© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/03 29. August 2003 |
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Das Versagen der Rechten Nach dem Schill-Debakel: Warum scheitern die kleinen Parteien immer wieder? Dieter Stein Nicht Dienst am Volk, nicht Orientierung am Gemeinwohl werden angestrebt, sondern eigene Vorteile; nicht die Einhaltung von Verfassung und Gesetzen ist oberstes Prinzip, sondern das Festhalten an Pakten, die mit politischen Weggenossen auf Gegenseitigkeit getroffen werden. Das in Jahrhunderten gewachsene Ethos öffentlicher Amtsträger wird beiseite geschoben zugunsten des Austauschs privater Vorteile im Sinne von 'Eine Hand wäscht die andere'. Wie in vorstaatlicher feudaler Zeit gilt die Loyalität nicht der staatlichen Gesamtheit, sondern bestimmten Personen oder Gruppierungen und ihren Mitgliedern. Das ist das Band, welches Seilschaften Erfolg verheißt: das ist der Kitt, der politischen Führern Treue und Gefolgschaft sichert, die sich dafür mit Fürsorge und Versorgung mit Posten revanchieren." So beschrieb Hans Herbert von Arnim, unbequemer und unerbittlicher Kritiker des Parteienstaates, in einem seiner jüngsten Bücher das "System" des neofeudalen Gebens und Nehmens in unserem Staat, das Demokratie und Rechtsstaat aushöhlt. Arnim schrieb diese Sätze vor der unsäglichen Schlammschlacht, die in der vergangenen Woche Anlaß und Folge der Entlassung des Innensenators Ronald Schill war, als habe er den in der Hansestadt zutage getretenen Filz vorausgeahnt. Die Partei Schills war unter der Initiative des umtriebigen und zweifellos mutigen Amtsrichters gegründet worden, um den Rechtsstaat zu revitalisieren, Polizei und Justiz zu stärken und den Bürgern mehr Sicherheit zu bringen. Es sollte den Etablierten das Fürchten gelehrt und durch veränderte parlamentarische Mehrheiten dafür gesorgt werden, daß Entscheidungen fallen, um die sich CDU, SPD, FDP und Grüne aus Opportunismus herumdrücken. Die Schill-Partei hatte deshalb in Hamburg einen solchen Erfolg, weil eine dort besonders lendenlahme CDU nicht mehr in der Lage war, das nichtlinke Lager, Mitte und bürgerliche Rechte zu mobilisieren. Da brauchte es schon eines agilen, medienbekannten Provokateurs, um den Protest auch an den Wahlurnen zu mobilisieren. Beinahe 20 Prozent konnte Schill in Hamburg einfahren und sogleich in die Regierung eintreten, was vor ihm in den letzten vierzig Jahren keinem Politiker rechts von der Union gelungen war. Schill hat damit unbestritten eine bedeutende politische Bresche in ein festgefahrenes Parteiensystem geschlagen. Sein Erfolg strahlte aus und lud zur Nachahmung in anderen Bundesländern ein, doch scheiterte die Partei bei allen folgenden Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde, sie blieb reduziert auf ein Hamburger Phänomen. Aktuelle Umfragen sehen sie nun auch dort abstürzen. Zudem wirkten auch bei Teilen der Schill-Partei die Gesetze des "Systems" (Arnim) schneller, als man glauben mochte. Schon kurz nach Antritt der Regierung geriet beispielsweise Schills Bausenator Mario Mettbach in die Schlagzeilen, weil er seine Lebensgefährtin als Büroleiterin beschäftigen wollte. So ist die Protest-Partei auf dem Wege, im negativen Sinne "etabliert" zu werden und das Spiel der Bereicherung am Staate mitzuspielen, wie es die bestehenden Parteien nur zu gut beherrschen. So steht diese Partei, deren eigentlichen Namen (Partei Rechtsstaatlicher Offensive) kaum jemand kennt, und deren Abkürzung PRO ihr sogar gerichtlich von einem Konkurrenten untersagt worden ist, mit der Abservierung Schills vor einem Trümmerhaufen. Wieder schauen tausende idealistische Aktivisten, die gutgläubig das Parteibuch einer Formation erworben haben, die das Wahre, Schöne und Gute über diesen Staat bringen wollte, in die Röhre. Schills Erben werden eine schwere Last tragen, und es ist fraglich, ob eine Reorganisation gelingt. Die Zerschlagung und das Aufsaugen durch die CDU scheint nur noch eine Frage der Zeit. Die linke taz urteilte nun vernichtend und nicht ohne Schadenfreude: "Die Kamikazeaktion von Ronald Schill zeigt, daß in ansonsten unsicheren Zeiten auf eines erfreulicherweise Verlaß ist: den Selbstzerstörungswillen der deutschen Rechtspopulisten. (...) Die Rechtspopulisten scheitern immer wieder an sich selbst. Sie stolpern über kleinliche Intrigen, selbstgemachte Skandale, geltungssüchtiges Führungspersonal, einen Mangel an Seriosität - nicht zufällig, sondern immer wieder." Das Schlimme ist, daß die taz recht hat. Die Bundesrepublik kennt das sternschnuppenartige Kommen und Gehen unzähliger bürgerlicher, mal rechtskonservativer, mal nationalliberaler Formationen, die angetreten waren, als Alternative zu FDP und CDU Bürgerwillen zu mobilisieren und in die Parlamente zu tragen. Sie hatten einige wenige spektakuläre Erfolge, doch sind sie tatsächlich früher oder später immer wieder auch an der eigenen Beschränktheit gescheitert. Auch derzeit reklamieren gleich Dutzende von Kleinparteien, das bürgerlich-konservative, demokratisch-rechte, christlich-patriotische Lager zu einen, zu sammeln, zu bündeln - und meist natürlich allein zu vertreten. Doch werden wirklich nur "rechtspopulistische" Parteien so hochgradig von halbseidenen Figuren, Glücksrittern und Parvenus angezogen? Das parteipolitische Engagement birgt grundsätzlich und damit auch bei etablierten Parteien die lockende Versuchung für Menschen mit mäßigem Talent, gleichsam auf einer Überholspur zu kompensieren, was im Leben ohne Parteibuch einer Karriere im Weg steht. Anders ist der objektive Ansehensverlust des politischen Personals aller Parteien nicht zu erklären. Hinzu kommt, daß Parteien nicht im luftleeren Raum existieren. Ihre Organisationen und ihr Personal sind Schnittmengen gesellschaftlicher Milieus, deren Einfluß über den der Partei hinausgeht. PDS, SPD, FDP, Grüne und Union werden von Gruppen getragen, die Medien, Verwaltung, Wirtschaft durchdrungen haben. Eine FDP kann nicht abstürzen wie eine Schill-Partei oder die Republikaner. Wer dort fällt, landet weich. Solange rechte Alternativen zum Establishment scheinbar aus der gesellschaftlichen Anonymität kommen müssen, solange es eine große Koalition prinzipiell gegen Politikansätze jenseits der Union - egal, in welcher Form, und egal, mit welchem Personal - gibt, solange vor allem die Union selbst jede rechte Alternative grundsätzlich verneint, wird jede neue Partei vor demselben Schicksal stehen wie die Schill-Partei. Sie hat die Medien gegen sich, sie hat die maßgeblichen gesellschaftlichen Institutionen gegen sich, sie ist einer Meute ausgesetzt, die sie jagt, bis sie erlegt ist. Verschärft wird dies jedoch dadurch, daß jede demokratisch-rechte Formation sich auf ein Bürgertum verläßt, das zwar besorgt, aber saturiert, politikverdrossen, aber feige ist. Solange sich daran nichts ändert, hat auch die solideste neue Partei keine Chance. |