© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/04 02. Januar 2004

Neue Technologien: Moderne Kriminalistik
Infotainment mit Blut, Sperma und Haarschuppen
Angelika Willig

Deutsche Krimifreunde stellt der Dienstag vor eine schwierige Wahl. Im Ersten Programm beginnt um 20.15 Uhr "Adelheid und ihre Mörder" mit Evelyn Hamann als germanisierte Miss Marple, intelligent, leicht ironisch und garantiert stubenrein. Auf Pro 7 steigt zur gleichen Zeit "Anatomie des Verbrechens", Einblicke in die moderne Kriminaltechnik an authentischen Fällen. Hier wird schon mal erläutert, wie man die Todesstunde eines bereits stark verwesten Opfers anhand der Länge der Maden bestimmt, die in ihm hausen, oder was man vom Körper einer jungen Frau noch vorfindet, die zwei Jahre lang in Beton eingemauert im Zimmer ihres Mörders gelegen hat. Geruchsbelästigung jedenfalls entsteht nicht, weshalb die Tat zur Nachahmung anregen könnte, wenn es nicht so schwierig wäre, sich unauffällig einige Schubkarren Beton ins Schlafzimmer liefern zu lassen.

Die ganz große Stärke der heutigen Kriminalistik ist das Sicherstellen und Analysieren von Material- und Gewebeteilen, die am Tatort oder an der Leiche gefunden werden. Nichts ist winzig genug, um nicht doch zur Überführung des Täters beitragen zu können. Wollfäden aus einer Decke werden mit Hilfe des Herstellers auf einen beschränkten Kundenkreis zurückgeführt, der damit zur Überprüfung gelangt. Absoluter Trumpf aber sind die DNA-Untersuchungen. Seit Erfindung der Gentechnik würden wir keinem mehr raten, sich auf die schiefe Bahn zu begeben. Höchstens mit Zwillingsbruder könnte ein Täter noch einige Verwirrung stiften. Denn nicht nur identifiziert die DNA-Probe einen Menschen hundertprozentig sicher (abgesehen eben von eineiigen Zwillingen), es ist inzwischen auch gelungen, aus kleinsten Geweberückständen DNA zu fischen und für die Untersuchung aufzubereiten. Sechs Jahre nach dem Tod eines kleinen Mädchens fand man anläßlich einer weiteren Tat im Zimmer des Mörders im Parkettfußboden noch nahezu unsichtbare Blutspritzer, die sich per DNA eindeutig auf das erste Opfer zurückführen ließen.

Wenn dies nicht schon jede verbrecherische Neigung im Keim erstickt, so tut es der neu entwickelte Lügendetektor, bei dem nicht Hautwiderstand gemessen wird, sondern per Elektrode die Aktivität jeweiliger Hirnareale. Spricht jemand, wenn er eine wichtige Begebenheit schildert, die Wahrheit, so sind mehr die Hirnregionen für Sinneseindrücke aktiv, lügt der Angeklagte hingegen, dann leuchten jene Erinnerungsbezirke auf, wo er sich seine Konstruktionen zusammenklaubt. Noch ist dieses Gerät in der Testphase. Aber schon ruft es kindliche Schreckensbilder empor von der Stirn, auf der man "die Gedanken lesen" kann.

Beinahe könnte man meinen, daß Adelheids Intuition überflüssig geworden ist, aber im Gegenteil: Wer technisch versiert ist, kann die ARD einschalten und gleichzeitig Pro 7 aufnehmen. Damit man am Wochenende nicht auf den blöden "Tatort" angewiesen ist.


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