© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/03 10. Oktober 2003

 
Von Elba nach St. Helena oder Berlin
Saarland: Nur mit Lafontaine kann der SPD die Rückkehr zur Macht gelingen / Noch ziert sich der Ex-Ministerpräsident / Ärger mit Schröder vorprogrammiert
Christian Roth

Gut ein Jahr vor der Landtagswahl im Saarland könnte sich Ministerpräsident Peter Müller eigentlich siegessicher zurücklehnen. Nach einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage der Saarbrücker Zeitung könnten die Christdemokraten zum jetzigen Zeitpunkt mit einer satten Mehrheit von 54 Prozent rechnen. Die SPD käme auf blamable 33 Prozent, den Grünen wird der Wiedereinzug in den Landtag prognostiziert, und die FDP bliebe mit drei Prozent deutlich unter dem Strich.

Doch dem 48jährigen "Sonnenkönig" Müller, dem heftige bundespolitische Ambitionen nachgesagt werden, droht Ungemach. Vor wenigen Tagen platzte die vielbeachtete und von Müller mit Vehemenz unterstützte schwarz-grüne Koalition im Rathaus der Landeshauptstadt Saarbrücken aufgrund eines zweifelhaften Nachtragshaushaltes. "Es ist eine Niederlage des Ministerpräsidenten", höhnte Oppositionsführer Heiko Maas (SPD).

Der jugendliche Herausforderer hat ansonsten wenig zu lachen. Seine Umfragewerte sind katastrophal, und die bevorstehende Rückkehr des Polit-Frührentner Oskar Lafontaine verdrängt den SPD-Landeschef aus dem Schlagzeilen. Mit einem Paukenschlag meldete sich der frühere Parteivorsitzende und Dauerrivale von Kanzler Gerhard Schröder zurück. An seinem 60. Geburtstag rief Lafontaine unter dem Jubel der Genossen im Festsaal des Saarbrücker Rathauses: "Das alte Schlachtroß hat den Ruf der Trompete gehört. Es scharrt schon wieder mit den Hufen."

Deutlicher hätte Lafontaine seine Ambitionen nicht anmelden können. Offiziell werden die Sozialdemokraten am 8. November bekanntgeben, wer Ministerpräsident Müller im kommenden Jahr herausfordern wird. "Der Landesvorsitzende hat das erste Vorschlagsrecht", sagt Lafontaine generös. Doch parteiintern mehren sich die Stimmen, die sich für eine Rückkehr des Politikers aussprechen, der das kleinste Flächenland der Bundesrepublik von 1985 bis 1990 patriarchalisch regierte und sich den Ruf als "Napoleon von der Saar" erwarb.

Der einflußreiche Bundestagsabgeordnete und ehemalige SPD-Geschäftsführer Ottmar Schreiner gehört zu Lafontaines Befürwortern, ebenso Rolf Linsler, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Verdi. In den Reihen der Christdemokraten übt man sich in demonstrativer Gelassenheit. "Uns ist Lafontaine sogar lieber", meint Fraktionschef Peter Hans: "Die Wähler sollen sich zwischen einem Mann der Zukunft und einem Polit-Fossil entscheiden dürfen."

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht, und die eilig zur Schau gestellte Zuversicht wirkt ein wenig zu aufgesetzt. Der erst 37jährige Heiko Maas - darin sind sich alle Beobachter einig - wird gegen Müller und dessen Amtsbonus am 5. September 2004 keine Chance haben. Nur 23 Prozent der befragten Saarländer würden ihm im direkten Duell ihre Stimmen geben. Bei Oskar Lafontaine sieht die Lage anders aus. Bereits jetzt sprechen sich 38 Prozent für eine Wiederwahl des einstmaligen SPD-Bundesvorsitzenden aus.

Beim Machtwechsel vor vier Jahren, als Müller sich ziemlich überraschend gegen Lafontaine-Nachfolger Reinhard Klimmt durchsetzte, war die Entscheidung hauchdünn: 45 Prozent für die CDU, 44,8 Prozent für die SPD - Grüne (3,1 Prozent) und FDP (2,7 Prozent) scheiterten klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Mit einer Stimme Mehrheit regiert das CDU-Kabinett seither im einzigen Zwei-Parteien-Parlament der Bundesrepublik.

Seitdem hat Müller seine Machtbasis stetig erweitert, solide, aber wenig spektakulär regiert. Die Auszeichnung zum Ministerpräsidenten des Jahres hat ihm vor einem Monat zu weiterer Popularität verholfen. "Nach dem jetzigen Stand der Dinge ist Müller der Sieg sicher. Alles wird davon abhängen, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt und wie Lafontaine sein Comeback verkaufen kann", urteilten die Meinungsforscher.

Fest steht bisher: Nur jeder Zweite der SPD-Anhänger würde für Heiko Maas stimmen, aber mehr als 80 Prozent für Oskar Lafontaine. "Man darf nicht vergessen, daß die SPD die Wahl 1999 nur deswegen verloren hat, weil ihre Anhänger zu Hause geblieben sind. Unter dem Strich hat die CDU trotz eines Verlustes von 4.000 Stimmen mehr als acht Prozent zugelegt", heißt es in der Studie weiter. Die Wunden, die der plötzliche Rücktritt von Oskar Lafontaine von der politische Bühne im Februar 1999 hinterlassen hat, sind längst verheilt. An der Basis gilt das politische Auslaufmodell längst wieder als Hoffnungsträger. Bereits im mit Spannung erwarteten Wahlkampf zum Saarbrücker Stadtrat im kommenden Frühjahr will er wieder aktiv mitmischen.

Doch Lafontaines Rückkehr-Bestrebungen stoßen nicht überall auf Gegenliebe. "Es geht ihm nicht um das Saarland, sondern nur darum, seine persönlichen Rachegelüste gegenüber Schröder zu befriedigen", analysierte die Saarbrücker Zeitung. Die Äußerungen aus der Bundespartei sind eindeutig. "Überhaupt nichts" hält der Berliner SPD-Bundestagsfraktionsführer Franz Müntefering von einer Kandidatur Lafontaines. Sein Nachfolger als Generalsekretär Olaf Scholz sagt offiziell, die Entscheidung bleibe "selbstverständlich den Freunden an der Saar überlassen".

Gleichzeitig wird der unglückliche Landeschef Heiko Maas aber "als Nachwuchshoffnung mit glänzender Perspektive" gefeiert. Saar-Genossen erzählen hinter vorgehaltener Hand, daß Maas folgender Kuhhandel vorgeschlagen wurde: Er solle sich in den fast aussichtslosen Wahlkampf stürzen, um dann mit einem Amt auf Bundesebene entlohnt zu werden - Reinhard Klimmt war schließlich auch im Herbst 1999 nach der verlorenen Landtagswahl als "Entschädigung" zum Bundesverkehrsminister berufen worden.

Das gefällt nicht allen Saar-Sozis: "Die Berliner sollen sich bei uns nicht einmischen", giftete Landes-Generalsekretär Rainer Tabillion. Auch ohne Wahlkampf-Auftritte von Bundesprominenz könne die Partei im Saarland gewinnen - sofern sie sich als wahre Oppositionspartei präsentieren würde, heißt es parteiintern. Schon präsentiert sich Heiko Maas als scharfer Kritiker des Kanzlers und unterstellt Müller, "Schrödersche Politik an der Saar umzusetzen".

Der kontert umgehend: "Wer gegen mich verliert, läßt mich kalt. Aber Lafontaine zu schlagen, wäre für mich eine besondere Genugtuung." Doch es klingt ein wenig wie das berühmte Pfeifen im Walde.