© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/04 09. Januar 2004

UMWELT
Mit der Moderne gegen Naturgewalten
Volker Kempf

Viel ist in den letzten Jahrzehnten davon die Rede gewesen, ob die Menschen sich mit ihren modernen Machtmitteln vielleicht das eigene Grab schaufeln. Atombomben und Umweltzerstörung sind die Menetekel der Moderne geworden. Die Gefahr, daß Naturgewalten wie insbesondere Erdbeben ihre Opfer fordern, ist im Gegenzug aber in der modernen Welt gesunken, auch in Erdbebengebieten. Kalifornien nämlich konnte ein Beben der Stärke 6,5 auf der Richterskala nicht viel anhaben. Die Opfer konnte man an einer Hand abzählen. Dagegen kostete ein Erdstoß vergleichbarer Stärke im Iran am 26. Dezember 2003 über 30.000 Menschen das Leben.

Man kann Naturgewalt nicht abschaffen, aber unterschiedlich damit umgehen. Erdbebengerechte Gebäude sorgen für Sicherheit. Lehmhäuser sind hingegen hochgradig lebensgefährlich. Nun einmal eingestürzt, sollen sie dann auch nicht einfach wieder aufgebaut werden. Dank modernster Ingenieurskunst soll eine relativ erdbebensichere Stadt entstehen. Da fragt sich allerdings, warum man erst wartet, bis ein Erdbeben alles in Schutt rüttelt, statt die Wohnhäuser gleich gezielt zu ersetzen, um den Menschen eine offene Zukunft zu ermöglichen. So kommt im Ergebnis alles nur noch teurer und ist vor allem unbezahlbarem Leid geschuldet.

Die iranische Stadt Bam war also nicht schicksalhaft einem Erdbeben zum Opfer gefallen, sondern die Falle des allzumenschlichen Kurzzeitdenkens schnappte zu. Der feste Glaube an einen Gott, der schon alles sinnvoll regeln wird, mag das noch verstärkt haben. Das ist die eigentliche Tragödie. Der Weg in die - wie ein Januskopf doppelgesichtige - Moderne ist für den Iran im wahrsten Sinne des Wortes ein sehr steiniger.


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