© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/03 28. November 2003

CD: Humor
Demoralisierung
Peter Boßdorf

Funny van Dannen haushaltet sparsam mit den lichten Momenten, in denen er das verzweifelte Fazit einer staunenden und ohnmächtigen Weltbetrachtung zu ziehen scheint. Er fragt dann zum Beispiel nach dem Verbleib des "Fanclubs der Sehnsucht" oder gesteht ein, etwas zu werden gewollt zu haben, leider aber nichts geworden zu sein. Oder er bekennt, wie auf seiner neuesten (der ersten im Studio produzierten) CD "Herzscheiße" (Trikont/ Indigo), hier auf seinem "Lieblingsplaneten" nie so zu Hause zu sein wie die "Freunde der Realität". Man stolpert über diese Stellen, der heitere Genuß schroffer Naivität und skurriler Sentimentalität ruht urplötzlich, und das Lachen gefriert, weil der Hörer sich selbst als jenen, über den er lacht, erkennt. Er hat sich auf Funny van Dannen eingelassen. Nun muß er ihn auch aushalten, wo der Ernst im Spaß sich offenbart.

Funny van Dannen nimmt die entwürdigenden Verhältnisse aus der Froschperspektive in den Blick und bewegt sich damit auf gleicher Augenhöhe wie seine idealtypischen Hörer, Tagelöhner der Dienstleistungsgesellschaft, die daran Freude haben, sich in einer Stunde der Heiterkeit über diese erhaben zu fühlen. Es sind ihre philosophischen Alltagsgedanken, die grausam zu Ende gedacht werden, Gedanken, die einem in der Straßenbahn oder im Auto kommen, vielleicht auch abends, beim Zähneputzen oder beim Blick vom Balkon in die erleuchteten Wohnungen der Nachbarschaft, dann also, wenn das eigene Leben in den Zusammenhang großer Begriffe gestellt und das säkulare Dankgebet gesprochen wird, sich in dieser Gesellschaft durch eine individuelle Wahl aus Konsummöglichkeiten und akzeptablen Glaubenssätzen selbst verwirklichen zu dürfen.

Funny van Dannen protokolliert, wie sich der für seinen kleinkarierten Alltag überqualifizierte Etwas-mehr-als Habenichts mit diesem versöhnt und dabei auch mit dem Schauder des menschlichen Schicksals umzugehen weiß: "Zum Glück gibt es die räumliche Distanz" - Natur und Gesellschaft haben es gut eingerichtet, das kleine, zeitlich befristete Glück vor dem Leiden immer wieder anderer zu immunisieren. Lebenshilfe ist dies aber nicht, vielmehr deren Karikatur. Funny van Dannen knüpft nicht allein musikalisch an die Aura des Konfirmationsunterrichts an, er legt auch den Zynismus einer lebensbejahenden Blauäugigkeit frei, die, wie es so schön in einem evangelischen Song heißt, Danke dafür sagt, daß man noch "Danke" sagen kann.

Einen weniger urbanen, zeitgenössisch aber ebenso demoralisierenden Humor hat Oskar Maria Graf, sich selbst als bayerischer "Provinzschriftsteller" titulierend, kultiviert. Jenseits seiner literarischen Hinterlassenschaft bewahren ihn insbesondere Fotografien als Original: Sie zeigen ihn 1934 in der Tracht seiner Heimat auf einer sowjetischen Kolchose oder 1958 ebenfalls in einer Lederhose auf einer umstrittenen Lesung im Münchner Cuvilliés-Theater. Mit einer Maß in der Hand lacht er neben dem schmächtig bedrückten Bertolt Brecht im New Yorker Exil in die Kamera.

Andreas Ammer und Sebastian Hess haben sein Leben und seine Stimmungswelt mit der "Sprachoper" "Unser Oskar" in diesem Sommer auf die Bühne und in den Hörfunk gebracht - als eine Produktion des Bayerischen Rundfunk liegt sie nun auf CD (intermedium) vor. Abgeschritten werden in einem bruchlosen Ineinander von folkloristischen und elektronischen Klängen, Rezitationen und szenischen Dialogen die wesentlichen Stationen seiner Biographie - von der familiären Tyrannis der Jugendzeit über das München Hitlers bis zum Exil und der unerquicklichen Nachkriegs-Stippvisite in die widerspenstige und fremde Heimat. Das ironische Potential seines bodenständigen Realismus wird durch diese CD beklemmend nachvollziehbar.


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