© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/03 21. November 2003

Grunderwerbssteuer ökologisch umgestalten
Naturschutz: Eine Studie des Umweltbundesamtes kritisiert den zunehmenden Flächenverbrauch für Verkehr und Siedlung
Matthias Seegrün

Alljährlich tritt das Statistische Bundesamt mit den Daten der Um-weltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR) an die Öffentlichkeit und liefert eine verläßliche Grundlage für die Definition konkreter Ziele auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Der am 6. November veröffentlichten Studie zufolge nimmt die für Verkehr und Siedlung in Deutschland verwendete Fläche gegenwärtig mit jedem Tag um 105 Hektar zu.

Damit verlangsamte sich der Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche im zweiten Jahr in Folge. Dies bedeute jedoch keine grundsätzliche Trendwende. Die geringere Zunahme der Flächeninanspruchnahme erklärt sich nämlich vor allem aus der lahmenden Baukonjunktur. Darauf wies der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse hin.

Um das von der Bundesregierung formulierte ehrgeizige Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen, im Jahr 2020 täglich nur noch 30 Hektar an zusätzlichen Flächen für Siedlung und Verkehr zu verbrauchen, müsse das Flächensparen ernster genommen werden. Wenn dies nicht gelinge, würden immer mehr natürliche Lebensräume und Erholungsgebiete unwiederbringlich verloren gehen.

Weitere im Rahmen der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen dargestellte umweltbezogene Indikatoren: Rohstoff- und Energieproduktivität, Treibhausgasemissionen insgesamt, Kohlendioxid sowie die Emissionen von Luftschadstoffen zeigen generell eine Entwicklung in Richtung auf die Nachhaltigkeitsziele. Beim Indikator Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke ist die Lücke zwischen tatsächlichem Entwicklungsstand und angestrebtem Ziel hingegen erheblich größer. Im Jahre 2001 betrug der Flächenverbrauch noch 117 Hektar pro Tag. Zwischen 1993 und 2000 war gar eine Zunahme von 120 auf 131 Hektar pro Tag zu verzeichnen, wobei knapp die Hälfte (60 Hektar pro Tag) auf die privaten Haushalte entfiel.

Der steigende Bedarf an Flächen für Wohnzwecke ergab sich aus der Bevölkerungszunahme (Zuwanderung) sowie den Trends zu kleineren Haushalten und zunehmender Wohnfläche pro Haushalt. Ein wenig gebremst wurde diese Tendenz durch flächensparenderes Bauen. Für die Produktion von Waren und Dienstleistungen wurden im gleichen Zeitraum zusätzliche 52 Hektar pro Tag an Fläche benötigt. Für eine gewisse Entlastung sorgte die Änderung der Wirtschaftsstruktur hin zu weniger flächenintensiven Branchen.

Bodenversiegelung gefährdet Gewässer und Artenvielfalt

Angesichts der Knappheit der Ressource Boden liegt auf der Hand, daß mit ihr besonders schonend umgegangen werden muß. Der stetige Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsflächen birgt die Gefahr in sich, den Wasserhaushalt, die Artenvielfalt, die Bodenfunktionen und das Mikroklima negativ zu beeinflussen. Dabei muß man sich allerdings bewußt sein, daß die Begriffe "Siedlungs- und Verkehrsfläche" und "versiegelte Fläche" nicht deckungsgleich sind. Zu ersteren zählen auch unbebaute, nicht versiegelte Flächen. Im Jahre 2003 setzten sich die Siedlungs- und Verkehrsflächen folgendermaßen zusammen: Gebäude- und Freiflächen einschließlich Hausgärten (52,5 Prozent), Verkehrsflächen (38,6 Prozent), Erholungsflächen (6,3 Prozent), Betriebsflächen ohne Abbauland (1,8 Prozent) sowie Friedhöfe (0,8 Prozent). Dabei wird von einem Versiegelungsgrad ausgegangen, der unterhalb 50 Prozent liegt.

Die Studie verdeutlicht die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Wohnungspolitik. Die massive staatliche Förderung des Wohnungsneubaus trotz zunehmender Wohnungsleerstände in vielen Regionen sei ökonomisch unsinnig. Sie begünstige die Inanspruchnahme weiterer Flächen und führe zu Belastungen der öffentlichen Haushalte in zweistelliger Milliardenhöhe.

Gefordert wird daher die Abschaffung der Eigenheimzulage. Statt dessen sollten öffentliche Fördermittel schwerpunktmäßig dazu eingesetzt werden, um den Wohnungsbestand aufzuwerten und das Wohnumfeld in bestehenden Siedlungsgebieten attraktiver zu gestalten. Als weiterer Problembereich wird das Wachstum brachgefallener, ehemals gewerblich oder industriell genutzter Flächen in den Städten bei gleichzeitiger Neuausweisung von Gewerbeflächen am Stadtrand und im Umland ausgemacht. Nach den Vorstellungen der Verfasser der UGR sollte in Zukunft die Wirtschafts- und Regionalförderung des Bundes, der Länder und der EU stärkeres Gewicht auf die Förderung der Innenentwicklung und die Revitalisierung von Brachflächen legen.

Darüber hinaus sehen sie die Erfordernis einer Kurskorrektur in der Steuerpolitik, die ein wichtiges Instrument sein könnte, eine Wende in der Flächennutzung einzuleiten. Bislang geben weder die Grundsteuer noch die Grunderwerbssteuer ökonomische Anreize, mit Flächen sparsam und schonend umzugehen. Hier setzen Überlegungen an, die Grunderwerbssteuer künftig direkt an die Inanspruchnahme neuer Flächen sowie an deren Versiegelung zu knüpfen. Käufer von Wohnungen aus dem Bestand hätten in Zukunft keine Grunderwerbssteuer mehr zu zahlen, während Neubauten auf neu zur Bebauung ausgewiesenen Flächen erheblich stärker als heute belastet würden. Wissenschaftlichen Studien zufolge ließe sich allein durch diese Maßnahme die Flächeninanspruchnahme um rund 15 Prozent reduzieren.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen