© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/03 10. Oktober 2003 |
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Staatlicher Menschenhandel Ausländerpolitik: Für Geld wird von vietnamesischer Seite die Herkunft von Asylbewerbern verschleiert Ronald Gläser Der Skandal um die "vollziehbar ausreisepflichtigen" Ausländer weitet sich aus (JF 40/03). Jetzt hat der Bayerische Rundfunk im Umfeld vietnamesischer Asylanten recherchiert und bemerkenswerte Fakten ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Die Sendung "Report aus München" in der letzten Septemberwoche berichtete von Vu Phuong Chien, einem seit zwölf Jahren hier lebenden Vietnamesen. Der 37jährige sollte nach der Ablehnung seines Asylantrages in sein Heimatland abgeschoben werden. Die Rückführung von Vietnamesen ist durch ein bilaterales Abkommen mit dem südostasiatischen Land geregelt. Regierungsvertreter aus Vietnam befragen den Abzuschiebenden auf deutschem Boden. Sie sollen seine Identität ermitteln, auch und gerade um festzustellen, ob er wirklich Vietnamese ist. Im Falle des Herrn Chien erschienen Beamte des vietnamesischen Geheimdienstes. Sie schlugen ihm - dokumentiert mit der versteckten Kamera - folgendes Geschäft vor: Sie wären bereit, seine Adressenangaben als fehlerhaft darzustellen. Dann würde er nicht abgeschoben. Dafür müsse er 1.500 Euro bezahlen. Karl Hafen, Geschäftsführender Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), sagte gegenüber dem BR: "Das ist eine ganz dramatische Sache. Hier handelt es sich um eine Erpressung einerseits zu Lasten der Bundesrepublik." Andererseits würden die Vietnamesen erpreßbar für ihren Geheimdienst. Schließlich hätten sie sich das Bleiberecht erschlichen, so Hafen weiter. Aber auch wer nicht auf das Geschäft eingeht, muß mit Sanktionen rechnen, nämlich dann, wenn er in sein Land zurückgekehrt ist. Es kommt noch besser: Der Kontaktmann, den die Agenten vorgeschickt haben, bietet französische Pässe an. Sechs Paßfotos und 5000 Euro würden eine EU-weite Niederlassungsfreiheit für den Vietnamesen sicherstellen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) stand den Reportern nicht für ein Interview zur Verfügung. Daß deutsche Behörden das Wirken fremder Geheimdienste - hier sogar mit Mafiamethoden - ignorieren, ist nichts Neues. Auch in Hinblick auf die US-amerikanische Abhörstation in Bad Aibling haben deutsche Behörden ihre Augen fest geschlossen. Auch die Problematik der unterlassenen Abschiebungen nach Vietnam ist seit Jahren bekannt. Bereits 1997 richtete die SPD-Abgeordnete Heidemarie Beyer eine diesbezügliche Kleine Anfrage an die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Landesregierung 430 Rückführungsanträge weitergeleitet. 131 dieser Anträge habe die vietnamesische Seite geprüft und akzeptiert. 90 Fälle jedoch seien von Vietnam abgelehnt worden. Als Begründung wurde immer die gleiche Ursache angeführt: Die Angaben der Betroffenen hinsichtlich Adresse und Geburtsort in Vietnam entsprächen nicht der Wahrheit. Die Vietnamesen hatten sogar trotz der Vorlage eines vietnamesischen Reisepasses die Identität von abgelehnten Asylbewerbern für falsch erklärt. Dies ergab die Anfrage der Sozialdemokratin vor mittlerweile sechs Jahren. Im Rückführungsgesetz ist die Übermittlung der hiesigen Anschrift an die vietnamesischen Behörden vorgesehen. Dadurch ist es auch für die Vietnamesen einfach, im Vorfeld Kontakt zu den Bürgern ihres Landes herzustellen. Mit anderen Ländern hat Deutschland sehr viel günstigere Abkommen ausgehandelt. So nimmt Bulgarien beispielsweise seine Staatsbürger, die sich illegal in Deutschland aufhalten, zurück. Die Voraussetzung ist, daß die deutsche Seite nachweisen kann, daß es sich um Bulgaren handelt. Die Vietnamesen dagegen nutzen ihr faktisches Vetorecht, indem sie behaupten, die betroffene Person sei kein Vietnamese. Tausende von Vietnamesen sind "vollziehbar ausreisepflichtig". Ihre Zahl ist nicht sehr groß, aber sie stellen eine der größten Ausländergruppen in den neuen Bundesländern. Die DDR hatte Vietnamesen als Vertragsarbeiter ins Land geholt. In Brandenburg an der Havel sind sie beispielsweise die größte Gruppe von Nichtdeutschen. Einigen ist es gelungen, sich nach der Wende eine Existenz als Betreiber vom Restaurants oder Marktständen aufzubauen. |