© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/03 15. August 2003

 
Bilanz des Scheiterns
Nordrhein-Westfalen: Eine Studie offenbart das wirtschaftspolitische Versagen des einstigen Ministerpräsidenten und heutigen Superministers Wolfgang Clement
Josef Hämmerling

Das altbewährte deutsche Sprichwort "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" läßt sich problemlos auch auf Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) übertragen. Doch ausgerechnet der Mann, der als Wirtschaftsminister (1995-1998) und späterer Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens (1998-Oktober 2002) auf ganzer Linie gescheitert ist, soll jetzt als Bundeswirtschaftsminister Deutschland aus der schwersten Krise der Nachkriegszeit führen.

Eindrucksvoll belegt wird Clements Versagen durch die Studie "Bundesländer-Ranking - Bundesländer im Vergleich: Wer wirtschaftet am besten?", die vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) in Zusammenarbeit mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der Wirtschaftswoche erstellt wurde.

Danach landet NRW bei der wirtschaftlichen Entwicklung aller Bundesländer von 2000 bis 2002, dem sogenannten Dynamic-Ranking, weit abgeschlagen auf dem elften Platz. Kein anderes westdeutsches Flächenland wirtschaftete in dieser Zeit so schlecht wie Nordrhein-Westfalen.

Auf dem ersten Rang landete das frühere Sorgenkind Saarland mit 116,0 Punkten, gefolgt von Bremen mit 115,7 Punkten und Hessen mit 106,3 Punkten. Nordrhein-Westfalen kam nur auf bescheidene 98,1 Punkte, während Berlin, das von den Ökonomen als "hoffnungsloser Fall" abgeurteilt wurde, mit kümmerlichen 73,8 Punkten auf dem 16. und damit letzten Platz landete.

Besonders peinlich für Clement ist, daß die Gründe für diese Entwicklung alle hausgemacht sind. Während der saarländische Regierungschef Peter Müller (CDU) die Gewerbesteuer konsequent gesenkt und im Verwaltungsrecht fast 3.000 investitionshemmende Bestimmungen abgeschafft hat, ging die rot-grüne Landesregierung an Rhein und Ruhr genau den umgekehrten Weg. Wie jetzt auch bundesweit spielt die Gewerbesteuer bei der immer horrender werdenden Verschuldung der nordrhein-westfälischen Städte eine wichtige Rolle im Haushaltssäckel.

Vor allem rächt sich jetzt der versäumte Strukturwandel in NRW. Anstatt die Wirtschaft den geänderten Erfordernissen anzupassen, scheute die SPD aus Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner und die Gewerkschaften die dringend notwendigen Einschnitte. Etwa bei der Kohle: Während zwischen Rhein und Weser immer wieder Milliarden in den Bergbau verschwendet werden, ging man an der Saar konsequent den anderen Weg. "Wir lassen die Kohle auslaufen und investieren keinen Cent mehr in den Bergbau", sagte der saarländische Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi.

Dafür flossen die Investitionen vermehrt in die Informationstechnologie und andere aufstrebende Wirtschaftszweige, besonders auch im Bereich der Dienstleistungen. Der Erfolg gibt Müller und Georgi recht: Die früheren Zulieferunternehmen für den Bergbau wandten sich mit Hilfe des Landes der Automobilindustrie zu und sorgten dafür, daß das Saarland heute eines der größten Auto-Produktionsländer Deutschlands ist. Durch diese und andere Maßnahmen schaffte man an der Saar ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent. Dagegen liegt NRW mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von nur mickrigen 0,1 Prozent sogar noch deutlich unter dem ohnehin schon bescheidenen bundesdeutschen Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent.

Ähnlich sieht es im Arbeitsmarktvergleich der beiden Bundesländer aus. Während die Arbeitslosigkeit an Rhein und Ruhr zwischen 2000 und 2002 weiter zunahm, ging sie im Saarland von 9,8 auf 9,1 Prozent zurück. "Wirtschaftswachstum und Produktivität im Saarland liegen weit über dem Durchschnitt, die Steuerkraft hat zugenommen, es gibt weniger Sozial- und Arbeitslosenhilfeempfänger, die Bürokratie wird konsequent abgebaut", begründete der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Tasso Enzweiler, den Sieg des Saarlands. Dagegen sei die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen "besorgniserregend".

Trotz dieser negativen Entwicklung hat NRW bei der Momentaufnahme der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach Bayern (129,9 Punkte), Baden-Württemberg (129,3) und Hessen (128,3) seinen vierten Platz behaupten können, liegt aber mit 115,3 Punkten weit hinter dem Spitzentrio. Hierbei profitiert Nordrhein-Westfalen noch immer von dem Umstand, daß 40 Prozent aller deutschen Großunternehmen zwischen Rhein und Weser angesiedelt sind.

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag sprach von einer Blamage für Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen. "Das größte Bundesland war einmal der Wachstumsmotor ganz Deutschlands und liegt jetzt gerade mal vor den Ländern, die die Folgen von 40 Jahren Sozialismus abarbeiten", sagte CDU-Fraktionssprecher Christian Weisbrich. Dagegen hieß es aus Regierungskreisen, das positive Ergebnis für das Saarland sei lediglich die Folge eines "Aufholprozesses".

Die Studie belegt eindeutig, daß die rot-grüne Wirtschaftspolitik mit ihrem Hang zu immer weiterem Ausbau der Bürokratie, einer völlig verfehlten Steuerpolitik und der Angst vor einem manchmal harten, nichtsdestotrotz aber notwendigem Strukturwandel nicht geeignet ist, Deutschland aus der Rezession herauszuführen. Um so schlimmer ist es dann, daß ausgerechnet derjenige, der für den Niedergang Nordrhein-Westfalens ursächlich verantwortlich ist, nun Bundeswirtschaftsminister ist und sogar als designierter Nachfolger von Bundeskanzler Gerhard Schröder gilt.


 
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