© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/03 21. November 2003

Vertreibungsopfer
Ein Tag von Potsdam
Steffen Königer

Potsdam am vergangenen Samstag: Bei der Einweihung eines Denkmals für Vertriebene sorgen 20 Antifas mitten unter 650 Anwesenden für einen Eklat. Sie haben nichts von dem Vorfall gehört? Konnten Sie auch nicht, die Presse berichtete wenn überhaupt nur kurz von "Protesten gegen Gedenken" oder von "wortreichen Meinungsverschiedenheiten". Im Zentrum vor der Nikolaikirche wurde ein Gedenkstein für die Vertriebenen eingeweiht, der vom Bund der Vertriebenen (BdV) gestiftet wurde. Als Inschrift trägt er ein Zitat von Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer: "In schlimmster Weise vergeht man sich gegen das Recht, wenn man Völkerschaften das Recht auf das Land, das sie bewohnen, in der Art nimmt, daß man sie zwingt, sich anderswo anzusiedeln."

Doch was geschah nun bei der Einweihung? In der vollen Nikolaikirche hielten zwei Mitglieder der "Kampagne gegen Zwangsdienste, Wehrpflicht und Militär" den entsetzten Gottesdienst-Teilnehmern ein Plakat mit der Aufschrift "Ursache und Wirkung nicht verwechseln" entgegen. Keine dreißig Minuten später hieß es auf einem Plakat auf dem Vorplatz: "Deutsche Täter sind keine Opfer". Man stelle sich jetzt etwa 400 Rentner von 65 Jahren aufwärts vor, die sich einer Horde von Jugendlichen gegenübersahen und auf das unflätigste beschimpft und beleidigt wurden. "Wir vertreiben euch alle", "Erika, du Nazisau, keiner braucht den BdV", wurde - unterstützt vom einem Megaphon - mitten in die Gedenkveranstaltung gebrüllt. "Verpiß dich, du Nazi!" schrie ein mit Mütze und Sonnenbrille gut Getarnter eine 70jährige auf Nahdistanz an, die sich im Anschluß weinend auf ihre Krücken stützte: "Unfaßbar, ich verlor meine ganze Familie im Krieg und muß mich hier so beschimpfen lassen ..."

Ist es nur eine "wortreiche Meinungsverschiedenheit", mit platten Parolen durch ein Megaphon einen Renter niederzubrüllen, bis dieser kurz vor dem Nervenzusammenbruch ist? Ohnmächtige Wut übermannte den eigentlich zur Neutralität angehaltenen Berichterstatter. Daß hier eine Grenze überschritten wurde, ist klar - daß dieses Verhalten keinerlei Konsequenzen hat, macht die Unfähigkeit der Politik deutlich, Extremismus in all seinen Erscheinungsformen zu bekämpfen


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