© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/04 09. Januar 2004

Kein Guru zum Hinterherlaufen
Hamburg: Der Streit um den ehemaligen Innensenator Schill nimmt bizarre Züge an / Enttäuschung der Landesverbände über das Bündnis mit Bolko Hoffmann
Peter Freitag

Ronald Schill hat sich nach dem Bruch mit der von ihm gegründeten Partei Rechtsstaatlicher Offensive der Pro Deutsche Mitte (Pro DM) des Finanzunternehmers Bolko Hoffmann angeschlossen. In einer Pressemitteilung vom 4. Januar gab Hoffmann bekannt, seine Partei wolle unter dem Kürzel Pro DM/ Schill bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 29. Februar antreten. Gleichzeitig kündigte Schill an, seiner früheren Partei unter der Führung des Hamburger Bausenators Mario Mettbach sei in Zukunft jegliche Verwendung seines Namens untersagt.

Schwerpunktthemen des neuen Zusammenschlusses Pro DM/Schill seien Innere Sicherheit und Wirtschaft. Als Spitzenkandidat fungiert Schill, Hoffmann selbst will sich erklärtermaßen aus dem Wahlkampf heraushalten und nur den Apparat sowie die Finanzmittel seiner Partei zur Verfügung stellen. Schill geht davon aus, daß er bei der Wahl ein Ergebnis zwischen "sechs und zehn Prozent" einfahren werde, während er seiner ehemaligen Partei nur einen Erfolg "im Promillebereich" zutraut. Einer zukünftigen bürgerlichen Koalition stehe er wieder offen gegenüber, auch eine Zusammenarbeit mit der CDU hält er für denkbar, allerdings ohne Ole von Beust. In einer solchen Koalition strebt der ehemalige Zweite Bürgermeister und Senator wieder die Leitung der Behörde für Inneres an, dies sei "selbstverständlich", und ohne eine solche Zusage brauche man der Pro DM/ Schill "gar nicht erst ein Angebot unterbreiten".

Dagegen schloß der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Michael Freytag, jegliche Zusammenarbeit mit Schill und Hoffmann kategorisch aus. Diese Partei habe keinerlei Funktion, so Freytag, jede Stimme für sie sei verloren. In bezug auf die beiden Fusionierten meinte er: "Da heben sich zwei skurrile Exzentriker zusammengetan."

"Wir haben mit Ronald Schill nichts mehr zu tun"

Der Vorsitzende der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, Mario Mettbach, gab umgehend bekannt, daß seine Partei fortan unter dem Kürzel PARO firmiere, auch die Seiten im Netz wurden auf die Bezeichnung "Offensive-Bund" umgestellt. "Wir haben mit Ronald Schill nichts mehr zu tun", so Mettbach gegenüber der Bild-Zeitung. Die PARO werde voraussichtlich mit Innensenator Dirk Nockemann als Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl antreten, auf Platz zwei der Landesliste soll Fraktionschef Norbert Frühauf folgen. Der Parteichef und Zweite Bürgermeister Mettbach will an dritter Stelle kandidieren.

Als Reaktion auf das Zusammengehen mit Schill erteilte der "PR-Berater" Moritz Hunzinger "im Interesse der Mitarbeiter und Kunden" Hoffmann ein Hausverbot für die Räume seiner Firma. Hoffmanns Unternehmen Effecten-Spiegel AG ist Hauptaktionär der Hunzinger Information AG. Das Verhältnis zwischen den beiden Firmenchefs gilt seit längerem als gestört; Hoffmann hatte im letzten Jahr versucht, die Aktienmehrheit bei Hunzinger zu erwerben, sich dann jedoch im Oktober schiedlich mit diesem geeinigt und einen Aufsichtsratsposten erhalten. Auf einer Hauptversammlung hatte Hoffmann jedoch gegen die Entlastung Hunzingers als Vorstand der Aktiengesellschaft gestimmt (siehe JF 42/03).

Der Wechsel Schills zu Hoffmanns Pro DM sorgt unterdessen für Unmut unter den Schill-Anhängern in den Landesverbänden der Partei Rechtsstaatlicher Offensive. Noch am Samstag hatten mehrere Landesvorstände darüber beraten, wie man gerichtlich einen Sonderparteitag vor den Hamburger Bürgerschaftswahlen erzwingen könne, auf dem die Ordnungsmaßnahmen gegen den Parteigründer hätten rückgängig gemacht werden können. Noch während der Sitzung habe man mit Schill telefoniert, der das Vorgehen begrüßte, ohne jedoch die Teilnehmer von seinen Sondierungsgesprächen mit Bolko Hoffmann zu unterrichten.

Viele Landesverbände überdenken ihre Positionen

"Ich bin aufs äußerste enttäuscht", sagte die Berliner Landesvorsitzende Anke Soltkahn der JUNGEN FREIHEIT. Schills Verhalten sei für sie nicht nachvollziehbar, sie habe erwartet, daß er um seine Position in der Partei kämpfen werde. Mit seinem Wechsel in eine neue Partei habe Schill jedoch alle Bemühungen seitens der Mehrzahl der Landesverbände überflüssig gemacht und sein erzwungenes Ausscheiden quasi bekräftigt. "Er hat uns regelrecht vorgeführt", so Soltkahn.

Ähnlich soll die Stimmung in den Führungen der Landesverbände Sachsen und Sachsen-Anhalt sein. Wegen der Enttäuschung über Schills Beitritt zur Pro DM wird mit einem massiven Austritt von Schill-Anhängern aus der Partei Rechtsstaatlicher Offensive nicht mehr gerechnet. Viele würden ihre Positionen überdenken, ohne damit gleich zu Mettbach-Anhängern zu werden, hieß es in Parteikreisen.

Von den Landesverbänden Niedersachsen und Hessen heißt es, sie seien jeweils in zwei Lager aus Schill-Befürwortern und -Gegnern gespalten. Der hessische Landesvorsitzende Frank Bücken hatte in einer Pressemitteilung Ende Dezember das Vorgehen Mettbachs gegen Schill als "Sieg der Vernunft" begrüßt. Die Partei könne nach der Trennung von dem "mit Abstand unbeliebtesten" Politiker Hamburgs endlich den "aufrechten Gang" üben, sie bräuchte keinen "Guru zum Hinterherlaufen". Dagegen äußerten Mitglieder der Partei, Bücken stehe mit dieser Haltung - auch innerhalb des eigenen Landesvorstands - weitgehend alleine da.


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