, sondern einige Politiker bräuchten dies auch!

Dr. Bernhard J.Giesguth, Mönchengladbach

 

 

Zum Pro & Contra "Länderfusion im großen Stil?", JF 28/03

Humbug

Der Forderung nach größeren Bundesländern ist vehement zu widersprechen. Das Argument der Größe schelte ich als Humbug. Das Gros der öffentlichen Aufgaben besteht aus Kleinigkeiten, nicht aus monumentalen Projekten. Mit diesem Argument wird ja bereits kleinen Ortschaften das Existenzrecht abgesprochen. Warum also nicht gleich - parallel zur Neuordnung der Länder - die Dörfer und Kleinstädte zusammenfassen in höchstens 50 Riesenstädte, keine unter einer Million? Da könnte man sich sogar die Bundesländer ganz ersparen. Zugegeben, durch die Zusammenlegung von Behörden lassen sich primär die Kosten ein wenig senken. Aber die Freisetzung von Arbeitskräften muß auch auf irgendeinem Wege finanziert werden. Letztlich werden also allenfalls die Kosten umverteilt. Zu wessen Lasten, steht außer Frage.

Besser wäre es, das Dickicht aus überhandnehmenden Vorschriften und überlappenden Zuständigkeiten zu entwirren. Ja, die Forderung muß sogar lauten: Mehr Zuständigkeiten für die kleinen Einheiten, bis hin zu den Gemeinden! Rückgängigmachen der Gebietsreformen! Bürgernähe - vielzitiert, aber nie realisiert! Eine Zusammenlegung der Länder würde wie schon die Gebietsreformen der 70er Jahre keineswegs Umwege ersparen, sondern nur die bisherigen Wege verlängern. In dem Maße, wie sich die Verwaltung räumlich von den Menschen entfernt, tun es diese innerlich. Da ist es nicht verwunderlich, wenn beide Seiten mehr und mehr gegen- statt miteinander arbeiten.

Unbedingt kommunalisiert werden sollte das gesamte Finanzwesen, Steuer ebenso wie Sozialversicherungen. Die Finanzierung der Gemeinden mehr schlecht als recht durch Almosen von oben herab kann augenscheinlich nicht funktionieren; nur so ist überhaupt ernstzunehmende demokratische Kontrolle möglich.

Horst Michael Kretschmer, Engen

 

 

Zu: "Wir werden weiterklagen", Interview mit Burhan Kesici, JF 28/03

Schweres Schicksal

Das Christentum kam, wie Burhan Kesici richtig erwähnt, einmal aus dem Vorderen Orient nach Europa. Was er uns nicht sagt, ist, daß die Christen überall im Vorderen Orient ein schweres Schicksal zu ertragen hatten und haben und vor der endgültigen Verdrängung stehen. Beschränken wir uns auf die Türkei, die Herr Kesici wohl am besten kennt, so sei er daran erinnert, daß vor 100 Jahren, also vor dem Ersten Weltkrieg, noch eine Million assyrische Christen im Gebiet der heutigen Türkei lebten. 1915/16 wurde an den Armeniern ein systematischer Völkermord verübt, bei dem 1,2 bis 1,5 Millionen Armenier, rund drei Viertel ihrer Bevölkerung, ermordet wurden. Neben den Massakern an den Armeniern wurden in der Zeit des Ersten Weltkrieges auch etwa eine halbe Million Assyrer umgebracht, denen im Gebiet des Tur Abdin zwischen 1926 und 1928 weitere Massenexekutionen und Vertreibungen folgten.

Daß die deutschen Christen die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland mit großer Sorge sehen, dürfte auch Herr Kesici verstehen. Zwar ist die Türkei offiziell laizistisch, faktisch gibt es eine einseitige Förderung und Bevorzugung des sunnitischen Islams. Diese findet in Deutschland ihre Fortsetzung. Solange sich in der Türkei kein grundlegender Wandel vollzieht und ein großer Teil der Moscheen und Gebetshäuser in Deutschland vom türkischen Ministerium für religiöse Angelegenheiten gesteuert werden bzw. sich die deutschen Muslime türkischer Abstammung vom Einfluß dieses Ministeriums nicht endgültig lossagen und sich Muslime nicht aktiv für eine Achtung der gleichen Rechte Anders- und Nichtgläubiger in ihren Herkunftsländern einsetzen, wird man den türkischen Muslimen und deutschen Muslimen türkischer Herkunft mit Vorbehalten begegnen. 

Karl Hafen, Frankfurt

 

Gewalt in der Wiege

Man kann es drehen und wenden, wie man will: dem Islam wurde Gewalt mit in die Wiege gelegt. Das heißt nicht, daß er für seine Zeit und für die Araber nicht auch gewisse Fortschritte brachte, aber diese Gewalt floß mit ein in den Koran. So mischen sich friedliche und zur Gewalt aufrufende Passagen im heiligen Buch der Muslime, und es sind letztere, die von Extremisten (bis zu Osama bin Laden) immer wieder für ihre Taten herangezogen wurden. Fatal ist es nun, daß der orthodoxe Islam eine zeitgemäße Interpretation (ijtihad) des Koran verwirft und sich so grundsätzlich jeder Öffnung verschließt. Hieraus mag nun jeder seine eigenen Konsequenzen ziehen; für den deutschen Staat allerdings bleibt wohl nur der Verfassungsschutz, um die potenziellen Gefahren rechtzeitig zu erkennen und abzuwenden.

Prof. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann, Bohmte

 

 

Zu: "Angst vor Rechtspopulismus" von Hans-Joachim von Leesen, JF 28/03

Sprache ist Politik

Ich bin entsetzt, wie selbstverständlich in Ihrem obigen Bericht die Bezeichnungen "Populismus" und "populistisch" verwandt werden. Wissen Sie denn nicht, daß diese Begriffe nur bei rechten Strömungen und Parteien benutzt werden? Haben Sie schon mal von Linkspopulismus oder Mittepopulismus gehört oder gelesen? Nein! Denn diese Begriffe werden nur gegen Rechts benutzt, weil sie so schön negativ klingen. Wenn man von populären Rechtsparteien oder von Rechtspopulären schreiben würde, klingt das ganz anders.

Sprache ist auch Politik! Das sollten Sie eigentlich wissen. Statt diesen Linksbegriff Populismus zu benutzen, sollte man diese Bemühungen, das Populäre an rechten Ideen zu negieren, verhöhnen, indem man ganz offen und deutlich sagt, daß die Linken extra neue Begriffe erfinden müssen, um sich gegen Rechts behaupten zu können.

Im neuen Duden steht natürlich "Populismus", weil das irgendein Linker geschafft hat, aber die Übersetzung lautet: opportunistische Politik, um die Gunst der Massen zu gewinnen, also auf deutsch zweckmäßige Politik, und auf die warten auch die Massen. Trotzdem sollte man bei "populär" und "Popularität" bleiben, weil das jeder versteht.

Walter Willhöft, Ahrensburg

 

 

Zu: "Abschied von der Solidarität" von Jens Jessen, JF 27/03

Ausbeutung

Es gibt keine paritätische Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, es gibt nur das Brutto gleich Kosten des Arbeitgebers für einen Angestellten, und es gibt das Netto gleich die Einnahme, die auf dem Konto des Arbeitnehmers landet. Von daher macht es auch keinen Unterschied, ob das Krankengeld komplett vom Arbeitnehmer (CDU) oder komplett vom Arbeitgeber (SPD) finanziert werden soll. In beiden Fällen bleiben Brutto und Netto für den unselbständig Beschäftigten gleich. Die politische Klasse hält perfekt zusammen, wenn es um die Ausbeutung ihrer Bürger geht.

Das Wort Privatisierung hat im Zusammenhang mit der geplanten Gesundheitsreform nichts verloren, da der Kassenpatient nach wie vor vollkommen entmündigt ist. Eine Privatisierung fände erst statt, wenn er aus der Zwangsversicherung in eine Versicherungspflicht entlassen würde, wenn er mit maßgeschneiderten Tarifen eine Kontrolle über seine Beitragszahlungen erlangte und wenn den Kassen erlaubt würde, derartige Tarife anzubieten und sie eine Reduzierung der eigenen Verwaltungskosten über eine Senkung der Beiträge an ihre Kunden weiterreichen dürften und nicht an die Kassen abtreten müßten, die in jedem Kuhdorf einen Glaspalast stehen haben.

Annette Schlosser, per E-Post

 

Konten und Kosten

Der Begriff der "Solidarität" ist in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland völlig unsinnig und fehl am Platz. Betriebswirtschaftlich gibt es lediglich eine Pseudo-Kontierung auf die Konten "Das trägt der Arbeitnehmer" und "Das trägt der Arbeitgeber". Beide Konten sind gemeinsam Bestandteile des Kostenpaketes "Lohnnebenkosten" und müssen vom Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern erwirtschaftet werden. Die oben genannte Aufsplittung ist rein fiktiv und dient lediglich der moralischen Beruhigung des Arbeitnehmers, daß sein Chef sich auch an seiner Krankenversicherung beteiligt. Damit sind die Anteils-Größenordnungen betriebswirtschaftlich gesehen reine gewerkschaftliche und sozialistische Propaganda.

Über 360 Versicherungen tragen in Deutschland die gesetzliche Krankenversicherung und verjubeln jedes Jahr etwa acht Milliarden Euro Verwaltungskosten. Würde der Finanzausgleich zwischen den Kassen endlich abgeschafft werden, könnten die gut wirtschaftenden Kassen, welche bisher mit diesen zusätzlichen Abgaben bestraft werden, ihre meist bereits niedrigen Beitragssätze zum Nutzen Ihrer Mitglieder weiter senken.

Fazit: Mehr Wettbewerb unter den gesetzlichen Kassen (statt dem weiteren Weg zur staatlichen Einheitskasse) dient immer den Versicherten. Dies ist Freiheit statt Sozialismus.

Jürgen Ullmann, Plauen

 

 

Zum Pro & Contra "Bundeswehr nach Afrika", JF 27/03

Halbherzigkeit

Herr Meinberg meint, daß sich die Bundeswehr "unter den gegebenen Verhältnissen" einer Beteiligung am Kongoeinsatz nicht entziehen konnte. Die Bundeswehr hat weder im Kongo noch sonstwo außerhalb der Republik etwas zu suchen, und ein souveräner Staat kann sich immer irgendwelchen Zumutungen entziehen. Im Kongo sollten sich in erster Linie die OAU und die ehemaligen Kolonialmächte engagieren, obwohl deren Verantwortlichkeit auch längst nicht mehr gegeben ist. Daß die Bundeswehr nicht besonders gut ausgerüstet und möglicherweise vorbereitet ist, wie Herr Meinberg meint, steht fest. Daß es aber nicht mal mehr reichen sollte, mit nicht viel mehr als Kalaschnikows bewaffnete Kinder zu entwaffnen, läßt die Unsinnigkeit und Halbherzigkeit des Unternehmens nach der Devise "Wir sind überall dabei, nur passieren darf nichts" erkennen.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: "Der Ursprung der Bewegung" von Claus-M. Wolfschlag, JF 27/03

Der verlorene Stamm

Nicht ein Stamm (der "zwölfte") ist im Lauf der Geschichte untergegangen, sondern zehn! Der Erzvater Jakob, der den Beinamen Israel erhielt, hatte (von vier Frauen) zwölf Söhne: Ruben, Simeon, Levi, Dan, Naphthali, Gad, Asser, Isaschar, Sebulon, Joseph und Benjamin. Elf dieser Söhne und zwei Enkel Josephs wurden die Stammväter des Volkes Israel. Nach dem Tod des Königs Salomo um 930 v. Chr. zerfiel das Reich in zwei verfeindete Teile: Das größere Nordreich "Israel" mit der Hauptstadt Samaria umfaßte zehn Stämme, das Südreich "Juda" mit der Hauptstadt Jerusalem die beiden Stämme Juda und Benjamin. 721 v. Chr. eroberten die Assyrer das Nordreich Israel und verschleppten seine Bewohner. Seit dieser Zeit gelten die zehn Stämme Israels als verschollen. Wohl durch Assimilation in der Gefangenschaft verlor sich ihre Spur vollkommen. Über den Verbleib der verschollenen zehn Stämme Israels gibt es etliche Deutungen. Die abenteuerlichste, von der ich hörte, behauptet, daß die Urbewohner Englands, die "Saxons" (aus dem Namen Isaak, dem Vater Jakobs, hergeleitet) als Skythen über Kleinasien nach Nordeuropa, von dort als Jüten nach England zogen und somit die Nachkommen der zehn Stämme Israel seien.

Wilfried Sprenger, Neuenbürg

 

 

Zur Meldung: "Abschaffung von Feiertagen kritisiert", JF 27/03

Kirche strich Feiertag

Wie schön, daß der Erfurter Bischof Joachim Warnke die geplante Abschaffung von Feiertagen kritisiert. Dem ist entgegenzuhalten, daß die katholische Kirche beispielsweise selbst den Pfingstmontag als Feiertag gestrichen hat. Nach der neuen Meßliturgie Papst Pauls VI. endet die österliche Zeit mit dem Pfingstsonntag. Der gesetzliche Feiertag Pfingstmontag wird nur noch von den Gewerkschaften verteidigt. Wer hätte das gedacht?

Hermann Kerkenbusch, Oberhausen

 

 

Zu: "Weltweit ein riesiges Geschäft" von Alexander Barti, JF 26/03

Kompletter Unsinn

Mich hat der oben genannte Artikel geschmerzt. Die Angaben über die Kosten des auf verschiedene Art gewonnenen Stroms halten einer kritischen Überprüfung nicht stand. Noch immer ist konventionell erzeugter Strom deutlich billiger als Wind- und Sonnenstrom, für den die Endverbraucher rund 9 Zent bzw. rund 49 Zent pro Kilowattstunde bezahlen müssen. Außerdem müssen die Endverbraucher, wenn keine Stromsperren eintreten sollen und dürfen, für die häufigen Zeiten des Ausfalls von Sonnen- und Windenergie - auch bei Sturm müssen Windkraftanlagen abgeschaltet werden - Reserveenergien inklusive Bedienung bereithalten, was zusätzlich Kosten verursacht.

Der Satz: "Hierbei nutzt die Elektrolyse die durch Sonneneinstrahlung entstandene Hitze zur permanenten Stromproduktion" belegt mehr als eindrucksvoll die bereits durch die Pisa-Studie festgestellten Defizite der naturwissenschaftlichen Bildung in Deutschland. Er ist kompletter Unsinn.

Dr. Friedrich Löffler, Wesseling

 

Unsinniger Vergleich

In seinem Beitrag vergleicht Alexander Barti die Kosten von Fotovoltaik-Strom und von Windenergie mit den Kosten von Atomstrom. Er spielt damit erneuerbare Energien gegen Kernenergie aus. Das macht vom Standpunkt des Klimaschutzes keinen Sinn, denn bei der Stromproduktion mit Hilfe von Kernenergie fällt genausowenig klimaschädliches Kohlendioxid an wie bei der Stromproduktion mit Hilfe von Sonne und Wind.

Notwendig ist statt dessen ganz allgemein der schrittweise Verzicht auf die fossilen Brennstoffe Steinkohle, Braunkohle, Mineralöl und Erdgas bei der Energiegewinnung. Hierzu wurden im Fall der Stromproduktion durch den Einsatz von Kernenergie und von erneuerbaren Energien erste Erfolge erzielt. Doch wie stehen die Dinge bei den anderen energieverbrauchenden Sektoren Verkehrswesen und Raumheizung? Ein Lichtblick im Verkehrswesen ist dabei die elektrisch betriebene Eisenbahn. Ideal wäre die Umstellung wie bei der Bahn auf elektrische Antriebe oder der Einsatz von Wasserstoff, der bekanntlich bei der ennergiegewinnenden Reaktion mit Sauerstoff umweltfreundlich zu Wasser "verbrennt". Allerdings müssen zuvor die mit dem Wasserstoffeinsatz verbundenen Sicherheitsprobleme gelöst werden. Vergleichsweise einfach wird es dann sein, unsere Häuser auf elektrische Heizung oder auf Wasserstoffheizung umzustellen. Zuletzt bleibt die Frage nach der für die Wasserstoffgewinung benötigten Primärenergie und die schlichte Antwort lautet: Kernenergie und erneuerbare Energien!

Reinhard Wolf, Großkrotzenburg


 
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