© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/03 14. November 2003

Meldungen

Der Weltpolizist USA: kein Freund und Helfer

MÜNCHEN. Während Arnulf Baring bei seinem FAZ-Gang durch die politischen Zeitschriften der zukünftigen "Pax Americana" behaglich-erwartungsvoll entgegensieht, ist der Würzburger Völkerrechtler Dieter Blumenwitz schon weniger optimistisch. Menschliche Erfahrung spreche dagegen, daß die USA in einem unipolaren System die ihr dann zufallende Rolle als Weltpolizist nicht mißbrauchen könnten (Politische Studien, Nr. 391/03). Dieses Urteil resultiert aus Blumenwitz' kritischer Sichtung der Völkerrechtsgeschichte unter dem Aspekt des "Präventivkriegs". Deren vorerst letzte Kapitel, der Krieg gegen den Irak, lehre jedenfalls, daß Washington nicht gewohnt sei, sich internationalen Normen zu beugen. Die Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak sei zweifellos ein verbotener Angriffskrieg gewesen und müsse als völkerrechtliches Verbrechen eingestuft werden.

 

Historische Wurzeln des positiven "Ketzer"-Bildes

BASEL. Dank Stefan Zweigs populärhistorischer Biographie über Sebastian Castellio ist nicht nur ein kleiner Kreis von Kirchenhistorikern mit den Religionskämpfen des 16. Jahrhundert vertraut. Castellio hat die nach einem spektakulären Ketzerprozeß 1553 durchgeführte Verbrennung Michaels Servet Calvin angelastet, der über Servets Leiche seine Macht in Genf festigte. Frieder Ludwig erkennt in Calvins Vorgehen gegen "Häretiker" jenen Flügel des Protestantismus, der sich der katholischen Kirche am stärksten angenähert habe. (Theologische Zeitschrift, 2/03). Zugleich kann Ludwig zeigen, wie die Kritik an Calvin und die Parteinahme für den "Ketzer" Servet in der lutherischen Kirchengeschichtsschreibung des 17. und 18. Jahrhunderts eine anti-dogmatische und anti-konfessionalistische Perspektive ausbildet, die zum "Kampfmittel gegen Herrschaft und Autorität" geworden sei. Die "Wahrheit" wurde meistens nicht bei den amtlichen "Trägern des Kreuzes", sondern bei den "verfolgten Kindern Gottes" gesucht. Die heutige Hochschätzung des Häretikers, die sich im Internet an der doppelt so hohen Zahl von Einträgen zu "heresy" im Vergleich mit "protestantism" ablesen lasse, habe hier ihre Wurzeln.

 

Familienförderung mit juristischer Brechstange

TÜBINGEN. Aktuelle Überlegungen, in der bundesdeutschen "Single"-Gesellschaft ein Wahlrecht für Eltern einzuführen, bezeichnet der Innsbrucker Rechtswissenschaftler Werner Schroeder als "Familienförderung mit der verfassungsrechtlichen Brechstange". (Juristenzeitung, 19/03). Der Vorschlag einer "interfraktionellen Initiative", der Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog, der FDP-Politiker Solms, der Ex-Verfassungsrichter Bodo Kirchhof und Familienministerin Renate Schmidt angehören, Eltern ein Wahlrecht für ihre unmündigen Kinder zuzugestehen, ist nach Schroeders Ansicht weder mit dem Grundgesetz vereinbar noch könne das deutsche Verfassungsrecht ignorieren, daß alle anderen EU-Mitgliedstaaten eine gegenteilige "Systementscheidung" getroffen hätten. Konsequenter sei es, das "Elternwahlrecht" als "Mehrstimmenrecht" einzuführen. Dann entscheiden nicht Eltern für ihre Kinder, sondern üben ein eigenes, mehrere Stimmen umfassendes Wahlrecht aus, das sie mit einer "Zukunftsprämie" als Staatsbürger "erster Klasse" privilegiert.

 

Erste Sätze

Das Ende ist da, der Schleier des vierjährigen Geheimnisses ist gelüftet.

Ernst Troeltsch: Spektator-Briefe. Aufsätze über die deutsche Revolution und die Weltpolitik 1918/22, Tübingen 1924


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen