© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/03 10. Oktober 2003 |
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Schon stottern die Rasenmäher Subventionsabbau: Regierungschefs Steinbrück und Koch einig in der Vorgehensweise / Einzelne Maßnahmen sind kaum durchsetzungsfähig Paul Rosen Deutschland befindet sich im Kommissions-Rausch. Ehemalige Präsidenten wie Richard von Weizsäcker und Roman Herzog legten Reformpläne für Bundeswehr und Sozialsysteme vor. Der Volkswirt Bert Rürup, den früher allenfalls Fachleute kannten, reformiert im Auftrag der Bundesregierung Renten, und der VW-Arbeitsdirektor Hartz soll den Arbeitsmarkt revolutionieren. Die Schaubühnen in Berlin haben inzwischen Hochsaison. Da wollten auch zwei Ministerpräsidenten nicht abseits stehen. Am Dienstag vergangener Woche präsentierten Roland Koch, der CDU-Mann aus Hessen, und Peer Steinbrück, der SPD-Regierungschef in Nordrhein-Westfalen, bei einem gemeinsamen Auftritt in Berlin ihre Pläne zum - laut Eigenwerbung - "größten Subventionsabbau in der Geschichte der Bundesrepublik". Nur Laien werden noch ins Staunen geraten, wenn die beiden Politiker Einsparungen von 16 Milliarden Euro versprechen. In Wirklichkeit zeigt sich am Koch-Steinbrück-Plan und auch an der Arbeit der anderen Reformkommissionen das ganze Ausmaß des politischen Dilemmas in Deutschland. Die Politik ist nicht mehr handlungs- und entscheidungsfähig, selbst wenn Vertreter verschiedener Parteien zusammenarbeiten. Alles wird in unzähligen Fernsehshows zerredet, ehe die zu entscheidenden Sachverhalte die letzten parlamentarischen Hürden genommen haben. Dieses ganze Ausmaß der Entscheidungsunfähigkeit zeigt sich auch am Papier der Ministerpräsidenten: Sie konnten sich allenfalls auf eine Kürzung nach der sogenannten Rasenmäher-Methode verständigen. Das heißt, daß die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen zwischen 2004 und 2006 um jährlich vier Prozent abgesenkt werden sollen. Auf diesen Subventionsabbau hätte Finanzminister Hans Eichel (SPD) auch von alleine kommen können. Der im Berlin Jargon auch "Pleite-Hans" genannte Eichel hatte einen Teil der Maßnahmen fest im Blick: So wollte er die Entfernungspauschale für Arbeitnehmer, die Koch und Steinbrück nur leicht kürzen wollen, mehr als halbieren. Die Eigenheimzulage will Eichel völlig abschaffen, während die beiden Ministerpräsidenten das Volumen dieser Zulage in den kommenden drei Jahren um insgesamt zwölf Prozent reduzieren wollen. Die deutsche Politik krankt an der Unfähigkeit, klare Ziele vorzugeben und die Bürger bei wichtigen Entscheidungen mitzunehmen. Nach den zahlreichen nicht eingehaltenen Wahlversprechen von 1998 und 2002 hat eine Mehrheit der Bürger kein Vertrauen mehr und befürchtet - mit gutem Recht - bei jeder Reform inzwischen schlimmste Folgen für das eigene Einkommen. Widersinnige Kürzungen sind vorgeschlagen Koch und Steinbrück kommen mit dem Wort Subventionsabbau daher, meinen aber im Regelfall den Griff in die Taschen des arbeitenden Volkes. Sozialhilfe beispielsweise wäre auch eine Subvention, nachdem die beiden Ministerpräsidenten den ursprünglichen Subventionsbegriff (direkte Zahlungen des Staates) bereits ausgeweitet haben. Der Bereich Soziales wurde jedoch ausgeklammert. Dafür wollen beide Politiker an die Werbungskostenpauschale bei der Steuer heran, die vor allem Arbeitnehmern etwas Entlastung verschafft. Gleiches gilt für die Pendlerpauschale. Die Kürzung des Sparerfreibetrages ist geradezu widersinnig. Während einerseits die private Vorsorge für das Alter (Riester-Rente) gefördert wird, sollen die Zinserträge des für das Alter angesparten Vermögens stärker besteuert werden. Die Eigenheimzulage ist der falsche Förderweg an sich, weil sie nur dort wirkt, wo das Bauen ohnehin besonders billig ist. Das ist im ländlichen Raum, wo aber schon genügend Wohnraum vorhanden ist. Sinnvoller war der frühere Förderweg nach Paragraph 10e Einkommensteuergesetz. Diese Steuerermäßigung führt auch in teureren Wohngegenden zu stärkerer Bautätigkeit. Die Bauwirtschaft war immer der Motor der Konjunktur. Wer die Konjunktur wieder in Gang bringen will, muß dem Bau gezielt helfen, zum Beispiel mit großzügigeren Abschreibungsregelungen, statt die Förderung noch zu kürzen. Dem Hauptproblem haben sich aber alle Haushaltssanierer und Subventionskürzer noch nicht zugewandt. Es gibt zu hohe Staatsausgaben, nicht nur im Bereich Soziales. Ein Beispiel: Deutschland zahlt zwischen acht und zehn Milliarden Euro netto pro Jahr an die Europäische Union. Diese Summe wird in den nächsten Jahren durch die neuen mittel- und osteuropäischen EU-Länder stark steigen. Hier hätte der Rotstift angesetzt werden müssen, zum Beispiel durch eine Änderung der Agrarförderung. Davon findet sich bei Koch und Steinbrück kein Wort. Die Vorschläge der beiden Ministerpräsidenten sind allein schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil sie Steuervergünstigungen und Subventionen undifferenziert in einen Topf geworfen haben, um zu einem möglichst eindrucksvollen Ergebnis zu kommen. In einem Staat wie dem deutschen, in dem Interessen- und Ständevertreter längst die Oberhand haben, lassen sich aber einzelne Kürzungsmaßnahmen kaum noch durchsetzen. Im Steuerbereich wäre es besser, durch allgemeine Tarifsenkungen die Nutzung von Ausnahmeetatbeständen wie der Entfernungspauschale uninteressant zu machen. So reduzieren sich viele Steuersparmodelle, die bis in den Betrug hineinreichen, von selbst. Die Pläne werden in der Schublade verschwinden Doch alle Bundesregierungen waren in Sachen Steuerreform nicht mutig genug. Die rot-grüne Koalition arbeitete zudem handwerklich so schlecht, daß die Steuerreform von 2000 durch den faktischen Ausfall der Körperschaftsteuer zu einem Desaster wurde. Natürlich waren die politischen Parteien des Lobes voll ob der Arbeit der beiden Ministerpräsidenten. Aber sowohl CDU-Chefin Angela Merkel als auch Eichel wissen genau, daß die Pläne von Koch und Steinbrück in einer Schublade des Bundesrates verschwinden werden. Eichel hat zwar 1,5 Milliarden Euro Einsparungen bereits fest im nächsten Haushalt eingeplant, aber diese Planung diente nur dazu, einen Platzhalter zu haben, um das Ausmaß der finanziellen Katastrophe in der Bundeskasse etwas zu verschleiern. Noch ein Wort zu den Direktzahlungen des Staates: In Deutschland herrscht der Eindruck vor, die Lösung der Energieprobleme bestehe in der Förderung der Windkraft, die die beiden Ministerpräsidenten auch nicht antasten wollen. Die Kohle soll jedoch weniger gefördert werden. Besser wäre gewesen, die beiden Herren hätten sich in das Dickicht der Knappschaftlichen Sozialversicherung eingearbeitet. Hier könnten Milliarden eingespart werden, ohne daß eine Zeche geschlossen werden müßte. Aber erst wenn die letzte Zeche geschlossen und das letzte Atomkraftwerk stillgelegt worden ist, werden auch Koch und Steinbrück merken, daß man mit Windkraft kein Industrieland versorgen kann. Fotos: Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (NRW, SPD) und Roland Koch (Hessen, CDU), Förderturm der Dinslakener Zeche Lohberg/Osterfeld: Im Regelfall ein Griff in die Taschen des arbeitenden Volkes |