© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/03 31. Oktober 2003

PRO&CONTRA
Steuerflüchtlinge sanktionieren?
Dieter Ondracek / Michael Meister

Sanktionen in diesem Bereich gibt es nicht, sie sind zur Zeit auch nicht im Gesetzgebungsverfahren. Die Forderung des Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG) richtet sich an den Gesetzgeber, er muß reagieren und die Gesetze so umgestalten, daß das Verlagern des Wohnsitzes nicht mehr dazu führen kann, daß man der Besteuerung in Deutschland entgehen kann.

Heute gibt es die Erbschaftsteuer (zum Beispiel im Fall der Müller-Milch-Familie) oder die Einkommensteuer (zum Beispiel im Falle Michael Schumachers), die an den Wohnsitz geknüpft sind. Der Wohnsitz ist - wie diese Leute bewiesen haben - sehr einfach zu verlegen. Wenn man die Steuerpflicht jedoch an die Nationalität, also die Staatsangehörigkeit knüpfte, würde die Abhängigkeit vom Wohnsitz entfallen, und der "Steuerflüchtling" kann der Besteuerung nicht mehr entgehen. Es ist die Forderung des DStG, entsprechende Ergänzungen im Einkommensteuergesetz und Erbschaftsteuergesetz zu verankern.

Bei den Konzernen konnte diese Steuerabwanderung bereits weitgehend mit dem Außensteuergesetz eingedämmt werden. Wenn zum Beispiel Infineon wie ankündigt, seinen Sitz ins Ausland verlegte, würde dies als Verkauf im Inland bewertet, und alle stillen Reserven müßten aufgedeckt werden. Das macht niemand. Den Firmensitz zu verlagern, bringt nur dem Managern etwas in der persönlichen Besteuerung - was auch mit einer Kopplung an die Staatsangehörigkeit vermieden werden könnte.

Um also der Besteuerung zu entgehen, müßte dann die Staatsbürgerschaft freiwillig aufgegeben werden. Diese Hemmschwelle ist wesentlich höher, als den Wohnsitz zu verlagern. Die "Steuerflüchtlinge" fühlen sich als Deutsche zwar sehr wohl, wollen aber den Pflichten entkommen. Dem muß man einen Riegel vorschieben. Wer danach immer noch nicht seinen Steuerverpflichtungen nachkommen will, der müßte seinen Paß abgeben.

 

Dieter Ondracek ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG) in Berlin.

 

 

Freiheit ist ein hohes Gut. Unser Grundgesetz gewährt den Menschen den Schutz der Freiheitsrechte. Dazu zählt auch, daß diejenigen, die nicht mehr in Deutschland leben wollen, das Recht haben, unser Land zu verlassen, ohne sanktioniert zu werden. Diesen Grundsatz wird kein Demokrat ernsthaft bestreiten wollen. Den Wegzug von Leistungsträgern mit einer Strafbesteuerung oder ähnlichen Mitteln aufhalten zu wollen, ist damit unvereinbar und angesichts der Ursachen nicht zielführend.

Abgesehen von persönlichen Gründen sind es gerade bürokratische Hemmnisse, überbordende Regulierungen und eine leistungsfeindliche Höhe von Steuern und Sozialabgaben, die wirtschaftlichen Leistungsträgern das Arbeiten und Investieren in Deutschland über Gebühr erschweren. Diesen Reformbedarf hat die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren verschlafen. Auch die Agenda 2010 ist letztlich nur ein halbherziger Schritt. Sieben umfangreiche Steuergesetze in den letzten Wochen, die ohne jedes Gesamtkonzept nur ein Ziel haben, nämlich Haushaltslöcher zu stopfen, greifen in getroffene oder zukünftige Investitionsentscheidungen ein. Die Menschen können nicht mehr verläßlich planen, ihnen fehlt die Perspektive. Wer zusätzlich die Wiederbelebung der Vermögensteuer fordert und den Vorwurf erhebt, den Abwandernden fehle eine "patriotische Gesinnung", und damit ständig neue "Neiddiskussionen" auslöst, darf sich über entsprechende Reaktionen nicht wundern.

Wir dürfen uns in Deutschland nichts vormachen: Deutschland ist keine Insel und kein Gefängnis. Leistungsträger und Eliten sind international umworben und haben damit Alternativen, die anderen Menschen nicht zur Verfügung stehen. Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen in Deutschland wirtschaftsfreundlich ändern. Dazu brauchen wir wirtschaftlich sinnvolle Gesamtkonzepte, die verläßliche Perspektiven bieten, und keine Politik nach Kassenlage.

 

Dr. Michael Meister ist Bundestagsabgeordneter der CDU, finanzpolitischer Sprecher der Unionsfraktion und Mitglied im Finanzausschuß.


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