© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/03 26. September 2003

 
Vorkämpfer für die religiöse Beliebigkeit
Der Kirchenhistoriker Gerhard Besier ist wegen Äußerungen zur Scientology-Organisation in die Schußlinie geraten
Thorsten Thaler

Der evangelische Kirchenhistoriker und Leiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden, Gerhard Besier, ist wegen seiner Äußerungen zur Scientology-Organisation in die Kritik geraten. Bei der Eröffnung eines Europa-Büros der umstrittenen Organisation vergangenen Mittwoch in Brüssel bezeichnete Besier Scientology als Vorkämpfer für den religiösen Pluralismus.

Scientology stehe "in der ersten Reihe derjenigen, die für die Akzeptanz von religiöser Vielfalt kämpfen", soll Besier laut einem von der Organisation veröffentlichten Redetext gesagt haben. Scientology führe einen Kampf für Toleranz, der jedem nutze, heißt es in dem Manuskript. Bei der Einweihungs-feier haben nach Scientology-Angaben auch andere Wissenschaftler sowie mehrere Abgeordnete des EU-Parlaments Stellungnahmen abgegeben.

Der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, erklärte während einer Synodentagung vorigen Freitag in Berlin, er könne die Aussage Besiers "nur mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen".

Die Sektenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Jella Teuchner, bezeichnete die Äußerungen Besiers als "Frechheit". Wer eine Sekte wie Scientology als Kirche bezeichne, der handele unerhört. "Dem gehört eigentlich die Professur entzogen", sagte Teuchner der Katholischen Nachrichten-Agentur in Berlin.

Auf Unverständnis stieß Besier auch beim Evangelischen Arbeitskreis (EAK) der CDU/CSU. Sein Auftritt bei Scientology sei "zutiefst befremdlich und unverantwortlich", erklärte der EAK-Bundesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Thomas Rachel. Scientology sei vorwiegend durch zweideutige finanzielle Machenschaften und Expansionsgelüste und als Anbieter von manipulativen Psychotechniken bekannt geworden und habe mit dem christlichen Glauben nicht das geringste zu tun. Es sei absurd, wenn eine solche Organisation, die selbst unter dem Verdacht totalitärer Anschauungen steht, von einem Totalitarismusforscher wie Besier hofiert und als Vorbild einer konsequenten Glaubenshaltung dargestellt werde.

Besier selber war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Wie eine Mitarbeiterin auf telefonische Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mitteilte, wollte er am Dienstagabend von einer Reise in die USA nach Deutschland zurückkehren. "Wir wissen bislang auch nur das, was in der Presse zu lesen war", hieß es am Hannah Arendt-Institut. Sowohl das sächsische Kultusministerium als auch die Universität Dresden haben Besier, der früher in Heidelberg lehrte, zu einer Stellungnahme aufgefordert. Falls sich Besier so geäußert haben sollte, könne sich die Hochschule damit in keiner Weise identifizieren, erklärte die Pro-Rektorin für Bildung, Monika Medick-Krakau. Das weitere Vorgehen könne allerdings erst nach einem Gespräch mit Besier beraten werden.


 
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