© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/04 09. Januar 2004

Frisch gepresst

Helmuth Plessner. Zu den Philosophen, die nach 1989 aus dem Schatten der etwas außer Kurs geratenen "Frankfurter Schule" traten, zählt der 1985 verstorbene Helmuth Plessner. Der Suhrkamp Verlag wirft, vielleicht als Reaktion auf das zurückgehende Interesse an den Hausgöttern Bloch, Benjamin und Adorno, soeben Plessners Gesammelte Schriften in einer Taschenbuchausgabe auf den Markt. Inzwischen sind auch flinke Federn zur Stelle, die uns Plessner als magistralen Denker des 21. Jahrhunderts empfehlen und als - mit Blick auf den bevorstehenden 100. Geburtstag Arnold Gehlens - einzig wahren, weil politisch korrekten Exponenten der "Philosophischen Anthropologie". Trotzdem sollte man Christoph Dejung nicht verdächtigen, auf diesen Modetrend hin die intellektuelle Biographie dieses Denkers geschrieben zu haben. Ein dem Zeitgeist geschuldeter Schnellschuß ist Dejungs umfangreiche Arbeit also nicht, aber gewiß auch kein "Standardwerk zur Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts", wie es die Wissenschaftliche Buchgesellschaft anpreist. Denn die dafür unabdingbare mikrohistorische Einbettung in die Geistes-, in die politische und soziale Geschichte bleibt Dejung, ein Dozent für Erwachsenenbildung mit unterentwickeltem historischen Sensorium, den Lesern schuldig. Deshalb erreicht er an keiner Stelle die (sicherlich auch noch nicht optimale) Dichte der Interpretation, die Kersten Schüßlers primär auf den politischen Denker Plessner konzentrierte Berliner Dissertation (JF 12/01) bietet (Helmuth Plessner. Ein deutscher Philosoph zwischen Kaiserreich und Bonner Republik. Rüffer & Rub Sachbuchverlag, Zürich 2003, 644 Seiten, 59 Euro).

Perspektivenänderung. Der in Ecuador lebende Globetrotter Peter Schenkel Eisenhertz bemängelt in den Legion umfassenden geschichtlichen Werken über den Zweiten Weltkrieg, daß Hinweise über die weitreichenden Konsequenzen der Jahrhundertkatastrophe nur spärlich zu finden seien. So werden viele noch heute heißdiskutierte Themen irgendwann genauso in den Hintergrund treten, wie der Ost-West-Konflikt im Kalten Krieg es nach 1989 tat. Als Vermächtnis bis in die Zukunft sieht Schenkel Eisenhertz, daß der Krieg als letzter führbaren Weltkrieg eine sehr lange Friedensperiode nach sich ziehen wird (Zweiter Weltkrieg im Licht von 2300. Agenda Verlag, Münster 2003, 173 Seiten, 20 Euro).


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