© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/04 02. Januar 2004

Frisch gepresst

Politischer Professor. Die Biographie Mario Keßlers über den "gelernten" Althistoriker Arthur Rosenberg mutet in diesen Monaten wie eine lehrreiche Variation zum Thema "jüdischer Bolschewismus" an. Rosenberg, im Zeichen von "68" wiederentdeckt als kritischer Chronist der Weimarer Republik, brach während des Ersten Weltkrieges mit seinem Herkunftsmilieu, "dem assimilierten jüdischen Bürgertum und der deutschnationalen Gelehrtenwelt", und nahm im anhebenden Weltbürgerkrieg Partei für die KPD, für die er im Reichstag saß und für die er publizistisch agitierte. Der in der DDR akademisch sozialisierte Keßler, ein Fachmann für die Beziehungen zwischen Zionismus, Judentum und Sozialismus, zeichnet - eigene ideologische Affinitäten nicht versteckend - die intellektuelle Biographie Rosenbergs von dessen Befangenheit in radikalrevolutionären Heilserwartungen bis hin zu den immer noch reichlich utopistischen Positionen eines "unabhängigen Marxisten" nach, der zu einer distanzierten, heute noch lesbaren "Geschichte des Bolschewismus" (1932) fähig war (Arthur Rosenberg. Ein Historiker im Zeitalter der Katastrophen, 1889-1943. Böhlau Verlag, Köln 2003, 334 Seiten, 39,90 Euro).

Kolonialkrieg. Dieses Jahr wird sowohl in Deutschland als auch in Namibia des grausamen Kolonialkriegs vor einhundert Jahren im damaligen Deutsch-Südwestafrika gedacht werden. Die wegen der Wegnahme ihrer Weidegründe in blanke Not getriebenen Stämme der Herero und Nama (Hottentotten) begannen einen Aufstand mit zivilen Opfern unter den deutschen Kolonisten. Die daraufhin nach "Südwest" beorderten Regimenter der "Schutztruppe" schlugen diesen Aufstand blutig nieder. Besonders die anschließende tödliche Vertreibung Tausender Hereros in die wasserlose Kalahari und die sklavenähnliche Behandlung in deutschen Gefangenenlagern - von der heutigen Nujoma-Regierung und dem Co-Herausgeber Jürgen Zimmerer als Genozid und Konzentrationslager bezeichnet - hat im Bewußtsein vor allem der dadurch sogar ins demographische Hintertreffen geratenen Hereros starke Spuren hinterlassen. Die Autoren um den geborenen "Südwester" Joachim Zeller beleuchten gewissenhaft und facettenreich dieses unrühmliche Kapitel deutscher Geschichte in Afrika (Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg 1904-1908 in Namibia und seine Folgen. Ch. Links Verlag, Berlin 2003, 276 Seiten, broschiert, 22,90 Euro).


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