© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 44/03 24. Oktober 2003
 


Dem Schrecken Bilder zuordnen
Bombenkrieg: Nach seinem fundamentalen Werk zum Bombenkrieg "Der Brand" reicht Jörg Friedrich jetzt mit "Brandstätten" die visualisierte Form nach
Matthias Bäkermann

Mit seinem 2002 herausgegebenen Werk "Der Brand" vermochte der Berliner Historiker Jörg Friedrich als einer der ersten eine umfassende Studie vorzulegen, die den Bombenkrieg des Zweiten Weltkrieges und seine Bedeutung für die deutschen Städte aus der Sicht eines Angehörigen der dem Bombardement ausgesetzten Zivilbevölkerung darstellt, ohne dabei die militärische und politische Perspektive auszublenden. Der phänomenale Erfolg dieses Buches drückte sich nicht nur in der Auflage, sondern auch in der entfachten Diskussion über das "entrückt" scheinende Thema Bombenkrieg aus, welche dieses Mal auch den Vorwürfen standhielt, man wolle nur wieder die "Opfer aus dem Tätervolk mit denen des Tätervolkes" aufrechnen.

Fast sechzig Jahre, nachdem die Bomben fielen und die Masse der Zeitzeugen nicht mehr lebt, konnte Friedrich einen gewichtigen Beitrag zur Aufarbeitung eines deutschen Traumas leisten, welches - im Gegensatz zu den Opfern der Vertreibung - Ansätze der Aufarbeitung in Erinnerungskollektiven oder Interessenverbänden gewährte. Selbst die nach 1945 Geborenen tangiert dieses Ereignis allein durch ihre Lebenswelt mit der allgegenwärtigen Nachkriegsarchitektur.

Mit den "Brandstätten" geht Friedrich noch einen Schritt weiter: Viele Schilderungen über das Ausmaß kultureller und materieller Vernichtung, menschlichen Leidens und Sterbens werden durch die Visualisierung verstärkt. Dabei muß nicht unbedingt die Dimension der fürchterlichsten Bilder in Friedrichs Illustrationsband erreicht werden. Die in Zinkbadewannen eingesammelten Brandleichen beispielsweise strapazieren nicht nur die Schmerzgrenze des Betrachters, sondern veranlaßten den Propyläen-Verlag sogar zur Distanzierung von des Autors Auffassung fotografischer Überlieferung und seiner schwierigen Balance zwischen der Würde der Opfer und dem historischen Zeugnis - und damit gegenüber dem eigenen Druckerzeugnis.

Dabei erzählt "Brandstätten" im Aufbau die Geschichte des Sterbens deutscher Städte genaugenommen nur chronologisch. Die ersten Seiten präsentieren noch einmal den Schatz der jahrhunderlang gewachsenen Baukultur, die uns nur noch in wenigen Orten (Rothenburg o.d.T., Bamberg oder Goslar) erhalten geblieben ist. Dann folgen die Bomber, die ihre tödliche Last in die Städte abwerfen, deren Zerstörung mitsamt den menschlichen Opfern, denen die Flugabwehr genausowenig helfen konnte wie das geschilderte Leben in der Zuflucht der Keller und Bunker. Der Bergung der Lebendigen und der Toten folgte das trostlose Leben in den Trümmern - ausgebombt und mittellos. Der Band schließt mit Stadtansichten von heute, in denen sich die wenigen rekonstruierten Bauwerke der schwer zerstörten Städte wie Fremdkörper in der Stahlbetonlandschaft ausnehmen.


 
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