© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/03 19. Dezember 2003 u. 01/04 26. Dezember

Leserbriefe

Zu: "Immer totalitäreres Klima" von Dieter Stein, JF 50/03

Eingefahrene Gleise

So berechtigt die noch immer anhaltenden Proteste zur Hohmann-Affäre in weiten Teilen des Volkes auch sind, sie werden weder in der CDU etwas Gravierendes ändern noch an der vorherrschenden Parteienstruktur. Bis zur nächsten Bundestagswahl fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter, in dieser Zeit wird es andere Themen geben, welche die Schlagzeilen bestimmen. So war es unter anderem auch vor nunmehr 15 Jahren beim Eklat, den die Rede des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger ausgelöst hatte. Die Mehrzahl der konservativ gesinnten Bürger in diesem unserem Lande wird wie gehabt wieder die Union wählen oder sich der Stimme enthalten, somit geht es in den eingefahrenen Gleisen weiter. Beispiele hat es in den vergangenen Jahrzehnten mehr als genug gegeben. Auch an politischen Skandalen gibt es in der Geschichte der BRD keinen Mangel, stellvertretend möchte ich hier Querbeet nur die Namen Lambsdorff, Süssmuth, Kohl, Glogowsky und Scharping nennen. Engagierte Bürger wie die Professoren Scheuch und von Arnim haben mit ihren Büchern schonungslos die unredlichen Machenschaften innerhalb der selbsternannten staatstragenden Parteien aufgezeigt, die Leute haben sich darüber aufgeregt und bei nächster Gelegenheit wieder mehrheitlich für eine dieser Parteien votiert. Und so werden auch diesmal wieder die Meinungsmacher dafür sorgen, daß es so weitergeht, es ist traurig, aber leider auch wahr.

Gerhart Zobler, Niederkassel

 

Einseitig gehört

Es ist bemerkenswert, daß die gleichen Politiker und Medien, die etwa im Falle Gerster nach der Devise "audiatur et altera pars" (also: Man höre auch die andere Seite) handelten, mit einer Vorverurteilung von Martin Hohmann verdächtig rasch bei der Hand waren. Dabei mußte man den Eindruck haben, daß viele dieser Gutmenschen nicht einmal Hohmanns Rede gelesen hatten, als sie die Treibjagd auf ihn eröffneten beziehungsweise sich daran beteiligten. Sauberer Journalismus bedeutet - so hat man es wenigstens noch vor 50 Jahren den angehenden Redakteuren beigebracht -, in jedem Falle beiden Seiten die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Davon ist wohl nichts geblieben.

Gert Ziegler, München

 

Fassaden allerorten

Mir scheint, daß bei den "System-Parteien", die heute im Bundestag vertreten sind, die politische Korrektheit in der gemeinsamen Ideologie besteht, die sich in der Auffassung ausdrückt: Das deutsche Volk und der deutsche Staat Bundesrepublik (einschließlich Österrreich!) sind ein "unvergleichliches", "einzigartiges", schuldiges "Tätervolk" und "Täterstaat", die nicht nur bis ins dritte und vierte Glied, sondern solange diese Erde steht, für die Verbrechen, die in jenen zwölf Jahren der NS-Diktatur geschehen sind, von Menschen aus unserem Volk, ewig büßen und zahlen sollen, sowohl ideell als auch materiell. Wer erklärt, daß alle historischen Ereignisse einmalig und einzigartig sind, wird verfolgt. Wer kausale Zusammenhänge in der Geschichte erkennt, wie Professor Ernst Nolte ("Der kausale Nexus"), wird als rechtsextremistisch verurteilt. Aber nicht nur das, er wird sogar als Antisemit gebrandmarkt wenn er darauf hinweist, daß von der Religion des Mosaismus abgefallene Juden und abgefallene Christen, die den Atheismus zur "Staatsreligion" machten, es gewesen sind, die Millionen Menschen systematisch ausrotteten. Bolschewistische Mörder und Täter sind offensichtlich bessere "Täter" als faschistische und nationalsozialistische. Vergleiche sind in Deutschland verboten! Seit der Teilwiedervereinigung Deutschlands nimmt der Totalitarismus in Europa zu. Die äußere demokratische Fassade bleibt erhalten; aber selbst die Meinungsfreiheit, gilt nicht mehr.

Wolfgang Büscher, Helmstedt

 

Kritik teilweise richtig

Abgesehen davon, daß staatlicherseits keine religiöse Gruppierung - auch nicht die Juden - unter öffentlichem Schutz vor Kritik stehen dürfen, hat jedoch eine Partei das Recht, in internen Angelegenheiten so zu verfahren, wie sie es für richtig hält. So auch die CDU. Und wenn Herr Hohmann und andere verbliebene Konservative noch nicht begriffen haben, daß diese Partei nicht die ihre ist, dann ist ihnen nicht mehr zu helfen. Die Führung dieser Partei weiß das schon lange.

Der einzige Kritikpunkt an der Rede Hohmanns ist, daß er die "Gottlosen" seit jeher im Bunde mit Verbrechen und Massenmord sieht. Das ist angesichts der kirchenchristlichen Megamorde über die Jahrhunderte hinweg - deren Opfer in die Millionen gehen - eine dreiste Lüge, die nur mit religiöser Verblendung und Anmaßung des Redners zu erklären ist. Von daher ist die Klage von Atheisten gegen Hohmann die einzig gerechtfertigte.

Detlef Nolde, Berlin

 

 

Zu: "Hohles und dummes Geschwätz", Interview mit Helmut Rühlke, JF 50/03

Klare Erkenntnis

Herr Rülke äußert sich zur Frage der vom Fraktionsvize Bosbach angedrohten "intensiven Gespräche" mit CDU-Mitgliedern, die die Initiative "Kritische Solidarität mit Martin Hohmann" unterstützen dahingehend, daß Merkel sowohl intellektuell als auch gefühlsmäßig nicht in der Bundesrepublik angekommen sei. Das genaue Gegenteil ist zutreffend. Angela Merkel hat erstaunlich schnell die Machtstrukturen der ach so demokratischen Bundesrepublik durchschaut und somit auch erkannt, wie zu handeln ist, wenn jemand Erwartungen ausspricht.

Peter Baumgart, Berlin

 

 

Zu: "Das ist eine kleine Sensation", Interview mit Heinz Lampert, JF 50/03

Bremse Selbstverwirklichung

Daß "die finanziellen Aufwendungen für Kinder und die mit der Versorgungs- und Erziehungsverantwortung der Eltern verbundenen Einschränkungen so groß geworden sind, daß immer mehr junge Menschen nicht bereit sind, diese Verpflichtungen auf sich zu nehmen", kann ich nicht nachvollziehen. Die sind überhaupt nicht groß geworden. Schule und Studium sind gebührenfrei, schon der Lehrling bekommt ein schönes Salär. Einige Kosten macht das erste Kind, weitere haben bereits eine Basis an Ausstattung und Erfahrung. Nur werden heute Geld und Zeit in einer egoistischen Gesellschaft, die jede Bindung als Bremse der "Selbstverwirklichung" verspottet und jegliche Triebbefriedigung als dringend notwendigen, staatlich zu fördernden, aber unverbindlichen Selbstzweck deklariert, in anderes investiert, und die Möglichkeiten, sich Belastungen durch Kinder zu entziehen, sind enorm. Pille, Kondom, Knaus-Ogino, Abtreibung sind wohlfeil. Wer mit 35 eine Ehefrau und vier Kinder hat, aber noch nie in Australien (pardon, im "Outback") war, ist ein Exot. Der wunde Punkt ist meines Erachtens die Abwertung der Familie durch die Politik, weniger die Kosten für Kinder. Daß die Wirtschaft bestrebt ist, dem Staat die Kinderbetreuung aufzuhalsen, damit beide Eltern zu Billigstlöhnen malochen können, weil Vaters Gehalt nicht mehr reicht, ist eine andere Sache.

Adalbert Taufler, München

 

 

Zu "Moralisch brüchig" von Doris Neujahr, JF 50/03:

Überzeugungen

Daß Leute wie Jens, Höllerer und andere Parteigenossen waren, ist sicher auch Ausfluß eines gewissen Opportunismus. Es wirft aber auch ein Licht auf Stellung und Ansehen der NSDAP in ihren frühen Jahren sowohl im In- wie im Ausland. Hitler hat dem kleinen Mann viel versprochen, anfänglich auch gehalten und eine Aufbruchstimmung aus dem Elend durch das von allen Parteien abgelehnte Versailler Diktat und die Weltwirtschaftskrise erzeugt, nach der sich heute die BRD die Finger lecken würde. Dem sind auch erlauchte Geister im In- und Ausland erlegen. Auch die konnten offenbar Pferdefuß, Bockshörner und Schwefelgeruch nicht wahrnehmen, die mit dieser Partei einhergingen und jeden aufrechten Menschen vor ihren Absichten hätten warnen müssen, wie man uns seit 1945 einreden will. Der gutbürgerliche Vater des englischen Austauschschülers meines älteren Bruders unterschrieb 1938 seine Briefe in heller Bewunderung Deutschlands mit dem "deutschen Gruß". Beide Jungs sind, vermutlich überzeugt von ihrer jeweiligen Sache, gefallen.

Eberhard Koenig, Bayern

 

 

Zu: "Vorbild und ein bißchen Held" von Heino Bosselmann, JF 50/03

Schulrealitäten

Die Gedanken und Wunschträume von Bosselmann zur so notwendigen, doch kaum mehr bei uns anzutreffenden Lehrerpersönlichkeit, die geprägt durch natürliche Autorität, Begeisterung, Sendungsbewußtsein und Einfühlungsvermögen, praktisch selbst dem stumpfsinnigsten Schüler noch das Staunen beizubringen vermag und somit quasi das Pisa-Desaster hätte verhindern können, mögen ja durchaus in eine richtige Richtung zielen. Doch sei dem von seinen Idealvorstellungen durchdrungenen Lehrer an einem Internatsgymnasium dringend einmal, zur Erweiterung seines Erfahrungshorizonts, eine längere Unterrichtstätigkeit an einer jener westdeutschen Großstadtschulen, mit einem Ausländeranteil von nicht selten über 90 Prozent angeraten. Wetten, daß sich dann seine hehren pädagogischen Idealvorstellungen angesichts dauernder Konfliktbewältigungen, zermürbender Sprachprobleme und hartnäckiger Leistungsverweigerung rasch auf ein weniger abgehobenes, unserer multikulturellen Schulrealität entsprechendes Maß reduzieren würden.

Rolf Bauer, Stuttgart

 

 

Zu: "Sein Sieg" von Doris Neujahr, JF 49/03

Symboliken

Den sehr zutreffenden Artikel kann man auch noch aus einer anderen Sicht ergänzen. Die Negation des Dritten Reiches auf möglichst allen Gebieten ist unsere Staatsreligion, die den Staat stützt und die von ihm geschützt wird. Nicht das Christentum ist es jetzt noch. Gotteslästerung wird nicht mehr verfolgt, wohl aber Verharmlosung des Dritten Reiches. Zweifel an der Bibel interessieren den Staat nicht, wohl aber Zweifel an den Tagebüchern der Anne Frank.

Das Verbot, den Nationalsozialismus zu verteidigen, macht die Anklage dagegen zu einem Dogma. Es gibt noch viele Beispiele dieser Art mehr, zum Beispiel Ehrungen auf Straßennamen oder Briefmarken, Kanzlerkniefall vor nichtchristlichem Symbol usw. usf. Auch werden kaum noch Kirchen gebaut, jedoch überall Mahnmale wie das in Berlin. Dieses nimmt folgerichtig den Rang früherer Kathedralen ein, wenn auch nicht in künstlerischer Hinsicht. So muß man die Bedeutung dieses Mahnmals einordnen.

Richard Geißler, Hamburg

 

Gerechtigkeit statt Rache

Wir wissen ja nun seit 58 Jahren: Hitler war ein Bösewicht, und er bestimmt nach wie vor die Richtlinien deutscher Politik. Der sich salvierende Politiker oder Autor verursacht bei den Nutznießern deutschen Unglücks kein infernalisches, sondern ein durchaus irdisches Gelächter. Seinerzeit ließ Idi Amin den Eingang seines Zeltes so niedrig legen, daß der englische Gesandte zu ihm hineinkriechen mußte. Freund Idi meinte dann, es täte ihm ja so leid, daß es England so schlechtginge. Er wäre aber bereit, der Königin ein paar Bananen zu schicken, was ungemein lustig war.

Was nun das Holocaust-Mahnmal betrifft, so könnte der Schuß auch nach hinten losgehen: Jede Stele legt heute schon Zeugnis ab für den seit dem 20. Jahrhundert anhaltenden aggressiven Antigermanismus. In wessen Fleisch der Pfahl letzten Endes stecken wird, bleibt abzuwarten. Wir Christen kennen die Schuld, die Sühne, aber auch die Vergebung! Welch edler Gesinnung waren die Vertriebenen, die in ihrer Charta Gerechtigkeit, nicht Rache forderten. Diese menschliche Größe ist um so höher zu bewerten, als die Wunden von Flucht, Vertreibung und Genozid (nicht zuletzt wegen der Aufwiegelung zum Rassenhaß eines Ilja Ehrenburg: "Tötet die blonden Hexen, wo ihr sie findet") noch ganz frisch waren.

Karin Khemlyani-Albrecht, Bendestorf

 

 

Zu: "Die Besatzer werden mehr und mehr zu Belagerten", Interview mit Peter Scholl-Latour, JF 49/03

Hilflose Versuche

Die USA haben im Rausch der Allmacht übersehen, daß es eine weltweite Allergie gegen Fremdbestimmung gibt. Die USA machen es sich zu einfach, wenn sie diese Allergie erst einmal al-Qaida nennen. Al-Qaida ist ein bisher nur im islamischen Kulturkreis weitverbreitetes antiamerikanisches Lebensgefühl. Der Versuch, die al-Qaida als eine multinationale Organisation mit ihrem Chef Osama bin Laden darzustellen, ist der verzweifelte und hilflose Versuch, eine Idee an die Wand zu stellen und sie dort standrechtlich zu erschießen. Terror basiert auf Ungleichheiten, die von den Betroffenen als Ungerechtigkeiten empfunden werden.

Reinhard Wick, Bielefeld

 

 

Zu: "Eltern bevorzugt" von Paul Rosen, JF 49/03

Leer ausgegangen

Wer heute zur Kindererziehung zu Hause bleibt (ab drei Kindern ein voller Job), verzichtet auf vieles: auf das zu erzielende Erwerbseinkommen und den daran gekoppelten Rentenanspruch, auf eine mögliche Karriere und auf gesellschaftliches Ansehen. Was tut die Politik gegen diesen Mißstand? Bundes- und Landesregierung fordern von Gemeinden die vermehrte Einrichtung von öffentlichen Kinderbetreungseinrichtungen wie Kinderhort und Kinderkrippe. Durch die Ganztagsbetreuung soll beiden Elternteilen eine Berufstätigkeit ermöglicht werden. Diese einseitige Investition von Steuergeldern für die öffentliche Kindererziehung ist aber nichts anderes als die staatliche Subventionierung für die Abwesenheit der Eltern von ihren Kindern. Eltern, die ihre Kinder selber erziehen wollen, gehen jedoch bei dieser Art von "Familienförderung" völlig leer aus.

Anton Fischer, Eppingen

 

 

Zu: "Ineffektive Weltgenesung" von Alexander Griesbach, JF 49/03

Gefasel

Kosten für Auslandseinsätze von 131 Millionen Euro für 1995. Für das Jahr 2002 gut 1,5 Milliarden Euro. Hat da etwa noch irgend jemand Fragen zu dem permanenten Gefasel vom Gürtel-enger-Schnallen hiesiger Politiker, zu ständigen Renteneinkürzungen, zu sonstigen Einsparungen, Streichungen und Schließungen et cetera?

Irmgard Lohner, per E-Post

 

 

Zur ZDF-Sendung "Unsere Besten"

Geschichtliches Aktionsfeld

Den Bürger öffentlich zu animieren, den berühmtesten oder "größten" Deutschen ausfindig zu machen, ist fast absurd, denn Einstein, Bismarck und Marx in eine Reihe zu stellen, ist widersinnig, weil sie sich qualitativ nicht vergleichen lassen und zudem ihre eigentlich substantielle Bedeutung erst durch den historischen Kontext erlangen. Der angestellte Vergleich zwischen Marx und Bismarck ist zudem fast kriminell. Marx, dieser Gelehrte des "dialektischen Materialismus", gehört in das geschichtliche Aktionsfeld jener, die wie Marat (der französische Revolutionär, der von der Bürgerin Corday in der Badewanne erstochen wurde) bekannt sind durch ihre blutrünstigen Parolen. Dem angepaßt war Lenin, 150 Jahre später, dessen Phantasie permanent mit blutrünstigen, antibürgerlichen Parolen angefüllt war. Man denke nur an Solschenizyns Buch "Lenin in der Schweiz". Lenin ging durch die kleinen Ortschaften seines Gastlandes. Er freute sich nicht über die schmucken Häuschen, sondern er stellte sich wollüstig vor, wie dieser "bürgerliche Abschaum" verwüstet und die Bewohner, samt Kindern und Müttern, alten Menschen und Kranken ermordet, gelyncht würden.

Und dazu reiht sich der Dichter Tucholsky ein, der 1927 schrieb: "Möge das Gas in die Spielstuben eurer Kinder schleichen, mögen sie langsam umsinken die Püppchen. Ich wünsche der Frau des Kirchenrates und des Chefredakteurs und der Mutter des Bildhauers und der Schwester des Bankiers, daß sie einen bitteren, qualvollen Tod finden, alle zusammen." (ges. Werke, Bd. 2) Marx seine ideologische Verwandtschaft.

Wilhelm Lehbrink, Vogt


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