© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 01/05 31. Dezember 2004

Meldungen

Vertreibung aus linker Sicht

BERLIN. Der Bremer Journalist Kurt Nelhiebel wurde 1946 mit 19 Jahren aus seiner sudetendeutschen Heimat vertrieben. Er schildert jetzt diese aufgrund der Benesch-Dekrete erfolgte "Aussiedlung" in ergreifender Weise als Traumatisierung (Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/2004). Solcher Seelenschmerz hat Nelhiebels journalistisches Schaffen in starkem Maß beeinflußt, so daß er sich immer wieder des Themas Vertreibung annahm - allerdings aus dezidiert "linker" Sicht. Auch bei seiner jüngsten Einlassung geht es ihm wieder darum, die Kausalitäten "den Vergeßlichen ins Stammbuch" zu schreiben. "Hitlers Krieg" sei der Vertreibung vorausgegangen. Nelhiebel schreibt also rechtzeitig vor den geschichtspolitischen Aktivitäten der nächsten Monate fest, was dank Guido Knopp als offizielle Lesart der Vertreibung zu gelten hat: Die Deutschen hätten sich letztlich selbst um ihre Heimat gebracht. An Nelhiebels Text kann man in geradezu lehrbuchhafter Kürze studieren, mit welchen Stereotypen dieses Geschichtsbild gezimmert wird. So habe es bei den Sudetendeutschen nur "Ärger" über die nach 1933 einsetzende "tschechische Bevormundung" gegeben, die leider von der "Toleranzpolitik des Staatsgründers Masaryk" abwich. Kein Wort verliert Nelhiebel über die brutale, sofort 1918 einsetzende und von Masaryk mitzuverantwortende tschechische Unterdrückungspolitik und die flagrante Verletzung des Selbstbestimmungsrechts. Der Autor will ferner weismachen, den Tschechen wäre es "niemals" gelungen, die Sudetendeutschen abzuschieben, wenn ihnen Hitler nicht den Weg geebnet hätte. Er scheint zu übersehen, daß die Austreibung auf "friedlichem" Verwaltungswege eines Hitler nicht bedurfte, wie die "Entdeutschung" der 1918 von Polen annektierten preußischen Teilprovinzen beweist.

 

Rückgriff auf Heinrich Triepel

BERLIN. Physiognomie ist keine Nebensache. So verkörpert selbst die ältere Generation der bundesdeutschen Völkerrechtler, die Delbrück, Frowein, Randelzhofer et al. den wendigen, mitunter sogar schneidigen Managertyp, in krassem Gegensatz zu den "weichen" kosmopolitischen Leerformeln, die sie publizistisch anbieten. Genau umgekehrt verhält es sich bei dem gemütlich-wuscheligen Sachsen Heinrich Triepel (1868-1946), einem Urbild des zerstreuten Professors, der aber mit seinem wahrhaft schneidigen Hauptwerk "Die Hegemonie. Ein Buch von führenden Staaten" (1938) gezeigt hat, wo der Hammer hängt. In letzter Zeit wird auffällig oft daraus zitiert. Natürlich nicht von deutschen, auf den "Weltfrieden" eingeschworenen Völkerrechtlern. Sondern von Politologen wie Carlo Masala, Research Adviser am Nato Defence College, die sich den Blick für die zwischenstaatlichen Realitäten bewahrt haben. Masala wagt sich mit Hilfe Triepels in die aktuelle Debatte über das US-Imperium und seine Ziele (Internationale Politik, 10/2004). In der Bush-Administration werde erkannt, daß die USA Hegemonie im Sinne Triepels, also Herrschaft mit geringstmöglicher Gewaltanwendung, nicht nach "Methode Irak" sichern können. Das Konzept des "gütigen Imperators", der im Interesse der gesamte Menschheit herrsche, scheint jedoch nicht realisierbar. Aufgrund der Triepelschen Einsichten riskiert Casala darum die Vorhersage, daß auch die USA an der "Überdehnung und der offenen Feindschaften anderer Staaten" zugrunde gehen.

 

Erste Sätze

Um den Kampf um Berlin wurde kein Kriegstagebuch mehr geführt.

Ernst Günter Schenck:

1945. Als Arzt in Hitlers Reichskanzlei, Stockach 1985


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