© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/03 31. Oktober 2003

Meldungen

Keine "automatische" NS-Mitgliedschaft möglich

GÖTTINGEN. Die Diskussion um die "Vergangenheit" Martin Broszats, des einstigen, eher linksliberal eingestellten Direktors des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), der als 18jähriger 1944 noch in die NSDAP eintrat, zieht weitere Kreise (JF 40/03). Ein Entlastungsversuch seines Schülers Norbert Frei, demzufolge Broszat ohne sein Wissen in die Partei aufgenommen worden sein könnte, ist inzwischen hämisch abgeschmettert worden. Tatsächlich können sich die moralisch hochgerüsteten Broszat-Kritiker bei der Abwehr solcher Entlastungsversuche jetzt auf ein IfZ-Gutachten berufen, das zu den Formalien einer Aufnahme in die NSDAP Stellung bezieht (abgedruckt in Geschichte der Germanistik. Mitteilungen Heft 23/24-03). Nach dem Urteil des Gutachters war es auch im letzten Jahr des Dritten Reiches ausgeschlossen, daß jemand "automatisch" oder gar im Zuge einer "korporativen" Anmeldung durch übereifrige HJ-Führer zum Mitglied wurde. Diesbezügliche Angaben seien nur "beständig wiederkehrende Legenden", die ihren Ausgangspunkt in Entlastungsbemühungen der Nachkriegszeit hätten.

 

Historiker: Abfluß des Humankapitals nach 1933

MÜNCHEN. Wären die USA allein auf den Nachwuchs angewiesen, den ihr marodes Bildungssystem produziert, befände sich nicht nur ihre Stromversorgung auf Dritte-Welt-Niveau. Doch steter Zufluß von akademischem Humankapital aus Europa und Asien hat viele eigene Mängel kompensiert. Den größten Intelligenzschub verschafften ihnen deutsche Wissenschaftler, die nach 1933 ins Land kamen. In der Emigrationsforschung gegenüber den für das "Nehmerland" ungemein profitablen Naturwissenschaftlern und Ökonomen sonst etwas vernachlässigt wirken die Historiker, denen sich Jürgen Petersohn widmet (Historische Zeitschrift, Band 277/03). Zwar sind weder der Umfang noch die personelle Zusammensetzung, die Petersohn präsentiert, in der Emigrationsforschung unbekannt. Doch in seiner Konzentration auf die Mediävisten und die in den 1920er Jahren recht innovativen Humanismusforscher kann er darlegen, wie auf diesen engen Feldern die deutsche Forschung nach 1945 regelrecht "abgehängt" wurde, die Emigration sich also für die deutsche Kultur als "geistiger Aderlaß mit Langzeitwirkung" erwies.

 

Streitbare Demokratie nachhaltig beschädigt

WIESBADEN. Die "streitbare Demokratie" sei beschädigt worden: Zu diesem Fazit gelangt in einer Nachbereitung des NPD-Verbotsverfahrens der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse, der auch bedauert, daß die Hauptverantwortlichen für das prozessuale Desaster, Otto Schily (SPD) und Günther Beckstein (CSU), "weitgehend ungeschoren" davongekommen seien (Politische Vierteljahresschrift, 3/03). Von einem zweiten Anlauf in dieser Sache hält Jesse nichts. Es gebe keine Anzeichen für "hiesige Erfolge des parteiförmig organisierten Rechtsextremismus", was jene, die aus Gründen finanzieller Förderung am "rechten Popanz" interessiert seien, aber gern verdecken. Zu Jesses Schlußfolgerungen zählt auch die These, daß die Observation und Unterwanderung einer linksextremistischen Partei wohl so nicht möglich gewesen wäre. Insofern habe die Prozeßschlappe auch die fehlende demokratische "Äquidistanz" gegenüber Rechts- und Linksextremismus offenbart.

 

Erste Sätze

Es war ein Frühlingsnachmittag voll Melancholie und Windesraunen, so recht geeignet für trübe Gedanken.

Katarina Botsky: Der Trinker, München 1911


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