© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/03 14. November 2003

Die Union und Hohmann
Auf Knopfdruck pariert
Dieter Stein

Martin Hohmann ist ein klassischer Sündenbock. Die Union wählte das "Todesurteil" (FAZ), statt die offene und zivilisierte Auseinandersetzung zu suchen. Durch den Ausschluß Hohmanns aus Fraktion und Partei wollen sich CDU und CSU billig von allem befreien, was ihnen im Rahmen einer monströsen Kampagne angelastet worden ist. Einer Kampagne im übrigen, für die Hohmann offensichtlich lediglich den Anlaß gab, die jedoch die Unionsparteien in einem geeigneten Moment der innenpolitischen Auseinandersetzung empfindlich treffen sollte.

Angela Merkel und Edmund Stoiber als die Verantwortlichen dieses politischen Desasters haben dabei einen Offenbarungseid geleistet. Die beiden Schwesterparteien, die den Anspruch erheben, das bürgerliche Lager zu repräsentieren, lassen sich von einer durch den politischen Gegner kaltblütig betriebenen Medienkampagne wie Amateure vorführen. Tagelang lavieren führende Unionspolitiker stotternd und stammelnd herum, nicht in der Lage, zur Offensive überzugehen. Es entspringt einem grundsätzlichen Mangel an Solidarität, Offenheit und Streitkultur, daß die Union unfähig war, die Rede Hohmanns, die man mit Recht kritisieren, mit der man sich fraglos streitig auseinandersetzen kann und muß, zu diskutieren und in der Debatte zu einem zivilisierten Ergebnis zu kommen. Hierzu war man jedoch sowohl intellektuell restlos überfordert als auch politisch zu feige - was typisch für dieses bürgerliche Lager ist. Statt dessen ließen die Verantwortlichen nun einen verdienten Mandatsträger in einem beispiellosen Akt von Asozialität über die Klinge springen, wie er der Linken fremd wäre, nur um sich kurzfristig Luft zu verschaffen.

Da dieses Debakel nicht der erste Fall ist, bei dem sich die Union im Rahmen von Kampagnen des politischen Gegners und williger Helfer in den Medien als widerstandsunfähig erwiesen hat, offenbart sich hier ein strukturelles und strategisches Defizit. Kurz: Sie lernt nichts aus diesen Kampagnen, sondern stolpert wie ein Neurotiker immer wieder in dieselbe Falle - unter dem beigeisterten Beifall des politischen Gegners.

Es ist der immergleiche Faschismus-Knüppel, den politische Konkurrenten von CDU/CSU aus dem Sack holen, um die Union wie auf Knopfdruck in die Knie zu zwingen: Sei es bei der "Leitkultur"-Debatte, sei es bei der "Doppelpaß"-Kampagne, sei es beim "Aufstand der Anständigen" - stets ist es vor allem der CDU nicht gelungen, eine anhaltende Auseinandersetzung in einer kontroversen Grundsatzfrage gegen die Medien, gegen den politischen Gegner durchzustehen, wenn der Vorwurf "rechtsradikaler Tendenzen" im Raum stand.

Die Union ist überhaupt für geschichtspolitische und geistige Auseinandersetzungen nicht gewappnet. Sie überläßt dieses Feld dem Gegner, einer "kritischen Öffentlichkeit" in den Medien. Sie verfügt über keine historische Kommission, sie setzt sich nicht mit Begriffsdefinitionen auseinander, sie unterwirft sich im Zweifel, bevor es zum Konflikt kommt - kurz, sie ist ein Abgrund des Opportunismus.


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