© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/03 29. August 2003

 
Protzige Villen und Luxuswagen für Apparatschiks
Laos: Seit über einem Vierteljahrhundert regiert die Volksrevolutionäre Partei / Armut und drittgrößte Opiumproduktion der Welt
Albrecht Rothacher

In den üblichen Auflistungen verbrecherischer Regime kommt die unauffällige Volksrepublik Laos nicht vor. Dabei stehen die in Vientiane das Politbüro der Laotischen Volksrevolutionären Partei (LPRP) beherrschenden 70jährigen Generale an Brutalität, Korruption und Mißwirtschaft ihren Kollegen im international geächteten benachbarten Burma (Myanmar) um nichts nach. Nach dem Sieg der kommunistischen Pathet Lao wurden Zehntausende ihrer Gegner in Arbeitslager in die Bergdschungel des Nordens gesteckt, oft wie König Srisavang Vattana auf Nimmerwiedersehen. Dann wurde es still um das friedfertige Fünf-Millionen-Volk der Laoten, das trotz reicher Bodenschätze weiter im Armenhaus Südostasiens leben muß.

Der langandauernde Kampf der Hmong-Minderheit

Durch eine bizarre Episode kam der antikommunistische Widerstandskampf des Bergvolkes der Hmong (auch "Meo" genannt) kürzlich in die Schlagzeilen. Ein französischer und ein belgischer Journalist und ihr laotisch-amerikanischer Übersetzer hatten sich einem Hmong-Verband im Dschungel angeschlossen, waren in einen Hinterhalt der Regierungstruppen geraten, nach kurzem Feuergefecht gefangengenommen und in einem zweistündigen Prozeß wegen Feindbegünstigung zu je 15 Jahren Haft verurteilt worden. Nach europäischem Druck auf das von Hilfsgeldern abhängige Regime wurden die drei nach nur zwei Monaten Haft entlassen. Ihren mitgefangenen Hmong-Begleitern dagegen drohen weiter Jahrzehnte im Straflager oder schlimmeres.

Bei einer Pressekonferenz in Bangkok schilderten die Journalisten jüngst ihre Erfahrungen eher ernüchternd. Sie seien mit einem Verband von 600 Hmong, der zur Hälfte aus Kindern bestand und nur 90 waffenfähige Männer hatte, deren Ausrüstung aus schadhaften, rostigen Schnellfeuergewehren mit wenigen Schuß Munition bestand, wochenlang von Hunger und Krankheiten geschwächt durch den Dschungel geirrt. Die Truppe, die sie begleiteten, sei von der Hoffnung auf die Rückkehr der Amerikaner, von denen sie 1975 im Stich gelassen worden waren, beseelt gewesen. Schon zu französischen Kolonialzeiten hatten die oft christlichen Hmong, die vom Brandrodungsanbau und der Jagd im nordostlaotischen und im annamitischen Bergland leben, gegen die kommunistischen Guerillas des Pathet Lao und des Vietminh gekämpft.

Schon früh nahm die CIA die meisten Stämme unter Führung von General Van Pao unter Vertrag. Ihr unbesungener und opferreicher Einsatz gegen die Nachschublinien des Ho-Chi-Minh-Pfads, der durch weite Teile des formal neutralen Laos führte, war wesentlich effektiver als der illegale Bombenkrieg der USA, die damals zwei Millionen Tonnen Bomben über der Hochebene der Tonkrüge und benachbarten Provinzen abwarfen. Gut 30 Prozent waren Blindgänger, die jetzt bei Berührung explodieren. Dies gilt besonders für jene tennisballgroßen, gegen Infanterie und Träger eingesetzten 90 Millionen Kleinbomben, die in Laos "bombies" genannt werden. Seit 1975 sind 6.000 Menschen in Laos diesen Blindgängern zum Opfer gefallen. 6.000 weitere wurden von ihnen verkrüppelt. Nach dem kommunistischen Sieg flüchteten 320.000 Hmong unter Führung von Van Pao über den Mekong in Lager nach Thailand. Die meisten wanderten später in die USA, andere nach Frankreich, Australien und Neuseeland aus. Die verbliebenen Lager wurden 1999 von der UNHCR geräumt, ihre Insassen nach Laos zwangsrepatriiert.

Die in Laos verbliebenen Hmong wurden von den Pathet Lao mit vietnamesischer Hilfe als politische und ethnische Todfeinde unnachsichtig verfolgt. Zwangsumsiedlungen ins Tiefland, Massenerschießungen, Giftgaseinsatz, Arbeitslager und Folter waren als gängige Mittel im Einsatz. Aufschlußreich über das große vietnamesische Interesse an der Unterdrückung der Hmong ist der Absturz einer vietnamesischen Militärmaschine über dem Aufstandsgebiet im Nordosten von Laos im Mai 1998. Damals starben kein geringerer als der vietnamesische Generalstabchef Generalleutnant Dao Trong und andere hohe Offiziere.

Die Gegenwehr der bald ohne Unterstützung von Thailand und den USA operierenden Hmong bestand aus einem Guerillakrieg mit niedriger Intensität. So werden korrupte örtliche Parteichefs getötet oder ihre illegalen Drogen- und Tropenholzgeschäfte sabotiert. Im Oktober 1998 überfielen 150 Mann die Regierungskasse der Provinz Xieng Khonang und entkamen mit der Beute. Im Jahr 2001 überrannten 60 bewaffnete Rebellen den Zollposten von Chong Mek in Südlaos. Gelegentlich explodieren in Vientiane Bomben, oder es werden Überlandbusse beschossen, ohne daß die Urheberschaft je bekannt wird: Laut dem Regime in Vientiane gehen solche Anschläge stets auf das Konto namenloser "Banditen".

Im Dezember 1975 marschierten 40.000 Pathet Lao an der Seite von 50.000 vietnamesischen Soldaten in Vientiane ein. Formal herrschte dann der "rote Prinz" Souphanouvong bis zu seinem Tod mit 86 Jahren im Jahre 1991 als Premierminister. Die wahre Macht lag jedoch beim geheimnisumwitterten Zentralkommittee der LPRP und seinen vietnamesischen Meistern. Jedem Ministerium, jeder größeren Armee-Einheit, jeder Provinzregierung und jedem wichtigen Parteiorgan sind unweigerlich vietnamesische Berater zugeordnet, die die Richtung vorgeben.

Präsident und Politbureauchef ist der 79jährige General Khamtay Siphandone. Sein Stellvertreter ist Generalleutnant Choummali. Seit 1996 hat sich in dem achtköpfigen Politbüro, das wie zu Breschnews Zeiten aus ewig rüstigen Greisen besteht, die Zahl der Offiziere von drei auf sieben erhöht. Man kann daher wohl zu Recht von einer kommunistischen Militärdiktatur sprechen.

107 von 108 Abgeordneten sind von der Einheitspartei

Im Februar 2002 wurde mit dem üblichen Propagandarummel eine neue Nationalversammlung gewählt, die die Parteibeschlüsse abzusegnen hat. Bei einer Wahlbeteiligung von 99,3 Prozent wurden 108 Abgeordnete gewählt. Davon waren 107 Genossen der LPRP und einer, der Justizminister, formal parteilos. Von echten Reformen hält das Regime wenig. 1999 wurde ein allzu ambitionierter Finanzminister in Ungnade abgesetzt. Nach Studentenprotesten an der Dongkok-Universität wurde 1998 ihr Sprecher tags darauf bei einem "Verkehrsunfall" getötet. Ein Jahr später demonstrierten Lehrer und Studenten in Vientiane wieder für freie Wahlen und gegen Mißwirtschaft und Korruption. Hunderte wurden festgenommen und zu langer Arbeitslagerhaft verurteilt. Die fünf studentischen Sprecher der Proteste bleiben seit ihrer Verhaftung spurlos verschwunden.

Der Unmut der Bevölkerung über die eigene Verelendung und die protzigen Villen und Luxuswagen der Apparatschiks ist zweifellos spürbar. Doch ist der Einfluß der Opposition im Exil, die von dem ältesten Enkel des im Arbeitslager ermordeten Königs, dem 39jährigen Prinz Soulivong Savang, mit der Forderung nach Wiedereinführung der konstitutionellen Monarchie geführt wird, schwer zu beurteilen. Als mit 23.000 Hektar Anbaufläche drittgrößtem Opiumproduzent der Welt geht es den kommunistischen Generalen, die den meisten Handel kontrollieren, persönlich offenkundig gut. Zur Feier des 25. Jahrestag des Sieges spendierten die Genossen aus Peking auch für sieben Millionen US-Dollar einen riesigen Kulturpalast für das Zentrum von Vientiane. Denn für Infrastrukturausgaben aus eigenen Mitteln hat die abgewirtschaftete Diktatur kein Geld.

Achtzig Prozent der Laoten leben noch immer als Subsistenzbauern außerhalb der normalen Geldwirtschaft. Die meisten Dörfer haben weder Strom- noch Wasserversorgung und sind nur über Fußpfade zu erreichen. Der Abbau der beträchtlichen Vorkommen an Zinn, Gips, Gold und anderen Edelmetallen sowie die Nutzung der Hydroenergie scheitert am Kapitalmangel. Zwar wurden durch den Neuen Ökonomischen Mechanismus (NEM) von 1986, der mit Lenins NEP von 1921 vergleichbar ist, privates Eigentum, Handel und Auslandsinvestitionen prinzipiell zugelassen, doch bleiben die 30 größten "strategischen" Unternehmen in Staatsbesitz. Ihre durch schlechtes Wirtschaften oder Subventionsvorgaben verursachten Dauerverluste werden, wie in den Transformationsregimen üblich, durch politisch erzwungene Kredite der Staatsbanken ausgeglichen. Nicht ganz überraschend wurden nun die drei Staatsbanken mit 70 Prozent uneinbringlichen Krediten insolvent.

Angesichts ausbleibender Steuereinnahmen hat der Staat kein Geld mehr zur Zahlung der Lehrer- und Beamtengehälter. Als man versuchte, über Zollerhöhungen mehr Geld einzuspielen, erhöhte sich nur der Schmuggel über die Grenze zum wichtigsten Handelspartner Thailand. Zuvor hatte die laotische Regierung versucht, ihre Finanzprobleme mit der Druckmaschine zu lösen: 1998/99 schoß die Inflation auf 142 Prozent. Mittlerweile liegt sie wieder bei zehn Prozent pro Jahr.

Achtzig Prozent der Laoten leben als Subsistenzbauern

Nur die internationalen Hilfszahlungen halten das Regime noch über Wasser. Sie betragen jährlich etwa 250 Millionen Euro (oder 45 Euro pro Kopf in einem Land, in dem 50 Prozent der Bevölkerung weniger als 100 Euro im Jahr verdienen). Dieser Betrag entspricht 16 Prozent des BIP und einem Drittel des Staatshaushaltes. Als Ergebnis hat Laos eine schöne neue zweite Mekong-Brücke, die von den Japanern spendierte Lao-Nippon-Brücke bei Pakse nach Thailand, aber auch 1,6 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden (70 Prozent des BIP), darunter 800 Millionen Rubel Altlasten an Rußland aus Sowjetzeiten.

Privates Kapital kommt nur aus auslandschinesischen Quellen aus Thailand und Taiwan ins Land. Es fließt in die Textilverarbeitung (70.000 Beschäftigte), den meist illegalen Tropenholzeinschlag, einige Bergbauprojekte und in den mit 120.000 Touristen pro Jahr erfolgversprechenden Fremdenverkehr. Die Lieblingsprojekte der laotischen Planer gelten der Nutzung der Wasserkraft des Gebirgslandes. Aktuell werden nur 410 Megawatt produziert. Doch wäre nach ihren Projektionen das Fünfzigfache, nämlich 20.000 Megawatt zu gewinnen. Diese ökologischen Desaster, etwa der Nam-Theun-2-Damm, der 1,1 Milliarden Euro kosten soll, sind jedoch nur fremdfinanziert umsetzbar. Als Kapitalgeber bleiben nach dem kürzlichen Ausscheiden der Électricité de France (EdF) nur noch die Asiatische Entwicklungsbank in Manila und die Weltbank übrig. Doch auch die werden wissen wollen, wer den Strom abnehmen will. Derweil werden aber die Tropenwälder, die die fiktiven Dämme behindern könnten, schon einmal vorsorglich gewinnbringend abgeholzt.

Als eines der ärmsten Länder Asiens weist Laos erschreckende Sozialindikatoren auf. Die Lebenserwartung liegt bei nur 51 Jahren. Die Säuglingssterblichkeit erreicht 8,8 Prozent. Wegen Unterernährung bleibt die Hälfte aller Jugendlichen kleinwüchsig und immungeschwächt. Nur 60 Prozent der Kinder besuchen eine Grundschule. Die Analphabetenrate liegt bei 54 Prozent.

Das Regime von Vientiane spielt meisterlich die politische und militärische Abhängigkeit von Vietnam (und neuerdings auch von China), die wirtschaftliche und kulturelle von Thailand, und die finanzielle von der westlichen Entwicklungshilfe gegeneinander aus, zumal es der Westen stets verabsäumt hat, den längst überfälligen politischen Wandel des bankrotten Regimes im einstigen Königreich der tausend Elefanten nachdrücklich einzufordern.


 
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