© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/03 15. August 2003

 
Bundeswehr
Deutsche Soldaten nach Bagdad?
Dieter Stein

Geht es Ihnen auch so? Sie waren ein, zwei Wochen im Urlaub. Getrennt von Schreibtisch und Telefon. Sie sind unberührt vom Betrieb, der Hektik des Alltags und der Arbeit. Die Zeit scheint sich zu verlangsamen. Manches, was "superwichtig" und "wahnsinnig eilig" war, ist plötzlich nicht mehr wichtig oder schlicht vergessen. Statt dessen haben Sie einfach in den blauen Himmel geschaut und einen Roman gelesen, dessen Titel sie nicht mehr nennen können. Statt der FAZ haben Sie Bild gelesen (weil nur die Springer-Presse ihren Urlaubsort erreichte) und sich amüsiert über die Schlagzeile "40 Grad! Kanzler, tu was!"

Am ersten Arbeitstag gehen Sie nicht, sondern schlendern ins Büro. Merkwürdig, wie abgehetzt wir noch zwei Wochen zuvor waren. Und nun finden Sie sich einmal wieder in die "Reformstau-Debatten" hinein! Ganz allmählich hüllt uns erneut das Palaver der Fernseh-Talkshows ein. Der alarmistische Journalismus mit seinen Verrücktheiten hat uns wieder im Griff.

Soll man wirklich die Ausweitung des Afghanistan-Engagements der Bundeswehr noch kommentieren? Deutschlands Grenze wird ja bekanntlich am Hindukusch verteidigt, wie uns der Verteidigungsminister aufgeklärt hat. Und zum ganz normalen Wahnsinn, in den wir nun wieder genüßlich eintauchen, gehört, daß nun ernsthaft ein Engagement der Nato und auch Deutschlands im völkerrechtswidrig angegriffenen Irak diskutiert wird. Während amerikanische Sicherheitsexperten, so Edward N. Luttwak vom Center for Strategic and International Studies am 9. August in der Welt, ihrer Regierung nüchtern empfehlen, aufgrund der tagtäglichen Menschenverluste den Irak so schnell wie möglich zu verlassen, kommen nun die Deutschen auf die Idee, wir müßten diesen Trümmerhaufen übernehmen, den die Amerikaner dort hinterlassen haben.

So mahnte Unions-Vize Wolfgang Schäuble in dem Moment an, die Ablehnung Berlins gegenüber einem Irak-Engagement zu überdenken, als bei einem Anschlag in Bagdad der 57. US-Soldat seit Einstellung der Hauptkampfhandlungen am 1. Mai ums Leben kam. Die Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr ist offenbar der Mindestpreis, den Bundeskanzler Schröder zahlen zu müssen meint, um wieder in Washington von Bush empfangen zu werden. Die Entsendung deutscher Soldaten schließlich in den Irak, die zu befürchten ist, auch wenn es sich nur um eine symbolische Schützenpanzer-Besatzung handeln sollte, dürfte erst der Einstieg in eine Beteiligung Deutschlands an der finanziellen Seite dieses Schlamassels sein. Dagegen wäre dann die Flutkatastrophe und ihre Folgen aus dem letzten Jahr ein Klacks ...

Es scheint für unsere Politiker ein großer Reiz darin zu bestehen, in irgendwelchen entlegenen Wüsteneien "für Ordnung" zu sorgen, anstatt zu Hause den Laden aufzuräumen. Wahrscheinlich sind die Aufgaben in Deutschland einfach zu komplex und zu schwierig, um sie mal eben mit Bundeswehr und Scheckheft zu lösen.


 
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