© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/03 28. November 2003

Frisch gepresst

Frauenkirche. Mitten im fortschreitenden Prozeß der Entchristlichung eine Kirche wiederaufzubauen, in der der Gottesdienst vielleicht nur noch eine randständige Rolle spielen dürfte, erscheint als höchst bemerkenswertes Phänomen. Über die "Philosophie" und die "erinnerungspolitischen" Motive der Initiatoren und Träger des Wiederaufbaus der beim britischen Vernichtungsschlag im Februar 1945 total zerstörten spätbarocken Dresdner Frauenkirche kann denn auch weiter gerätselt und gestritten werden. Fernab davon hat sich Jürgen Helfricht aufgemacht, eine Chronik der "Kathedrale der evangelischen Christenheit" zusammenzustellen, die vor allem für Dresden-Besucher einen höchst nützlichen Informationswert besitzt. Helfricht dokumentiert vor allem die letzten acht Jahre der mit privaten Mitteln finanzierten Rekonstruktion, deren Fortschritte jeder Tourist mit Helfrichts Büchlein in der Hand an Ort und Stelle besichtigen kann. Allerdings nicht mehr allzu lange: Am Reformationstag 2005 steht die Wieder-Einweihung auf dem Terminplan (Die Dresdner Frauenkirche. Eine Chronik von 1000 bis heute. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 2003, 143 Seiten, durchgehend illustriert, 10,95 Euro).

Märkische Grablege. Kaum etwas gibt über die Geschichte eines Ortes und seiner Menschen präzisere Auskunft als der Friedhof. Doch leider geht durch die Verwahrlosung dieser Kulturdenkmäler und die Regulierungswut heutiger strafgesetzbuchdicker Friedhofsordnungen immer mehr von diesem Kulturgut verloren bzw. entsteht erst gar nicht mehr. An einem ganz besonderen Beispiel, der märkischen Grablege in Bornstedt bei Potsdam wird der Wert dieses Erbes in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Denn "was in Sanssouci stirbt, das wird in Bornstedt begraben", wußte schon Theodor Fontane in seinen "Wanderungen" über diesen ganz besonderen Friedhof zu berichten. Der für das Militärgeschichtliche Forschungsamt tätige Karlheinz Deisenroth entschlüsselt in akribischer Weise die Geschichte des Gottesackers und seiner teilweise prominenten Toten und legt nicht nur ein regionalgeschichtliches Kleinod vor, das nebenher auch Glanz und Elend brandenburgisch-preußischer Geschichte erschließt. Sein Werk sollte auch als universeller Aufruf zur Bewahrung dieses Kulturgutes verstanden werden (Märkische Grablege im höfischen Glanze. Der Bornstedter Friedhof zu Potsdam. Trafo Verlag, Berlin 2003, 463 Seiten, 32,80 Euro).


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