© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/03 21. November 2003

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CDU/CSU I: Gegen den Umgang mit Martin Hohmann werden an der Basis bundesweit Proteste laut / Landtagsabgeordnete aus Hessen greifen Merkel an
Christian Vollradt

So nicht! Auf diese zwei Worte läßt sich die Empörung über den Ausschluß des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zusammenfassen, die sich vielerorts an der Unionsbasis während der letzten Woche breitmachte. Für zahlreiche Mitglieder ist der Umschwung, den die Parteispitze vollzog, unverständlich: Man hätte es doch bei der Rüge, die Hohmann akzeptiert hatte, belassen können, zumal der Abgeordnete sich für die mißverstandenen Passagen seiner Rede entschuldigt hatte.

Insbesondere in der hessischen CDU - Hohmanns Landesverband - ist das Erschrecken über die Verfahrensweise groß. Auf dem Bezirkstag der osthessischen Union gab der Vorsitzende Arnold die Stimmung seiner Mitglieder wieder, als er meinte, man hätte Hohmann die zuvor versprochene zweite Chance geben sollen. Unmut regte sich, als dort der Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Franz Josef Jung, das Vorgehen der Parteiführung zu rechtfertigen versuchte. Der CDU-Stadtverband Herbstein im Vogelsberg verabschiedete sogar einstimmig eine Resolution gegen den Rauswurf Hohmanns.

In Hohmanns Stammland wagten sich mittlerweile sogar die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer und Clemens Reif aus der Deckung. In einer Erklärung werfen sie Parteichefin Merkel vor, sie sei "unter dem Mediendruck" eingeknickt.

Doch auch aus CDU-Verbänden in den Ländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen werden Unmutsäußerungen und angekündigte Parteiaustritte vermeldet. Warum es an der Basis rumort, doch offener Protest ausbleibt, wie die FAZ am Montag feststellte, läßt sich indes leicht erklären. "Der Druck, der von oben ausgeübt wird, ist unglaublich. Was momentan in der Partei abgeht, ist ekelhaft!" faßte ein niedersächsischer Unionspolitiker im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT die Stimmung in der Partei zusammen. Namentlich genannt werden wollte er nicht. Andere pflichten dem bei. Es bereite ihm schlaflose Nächte, so ein anderer Funktionär, man wisse nicht, wie man sich richtig verhalten solle. Denn wenn man sich mit dem vielfach geteilten Protest aus der Deckung wage, könne man mit sofortiger Maßregelung und nachhaltigen Sanktionen rechnen.

So geschehen ist es dem niedersächsischen Landtagsabgeordneten Torsten Thümler (CDU), der einen am vergangenen Freitag in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung erschienenen Appell zu "kritischer Solidarität" mit Hohmann unterzeichnet hatte. Sofort ereilten ihn die Rügen aus der Führung von Partei und Fraktion. Deren Vorsitzender David McAllister kündigte umgehend ein "klärendes Gespräch" über Thümlers politische Zukunft an, nachdem die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Rebecca Harms, die Union aufgefordert hatte, sich von dem 32jährigen Abgeordneten zu distanzieren. Scharf ins Gericht mit Thümler ging auch der Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU): Die Unterzeichnung sei "peinlich und unangenehm", und Kultusminister Bernd Busemann (CDU) pflichtete bei: "Solche Leute wissen gar nicht, wie hoch der Schaden ist, den sie anrichten."

Nachvollziehbar, wenn dann die CDU-Fraktion eines Stadtrates oder ein Bezirksverband der Jungen Union ihre einstimmigen Beschlüsse, den Ausschluß Hohmanns zu mißbilligen, lieber nicht an die Öffentlichkeit bringen möchten. Als in der CDU-Kreismitgliederversammlung einer niedersächsischen Kommune der Vorstand das Thema Hohmann verabredungsgemäß unter Verschluß hielt und sogar den sonst üblichen Bericht des örtlichen Bundestagsabgeordneten von der Tagesordnung strich, hätten die Anwesenden, so ein Teilnehmer, dies nur "mit der geballten Faust in der Tasche" akzeptiert. Kopfschüttelnd nahmen auch Mitglieder der Jungen Union Niedersachsen zur Kenntnis, daß sich ihr Vorsitzender Kristian Tangermann öffentlich übereinstimmend mit der offiziellen Parteilinie und damit positiv zum Rauswurf Hohmanns aus der Fraktion geäußert hatte. "Der wird sich auf der nächsten Sitzung einiges anhören müssen", unkten mehrere Vertreter des Nachwuchsverbandes.

Die Wucht der Parteidisziplin bekam auch der CDU-Stadtrat Hans Knoblauch aus Recklinghausen zu spüren, nachdem der Wahlkreismitarbeiter des CDU-Bundestagsabgeordneten Erwin Marschewski die Rede Hohmanns im Schaufenster der örtlichen CDU dokumentierte. Nun soll Knoblauch, der mittlerweile von Marschewski entlassen wurde, auch aus der Union ausgeschlossen werden. Angela Merkel erklärte das Unverständnis der Basis für den plötzlichen Stimmungswandel der Parteiführung damit, die Mitglieder seien offensichtlich nicht in Gänze informiert, es werde in Kürze daher von ihr ein erneutes Schreiben an alle Ortsverbandsvorsitzenden gesandt, welches das Geschichtsbild der Union erläutert. Das offenbart nach Meinung kritischer Unionsmitglieder das Politikverständnis der Parteichefin, die aus der früheren Block-CDU entstammt.

Merkel, so heißt es, müsse offensichtlich erst noch lernen, daß in einer demokratischen Partei die Willensbildung von unten nach oben verläuft und nicht umgekehrt. Einerseits die Tatsache, in ihren Entscheidungen im Fall Hohmann offensichtlich vom Druck außenstehender Intersessen getrieben worden zu sein, andererseits ihr arrogantes Verhalten gegenüber der eigenen Basis werde sich spätestens beim nächsten Bundesparteitag und den anstehenden Vorstandswahlen rächen, heißt es aus den Reihen unzufriedener CDU-Mitglieder.


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