© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 01/05 31. Dezember 2004

Auf dem Weg zur gläsernen Verwaltung
Gesetzesinitiative: Weitreichendes Recht zur Akteneinsicht geplant / Wirtschaftsverbände fürchten um Geschäftsgeheimnisse
Ulrich Richter

Ein Prestigeprojekt von SPD und Grünen scheint nach langem Warten nun doch noch Aussicht auf Verwirklichung zu haben: Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) soll das Amtsgeheimnis weitgehend abschaffen und die Verwaltung für den Bürger transparenter werden lassen. Sollte der Gesetzentwurf wie geplant zum 1. Januar 2005 in Kraft treten, könnten die Bürger Akten, Daten, Karten und Fotos der Bundesbehörden jederzeit einsehen.

Damit wäre das Amtsgeheimnis weitgehend abgeschafft: Laut IFG-Entwurf muß dann die Behörde dem Antragsteller innerhalb Monatsfrist die gewünschten Informationen gegen eine geringe Bearbeitungsgebühr zugänglich machen. Bei unbegründeter Verweigerung der Behörde wäre der Anspruch auf Einsichtnahme sogar auf dem Verwaltungsrechtsweg durchsetzbar. Auch käme eine Beschwerde gegen den Bundesdatenschutzbeauftragten in Betracht.

Das Gesetz führt zu einer Umkehr der Beweislast. Muß nach derzeitiger Rechtslage der Bürger ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht nachweisen, so würde ab dem 1. Januar die Behörde begründen müssen, warum dem Bürger die Informationen nicht zugänglich gemacht werden sollen.

Doch gibt es einen langen Katalog mit zahleichen Ausnahmen, in denen keine Auskunft erteilt wird. Sicherheitspolitische Belange sowie finanzpolitische und wettbewerbsrechtliche Fragen bleiben beispielsweise weitgehend ausgeklammert. Auf Drängen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) bleiben Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Forschungsergebnisse und anderes geistiges Eigentum ausdrücklich geschützt. Auch dürfen auf dritte Personen bezogene Daten nur nach einer Interessenabwägung herausgegeben werden.

Mit der sogenannten "gläsernen Verwaltung" soll ein größeres Verständnis für das behördliche Handeln geschaffen werden - die Verwaltung als gleichberechtigter Partner und nicht als undurchschaubarer Machtapparat. Die Initiatoren erhoffen sich so ein höheres Maß an Demokratie. Auch soll das IFG einen Beitrag zu Korruptionseindämmung leisten.

Obwohl ein derartiges Gesetz bereits in den Koalitionsverträgen zwischen SPD und Grünen von 1998 und 2002 enthalten war, steht es erst jetzt vor der Vollendung. Immer wieder scheiterten Vorstöße am Widerstand von Industrie und Ministerien. Während sich anfangs ganze Ministerien gegen die Akteneinsicht wehrten, gelang es nun, lediglich einzelne Teile aus der Einsichtnahme auszuschließen.

Der BDI fürchtet trotz aller Einschränkungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnisse, daß sensible Firmendaten in falsche Hände geraten: Wenn das Gesetz in Kraft tritt, können laufende Ausschreibungen von Wettbewerbern eingesehen werden. Kritiker warnen zudem immer wieder vor einer unüberschaubaren Antragsflut.

Diese ist nach Erfahrungen aus den Bundesländern wohl aber nicht zu erwarten. Auf Länderebene haben Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein schon seit Jahren eigene Informationsfreiheitsgesetze umgesetzt. In Nordrhein-Westfalen gab es im Laufe von zwei Jahren lediglich 2.200 Anfragen, meist zu Bauvorhaben. Davon wurden laut Innenministerium 460 Anfragen abgelehnt.

Neben den Initiatoren aus Reihen der Sozialdemokraten und der Bündnisgrünen haben vor allem Journalisten Grund zur Freude: Sie versprechen sich einen wesentlich einfacheren Zugang zu Hintergrundinformationen. Mehrere Journalistenverbände hatten bereits Anfang dieses Jahres einen eigenen Gesetzentwurf als Entscheidungshilfe vorgelegt.

Da es sich bei dem IFG nicht um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, kann es auch gegen den Widerstand des Bundesrates verabschiedet werden. Damit würde sich auch Deutschland als eines der letzten Länder der Europäischen Union vom Amtsgeheimnis verabschieden. Mit einer Übergangsfrist von drei Monaten soll das Gesetz dann am 1. Januar erst einmal auf fünf Jahre befristet in Kraft treten.

Das Gesetzgebungsverfahren war äußerst knapp bemessen: Erst am 17. Dezember fand im Bundestag die erste Lesung statt. Während der Debatte wurde die rot-grüne Regierung seitens der CDU/CSU-Fraktion zur Offenlegung der Verträge mit Toll Collect zur LKW-Maut aufgefordert: Sonst sei die "erste Schlacht um das Informationsfreiheitsgesetz schon verloren". Ob sich die Bundesregierung die "gläserne Verwaltung" so vorgestellt hat, darf bezweifelt werden.

Informationsbroschüre zur Akteneinsicht: Die Bürger sollen sich künftig umfassend informieren können


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