© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 43/03 17. Oktober 2003
 


Zeitschriftenkritik: Zeit-Fragen
Schweizerisches und mehr
Werner Olles

Zeit-Fragen nennt sich die im 11. Jahrgang in Zürich erscheinende "Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung". Neben spezifisch schweizerischen Themen wie den Parlamentswahlen und der Neuen Regionalpolitik (NRP) beschäftigt sich die Genossenschaft "Zeit-Fragen" als politisch und finanziell unabhängiges Blatt, das ausschließlich ehrenamtlich arbeitet, jedoch auch mit global-politischen Themen wie dem WTO-Gipfel oder geopolitischen Betrachtungen.

"Rußland, der Nahe Osten und Afghanistan" lautet in einer jüngeren Ausgaben der Titel des Leitartikels. Der Autor zeigt in seinem Beitrag ein Puzzle von geopolitischen Interessen, Strategien und Entwicklungen in und um Rußland, "das sich zunehmend eingekreist fühlt". Die seit dem 11. September 2001 eingetretenen Entwicklungen hätten "die Welt nicht nur weniger sicher gemacht, sondern sie auch destabilisiert". Bislang sei nicht zu erkennen, daß die Politik ernsthaft nach Auswegen aus diesem Dilemma suche. Vielmehr sei sogar zu bezweifeln, daß man die Komplexität der Entwicklungen voll erkannt habe. So sei in allen bisherigen Analysen unterschätzt worden, daß die intensive Kooperation der Türkei mit Israel, die von Rußland und den islamischen Nachbarländern recht kritisch gesehen wird, in erster Linie der Präsenz und der Einflußnahme der Türkei in der Region des Nahen Ostens diene.

Mit immer größerer Aufmerksamkeit und immer stärkerem Mißtrauen verfolgt man in Rußland auch die türkischen Aktivitäten in den Turk-Republiken der GUS und der Rußländischen Föderation. Hier kooperieren die Türken jedoch mit den USA, was die politische Lage in dieser Region "außerordentlich kompliziert" macht. Aber auch im fernen Osten Rußlands eskaliert die Situation. Die Bevölkerung ist dort in den letzten Jahren um 13 Prozent gesunken, wobei die Abwanderung sich noch fortsetzt. In die entstandene Lücke stoßen Chinesen nach. Die Lage wird von der Moskauer Führung als so ernst eingeschätzt, daß Präsident Putin persönlich Maßnahmen befohlen hat, um die Abwanderung zu stoppen. Sollte dies nicht gelingen, befürchtet man, daß Rußlands Ostgrenze in einigen Jahrzehnten am Ural endet. Darüber hinaus erschwert die Entrussifizierung im asiatischen Teil der ehemaligen Sowjetunion die Wiederherstellung der alten Weltmachtposition Rußlands.

Ein Beitrag über die Neue Regionalpolitik (NRP) zeigt auf, daß dadurch "die über Jahrhunderte gewachsene schweizerische Gemeindeautonomie einer auf Globalisierung und Internationalisierung ausgerichteten Politik geopfert und damit die direkte Demokratie der Schweiz sukzessive abgebaut wird". Hinter diesem Denken in großen Wirtschaftsräumen stünden "ideologische Ziele", da mit der Beseitigung der kleinräumigen, föderalistischen Strukturen ein Haupthindernis auf dem Weg in die EU beseitigt werden soll. Dagegen plädiert man für die Weiterentwicklung "bewährter Traditionen und eigenständiger Wege, die zum Kleinstaat Schweiz passen".

Zeit-Fragen. Postfach, CH-8044 Zürich. Einzelpreis: 2,25 Euro. Jahresabonnement: 115 Euro


 
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