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45/03 31. Oktober 2003
Kolumne Der Reformationstag hat im Laufe der wechsel- Er hat die Ahnengalerie des Nationalsozialismus von Hitler über Bismarck und Friedrich dem Großen bis auf Luther zurückgeführt. Damit wurden entscheidende Maßstäbe deutscher Vergangenheitsbewältigung gesetzt, die bis heute andauert und die sich inzwischen zu einem "Kult mit der Schuld" entwickelt hat, um einen aktuellen Buchtitel zu zitieren. In einem sehr vordergründigen Sinn können sich die Verfechter dieser These mit ihrem zunächst verständlichen Ruf zur Buße auf einen Kernsatz der lutherischen Reformation berufen. Immerhin heißt es in der ersten von Martin Luthers 95 Thesen, mit deren Veröffentlichung am 31. Oktober 1517 die Reformation eingeleitet wurde, "daß das ganze Leben der Gläubigen eine stete Buße" sei. Doch was bedeutet Buße? Buße heißt Sinnesänderung, Abkehr von dem Irrglauben, "daß die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Wort Gottes auch noch andere Ereignisse, Gestalten und Wahrheiten anerkennen" müsse; Buße heißt Umkehr auf einem Weg ohne Gott zu "eigenmächtig gewählten Wünschen, Zwecken und Plänen". So noch die Barmer Theologische Erklärung von 1934 im Widerspruch zu den Herausforderungen des damals herrschenden Zeitgeistes. Und heute? Die evangelische Kirche hat sich in den vergangenen Jahren mit ungezählten Worten zu allen möglichen Problemen geäußert und ganzjährige Bußtagsstimmung verbreitet, die sich wie Mehltau auf die Gemüter vieler Menschen legt. Wenn die "Kirche des Wortes" nicht zu einer "Kirche der Worte" verkommen will, dann sollte sie sich der Kernaussagen der Reformation wieder bewußt werden: Sie hat nicht nur fortwährend "Schuld" zu bekennen, sondern auch die "Frohe Botschaft" von der Vergebung der Schuld zu verkündigen. Es geht um Reformation, nicht um Deformation des christlichen Glaubens.
Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste in Berlin. |