© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/03 14. November 2003

Frisch gepresst

Praktische Pädagogik. Der 1996 in Konstanz emeritierte Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka ist seit langem der Ansicht, daß das Elend der Pädagogik in ihrer zu starken philosophisch-spekulativen Orientierung liege. Hier sei das Einfalltor für vielerlei ideologisch bedingte Experimente auszumachen, die letztlich auch zu der von der Pisa-Studie aufgedeckten deutschen Bildungsmisere geführt habe. Brezinka plädiert hingegen für eine "erfahrungswissenschaftliche" praktische Pädagogik, deren Elemente er in didaktisch gelungener Form vorstellt. Ob allerdings auch dieser Anwalt einer pädagogischen "Tatsachenwissenschaft" ohne die geschmähten philosophischen Grundlagen auskommt, mag man schon deshalb bezweifeln, weil verdächtig oft die moderne Orientierungsunsicherheit beklagt wird, der mit neuen "normgebenden" Werten und Kulturgütern abgeholfen werden soll (Erziehung und Pädagogik im Kulturwandel. Ernst Reinhardt Verlag, München 2003, 208 Seiten, 33 Euro).

Kaisers Zeiten im Blick. Bilder, in der noch nicht Automobile die Straßen prägten und man sich mit der vielköpfigen Familie am Sonntag zum Kaffee unter einem Baum einfand, um dem örtlichen pickelhaubenbewehrten Regiment beim Platzkonzert zuzuhören, verklären leicht die "gute alte Zeit". Soziale Gruppen waren sortiert, Honoratioren geachtet und Idylle in Stadt und Land authentisch. Doch der vom Strittmatter-Biographen Günther Drommer und Medienunternehmer Peter Schwarzkopff herausgegebene erste von fünf Bildbänden reiht in dieses Panorama natürlich auch Aufnahmen ein, die das - am augenfälligsten in der Wohnsituation - soziale Ungleichgewicht zeigen. Aber auch diese visuellen Korrekturen lassen den Sprengsatz, der spätestens 1918 explodierte, in dieser scheinbaren Ordnung nicht ermessen (Im Kaiserreich. Alltag unter den Hohenzollern 1871 - 1918. Faber & Faber, Leipzig 2003, 270 Seiten, 378 Fotos, 39,90 Euro).

Schlesien. Der niederschlesische Autor Horst Hiller schreibt seiner Romanfigur, dem Schüler Werner, der praktischerweise im Heimatkundeunterricht einen Rundumschlag schlesischer Geschichte erfährt, die Erinnerungen an seine Heimat im Schatten friderizianischer Schlachtfelder bei Leuthen zwischen 1939 und 1945 auf den Leib ("Nun danket alle Gott". Erinnerung an eine Jugend in Schlesien. Universitas Verlag, München 2003, 243 Seiten, 16,90 Euro).


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