© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/03 14. November 2003

"Dann wäre der Wirbel grundlos"
Dokumentation: Warum die Tagesschau im Fall Hohmann Entlastendes unterschlägt
Moritz Schwarz

Warum hat die Tagesschau, nach eigenem Bekunden das Bollwerk der Seriosität unter den deutschen Nachrichtensendungen, die Passage in Martin Hohmanns Rede, "die Juden sind kein Tätervolk", nicht ein einziges Mal in ihrer Berichterstattung um 20 Uhr erwähnt? Ein Anruf in der Hamburger Redaktion sollte Klarheit bringen. Ein junger Mann, Mitglied der Redaktion, nahm den Hörer ab - die JUNGE FREIHEIT dokumentiert den Gesprächsmitschnitt:

Guten Tag, wir verfolgen seit Beginn des Streites um Hohmann die Berichterstattung der Tagesschau. In Ihrer Sendung berichten Sie, Hohmann habe gesagt, man könne die "Juden mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen", Sie haben aber kein einziges Mal dargestellt, daß er - nur wenige Zeilen später - sagt: "weder Deutsche noch Juden sind ein Tätervolk". Warum?

Tagesschau: Hohmann hat Deutsche und Juden gleichgesetzt.

Ja, aber er hat die Juden ausdrücklich nicht als "Tätervolk" bezeichnet.

Tagesschau: Die Deutschen sind ein Tätervolk, ergo sind die Juden bei einer Gleichsetzung auch ein Tätervolk.

Dann können Sie Hohmann ja vorwerfen, daß er die Deutschen nicht als Tätervolk gelten lassen will. Sie haben sich aber in Ihrer Sendung dafür entschieden, Hohmann vorzuwerfen, daß er die Auffassung vertrete, die Juden als Tätervolk betrachten zu können - das aber lehnt er laut Redetext schlußendlich unbedingt ab.

Tagesschau: Ich weiß, ich habe die Rede gelesen, es kommt aber auf Hohmanns Logik an, und die besagt, daß die Juden ein Tätervolk sind.

Nur wenn man sich bestimmte Maßstäbe zu eigen mache, die Hohmann sich ausdrücklich nicht zu eigen machen will.

Tagesschau: Die Deutschen sind nun mal ein Tätervolk, also müssen nach Hohmanns Logik die Juden auch eines sein.

Das ist Hohmanns Logik, aber nicht seine Schlußfolgerung. Hohmanns Logik läßt doch zwei Schlußfolgerungen zu: Beide Völker sind Tätervölker, oder keines von beiden ist ein Tätervolk. Glauben Sie nicht, daß Sie also in Ihrer Berichterstattung Hohmanns Logik mit Ihrer Art, sie zu interpretieren, gekoppelt haben, ohne dies dem Zuschauer deutlich zu machen?

Tagesschau: Nein, die Schlußfolgerung ergibt sich zwingend aus Hohmanns Rede.

Sie scheinen über Hohmanns Meinung besser Bescheid zu wissen als er selbst. Die Tageschau ist eine Nachrichtensendung, die Fakten präsentieren soll, und kein Polit-Magazin, das Meinungsbildung betreibt. Sind Sie gegenüber Ihren Zuschauern nicht verpflichtet, alle Fakten - das heißt, alle relevanten Zitate der Rede - zu präsentieren, damit der Zuschauer sich selbst ein Bild machen kann?

Tagesschau: Wir haben alle relevanten Fakten präsentiert, da Hohmanns Absicht eindeutig aus der Rede hervorgeht.

Bitte leiten Sie unseren Protest gegen diese Vermischung von Berichterstattung und Wertung an Ihre Chefredaktion weiter.

***

Am vergangenen Sonntag wurde dann in den ARD-Sendungen "Presseclub" und "Sabine Christiansen" festgestellt, daß Hohmanns Rede schon deshalb unsinnig und verdächtig sei, weil doch, anders als der hessische CDU-Politiker intendiere, niemand ernsthaft behaupte, die Deutschen seien ein "Tätervolk". Über diesen radikalen Kurswechsel bei der ARD erstaunt, rief die JF erneut bei der Tagesschau an. Diesmal meldet sich eine junge Dame. Das Gespräch nahm bald eine überraschende Wendung:

Guten Tag, wir haben bereits vor Tagen mit einem Ihrer Kollegen gesprochen.

Tagesschau: Welche Mitarbeiter in der Redaktion sind, hängt davon ab, wer gerade Dienst hat.

Dann können Sie uns vielleicht Auskunft geben: Im Fall Hohmann hat die Tagesschau immer wieder berichtet, der CDU-Politiker habe gesagt, man könne die Juden als "Tätervolk" bezeichnen. Unterschlagen haben Sie aber, daß er diese Ansicht für seine eigene Person ausdrücklich von sich weist.

Tagesschau: Die ganze Rede läuft auf die Tätervolk-These hinaus, erst am Schluß kommt der Satz, auf den Sie anspielen. Im großen und ganzen hat er es also schon gesagt.

Die Deutung der Rede müssen Sie als seriöse Nachrichtensendung schon dem Zuschauer überlassen.

Tagesschau: Hohmann hat sich doch für seine Rede entschuldigt, das ergibt dann doch keinen Sinn.

Eben.

Tagesschau: Gut, aber wenn er das tatsächlich so gesagt hat, dann, ... das ist ... warum verliert man dann überhaupt ein Wort darüber? Der ganze Wirbel, den auch die Politiker machen, wäre dann völlig grundlos.

Eben.

Tagesschau: Das ergibt aber keinen Sinn, er wird es also schon so gesagt haben.

Haben Sie die Rede gelesen?

Tagesschau: Nein, aber natürlich Ausschnitte. Ich kann leider nicht sagen, warum wir das in der Redaktion so angepackt haben. Ich schreibe mir Ihren Einwand einmal auf und gebe ihn weiter.


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