© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/03 26. September 2003

 
Die Augen der Revolution
Eine Ausstellung würdigt den Kubaner Alberto Korda, der das weltberühmte Porträt Che Guevaras fotografierte
Michael Ludwig

Das Foto ist weltberühmt, aber kaum einer kennt seinen Schöpfer. Es porträtiert den gebürtigen Argentinier und Helden der kubanischen Revolution Ernesto "Che" Guevara mit Baskenmütze und ungebändigten lockigen Haaren. Ches Blick ist in die Ferne gerichtet, und es scheint, als gewinne er seine Intensität aus einer Mischung von Melancholie und Bestimmtheit.

Das Foto stammt von Alberto Korda, der vor zwei Jahren in Paris starb. Das kubanische Regime ehrt dieser Tage den 72 Jahre alt gewordenen Künstler mit einer großen Ausstellung in Havanna, in der zahlreiche zwar weniger bekannte Bilder zu sehen sind, die aber dennoch dokumentarischen und künstlerischen Wert besitzen.

Die Ausstellung steht unter dem Titel "Gracias a la vida" (Dank an das Leben) und kann als Programm gesehen werden, denn sie legt nicht nur Zeugnis über die politische Arbeit Kordas als Fotograf der kubanischen Revolution ab, sondern verschafft auch Einblick in das Privatleben eines Mannes, der die Weichen seines beruflichen Erfolges bereits in den Zeiten vor Fidel Castros Machtergreifung gelegt hatte und dem das kommunistische Ideal der Askese zugunsten der Allgemeinheit mehr als fremd war. Alberto Korda fotografierte für die französische Zeitschrift Elle und für den Rum-Hersteller Bacardi. Die große amerikanische Schallplattenfirma RCA wandte sich an den Kubaner, als sie nach passenden Hüllen für ihre Produkte suchte. Sein Studio in El Vedado war Treffpunkt der schönsten Frauen der Zuckerinsel. Viele von ihnen waren Korda nicht nur als professionelle Modelle zugeneigt, sondern bereicherten sein Privatleben auch auf die erotische Art. So kam er in den Ruf eines ausgemachten Schürzenjägers, der außerdem gerne Rum trank und die kubanischen Zigarren genoß.

Bekannt wurde Korda allerdings als der Fotograf, der Fidel Castro und seine Revolutionäre auf ihrem langen Weg zur Macht begleitete und sie auch später für die Geschichte im Bild festhielt. So entstand am 5. März 1960 jenes legendäre Bild der Revolutions-Ikone Che. Korda schoß das Foto anläßlich einer Gedenkveranstaltung für hundert getötete Besatzungsmitglieder eines belgischen Frachtschiffes, das - so die offizielle kubanische Version - von Konterrevolutionären angegriffen wurde. "Ich sah Guevara vortreten, mit diesem stählernen, trotzigen Blick", erinnerte sich der Fotograf. "Ich konnte nur zwei Aufnahmen machen, dann war der Augenblick vorüber."

Ein Abzug des Bildes hing sieben Jahre lang unbeachtet in Kordas Wohnung, bis der italienische Verleger Giangiacomo Feltrinelli zu Besuch kam. Er erkannte sogleich die ästhetische Schönheit des Bildes und die suggestive Kraft, die von ihm ausgeht. Der Kubaner schenkte ihm Abzüge des Fotos. Im Oktober des gleichen Jahres wurde Guevara als Guerilla-Kämpfer in Bolivien gestellt und erschossen. Feltrinelli trug dafür Sorge, daß es in einem überdimensional großen Format an der Fassade eines Hochhauses am Platz der Revolution in Havanna angebracht wurde. Der Siegeszug des Bildes, das eine ganze Studentengeneration der westlichen Welt als Revolutionssymbol an die Wand klebte, war nun nicht mehr zu stoppen. Geld brachte es seinem Urheber nicht, denn er verzichtete auf alle Tantiemen. Erst als der Wodka-Hersteller Smirnoff Che für seine Werbezwecke vereinnahmen wollte, sperrte sich der inzwischen 71jährige: "Das Bild von Che Guevara zum Verkauf von Wodka zu benützen, ist eine Schande für seinen Namen und sein Andenken. Er war kein Trinker, und Alkohol sollte nicht mit seinem unsterblichen Andenken verbunden werden." Korda gewann den in London ausgetragenen Prozeß.

Was den dokumentarischen Wert der Ausstellung in Havanna ausmacht, sind die zahlreichen Bilder berühmter Männer der Zeitgeschichte. Der Besucher sieht Fidel Castro dick eingemummt bei der Jagd in der Sowjetunion (1964) oder als Taucher in der Karibik und Che Guevara beim Fischen. Er bekommt einen Einblick in das Familienleben der Chrustschows, begegnet dem ersten Menschen im Weltall, dem Kosmonauten Juri Gagarin, und den Schriftstellern Ernest Hemingway und Gabriel Garcia Marquez.

Die Ausstellung, die noch bis Ende Oktober in der kubanischen Hauptstadt zu sehen ist, kommt auch nach Europa. Im nächsten Jahr wird sie in Italien gezeigt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen