© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/03 19. Dezember 2003 u. 01/04 26. Dezember

Sehnsucht nach Normalität
Hohmann-Affäre I: Nachdem der CDU-Abgeordnete sich in die Fraktion zurückklagen möchte, will sich die Führung mit einer Schutzschrift dagegen wappnen
Christian Roth

Einen Übergang zur Normalität" hatte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel gefordert und ihr Generalsekretär Laurenz Meyer gar vollmundig davon gesprochen, daß der "Abgeordnete Martin Hohmann längst vergessen" sei. Doch die eiligen Beteuerungen der christdemokratischen Führungsspitze klingen ein wenig wie das berühmte Pfeifen im Walde. Denn innerhalb der Union wächst die Angst, daß das Theater um den aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossenen Martin Hohmann zu einer unendlichen Geschichte werden könnte.

Der streitbare Christ aus Fulda gibt sich auch mehr als vier Wochen nach seinem Rauswurf kämpferisch. Nach Informationen der Tageszeitung Die Welt will der mit absoluter Mehrheit gewählte Abgeordnete seine Ausbootung nicht einfach hinnehmen und sich mit rechtlichen Mitteln in die Fraktion zurückklagen. Zur Erinnerung: Am 14. November war der hessische Politiker wegen einer Rede zum 3. Oktober nach tagelangem medialen Druck aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Wenige Tage später leitete der hessische CDU-Landesvorstand unter Führung von Ministerpräsident Roland Koch zusätzlich ein Parteiausschlußverfahren ein. Der Ausgang dieses Verfahrens macht den Verantwortlichen in der Berliner CDU-Zentrale offenbar weit mehr Sorgen als ein mögliches Gerichtsverfahren gegen den Fraktionsausschluß.

Ein Parteiausschlußverfahren sei kompliziert, langwierig und der Ausgang nur schwer einzuschätzen, heißt es im Adenauer-Haus. Wenn das CDU-Parteigericht Hohmann aus der CDU ausschließen würde, könnte der jetzt fraktionslose Abgeordnete auch dagegen gerichtlich vorgehen. Doch auch eine mögliche Klage gegen den Fraktionsausschluß könnte den Christdemokraten erheblichen Ärger bereiten.

Ein solcher Schritt beunruhige ihn "überhaupt nicht", erklärt Generalsekretär Meyer zwar trotzig: "Das ist die persönliche Entscheidung von Herrn Hohmann. Im übrigen: Verfahren vor Gerichten sind juristische, nicht politische Entscheidungen." Der Unionsfraktion sei es darum gegangen, "eine politische Grenze zu Meinungen zu ziehen, die wir als völlig unverträglich mit den Inhalten und Zielen der CDU hielten und halten." Doch ganz so locker scheinen Meyer und Merkel die Sachlage mittlerweile nicht mehr zu sehen. Anders ist der hektische Aktionismus, der kürzlich ausbrach, nicht mehr zu erklären.

Die Unionsfraktion ist auf alles vorbereitet

Denn die Unionsfraktion will im Fall Hohmann nunmehr auf Nummer sicher gehen. Im internen Kreis soll Generalsekretär Meyer die Befürchtung geäußert haben, Hohmann könne nicht nur eine Klage gegen seine Fraktionsausschuß anstrengen, sondern auch versuchen, mittels eines Eilantrags beim Bundesverfassungsgericht eine sofortige Rückkehr in die Reihen der christdemokratischen Parlamentarier herbeizuführen. Zwar hat sich der hessische Abgeordnete dahingehend noch nicht geäußert, die Vorsorgemaßnahmen wurden aber dennoch getroffen. Am 12. Dezember hinterlegte die CDU-Fraktion durch ihren Justitiar Ronald Pofalla eine Schutzschrift beim Bundesverfassungsgericht.

"Die Unionsfraktion ist auf alle prozessualen Eventualitäten vorbereitet. Die Hinterlegung einer Schutzschrift dient dazu, dem Bundesverfassungsgericht vorab den Rechtsstandpunkt der Unionsfraktion zu erläutern. Sollte im Rahmen eines Organstreits der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gestellt werden, würde auf diese Weise rechtlich sichergestellt, daß das Bundesverfassungsgericht nicht entscheidet, ohne die tragenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Ausschluß zu kennen", erklärte Pofalla in einer Mitteilung der Fraktion.

Die Schutzschrift ist in der juristischen Auseinandersetzung ein vorbeugendes Rechtsinstrument, um gegen den zu erwartenden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung besser vorzubeugen. Befürchtet der Antragsteller, daß eine Partei ein bestimmtes Verhalten gerichtlich verbieten lassen möchte, so kann er sich mit einer Schutzschrift verteidigen. Und genau dies hat die CDU-Fraktion nun getan. "Es ist für uns vollkommen unzumutbar und auch unvorstellbar, daß Hohmann auch nur für einen Tag in unsere Reihen zurückkehrt", so Meyer.

Mittels der Schutzschrift will die Union eine böse Überraschung verhindern und sich in Ruhe auf ein möglicherweise langwieriges Verfahren einstellen. Von grundlegender Bedeutung wird deshalb auch sein, wie das von Roland Koch angestrengte Parteiausschlußverfahren verläuft. Dieses wird vom Ministerpräsidenten mit Kanzlerambitionen mit Hochdruck vorangetrieben, pikanterweise nur wenige Monate, nachdem sich Koch öffentlich für seinen "Judenstern-Vergleich" entschuldigen mußte.

Dabei sind die Voraussetzungen für einen Ausschluß aus der Partei und für eine Entfernung aus der Fraktion dabei völlig unterschiedlich. Nach dem Parteiengesetz sind die Parteien zwar in der Auswahl ihrer Mitglieder frei. Ein Rauswurf ist hingegen an strenge Voraussetzungen geknüpft: "Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt."

Verpflichtung zur innerparteilichen Demokratie

Als Grund für diese strengen Voraussetzungen verweist der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein darauf, daß die Parteien nach dem Grundgesetz zu innerparteilicher Demokratie verpflichtet sind. Ein Ausschluß würde dem Mitglied gerade die Chance nehmen, in der Partei mitzuwirken.

Die Problematik im Falle Hohmann liegt darin, daß die Parteiführung nur noch vor dem Bundesschiedsgericht nachweisen muß, daß der Abgeordnete "nachweislich der Partei geschadet hat". Eine Warnung könnte beispielsweise der FDP-Versuch gewesen sein, den ehemaligen Landeschef von Thüringen, Heinrich Arens, loszuwerden. Arens hatte bei der Landtagswahl 1999 dazu aufgerufen, für die CDU zu stimmen. Arens bemühte schließlich die Gerichte und siegte - die Richter verwiesen auf die Meinungsfreiheit. Die Hürden für einen Fraktionsausschluß sind geringer. Die Fraktionsordnung lautet: "Die Fraktionsversammlung kann in geheimer Abstimmung den Ausschluß von Mitgliedern aus der Fraktion beschließen." Eine juristische Bewertung ist nicht erforderlich. Die könnte aber ein ordentliches Gericht liefern. Falls der Parteiausschluß Hohmanns scheitern sollte, käme die CDU-Fraktion in erhebliche Erklärungsnotstände. Genau davor haben Merkel und Meyer Angst.


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