© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/04 16. Januar 2004

Kuscheln für Europa
PDS: In Berlin versammelten sich elf europäische Linksparteien zur Gründung der European Left / EU fördert die neue Formation mit 200.000 Euro
Ronald Gläser

Die PDS hat sich vom Traum ihres früheren Vorsitzenden Gregor Gysi, eines Tages der Sozialistischen Internationale anzugehören, verabschiedet. In Berlin hat die SED-Nachfolgepartei am vergangenen Wochenende eine neue Komintern aus der Taufe gehoben.

Im Preußischen Landtag, in dem SPD und PDS zusammen regieren, wurde unter Leitung von Lothar Bisky die Europäische Linkspartei (EL) gegründet. Um den internationalen Charakter zu unterstreichen, wurde der neugegründeten Partei der Name European Left verpaßt. 29 Parteien aus ganz Europa waren zu dem Treffen geladen worden. 19 hatten ihr Erscheinen angekündigt. Elf haben sich schließlich an der Parteineugründung beteiligt. Dies waren Vertreter aus Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, der Slowakei, Spanien, der Tschechei und eben die PDS aus Deutschland.

Das Projekt ist Bestandteil einer Strategie, die der PDS neue Impulse für die Europawahl geben soll. Um ihre Chancen steht es schlecht. 1999 hatte die Partei des demokratischen Sozialismus noch doppelt so gut wie die FDP abgeschnitten. Heute ist man davon weit entfernt. Als europäischer Dachverband wie die Europäische Volkspartei (EVP) erhält die EL nun auch Geld aus Brüssel. Voraussichtlich 200.000 Euro ist den EU-Behörden die politische Arbeit der Post- und Alt-Kommunisten wert. Auskunft darüber, was mit dem Geld geschehen soll, wurde nicht erteilt.

In seiner Eröffnungsrede erinnerte der Berliner Bürgermeister Harald Wolf an Rosa Luxemburg. Diese habe mit Karl Liebknecht in einem Nebenraum 1918 die KPD gegründet. Den Sonntag nutzten die Anwesenden dann auch für die alljährliche Demonstration in Gedenken der im Folgejahr Erschossenen. Ferner erinnerte Wolf an die Risiken, die die EU-Osterweiterung in sich berge. Die Einschätzung der drohenden Lage für den Arbeitsmarkt durch den Senator für Wirtschaft und Arbeit ist sehr viel realistischer als bei SPD, FDP, CDU/CSU oder den Grünen.

Zur Formulierung einer nationalen Antwort ist die PDS aufgrund ihrer internationalistischen Ausrichtung jedoch nicht in der Lage. So konnte Bisky am darauffolgenden Tag auf einer Pressekonferenz auch die Frage, wie man die inhaltlichen Differenzen zu überbrücken gedenke, nicht beantworten. Was hinter verschlossenen Türen am Sonnabend beschlossen wurde, bleibt indes geheim. Denn nach wenigen einleitenden Worten von Wolf verwies Bisky die anwesenden Journalisten des Saales. Bei Kommunisten geht es eben immer ein wenig konspirativ zu.

Immer wieder betonen die Initiatoren, daß die Linke rund zwanzig Prozent der Wähler in Europa vertrete. Das trifft auf die PDS nun beim besten Willen nicht zu. Und Splitterparteien wie die KPÖ spielen wirklich keine Rolle im Parteiensystem. Dagegen ist die Mitgliedschaft der südeuropäischen Kommunisten in der EL schon eher ein Pfund, mit dem man wuchern kann.

Die linke Parteienszene sei "sehr zersplittert"

Insgesamt jedoch betrachten sich die Linksaußenparteien selbst als in "der Defensive". Gegenüber dem Tagesspiegel beschrieb Wolfgang Gehrcke die linke Parteienszene als "sehr zersplittert." Der heutige PDS-Mann weiß, wovon er spricht. Schließlich war er vormals DKP-Mitglied. Die Feindbilder sind allerdings die gleichen wie vor 86 Jahren: Imperialistischer Krieg und Kapitalismus. In seiner Eröffnungsrede erklärte Bisky, man suche nach Antworten "auf die neuen Formen des Kapitalismus" und die "neoliberale Zerstörung". Geändert hat sich die Atmosphäre, die auf Tagungen der Linksextremisten vorherrscht. Da ist nichts mehr von Ernst "Teddy" Thälmann zu spüren. Wolf erscheint im modernen Zweireiher mit Weste. Niemand spielt sich hier mehr als Arbeiterführer auf.

Die Führung der PDS verharrt jedoch in ihrer Prä-Perestroika-Denkweise. So führt Bisky weiter aus: "Wir lehnen es ab, daß der Neoliberalismus, der freie Markt und der freie Wettbewerb zur Grundlage einer europäischen Verfassung werden." Da sage noch mal jemand, es gäbe in der Berliner Republik keine ideologischen Gegensätze mehr.

Es ist wohl weniger Nationalstolz als vielmehr Antiamerikanismus, der Bisky solche Sätze sagen läßt: "Wir brauchen ein Europa, welches sich von der US-Administration eines George Bush emanzipiert." Der Parteivorsitzende erinnert darüber hinaus an die Gedanken Willy Brandts und Olof Palmes, die er neben Marx, Gramsci und der französischen Résistance einzubinden versucht. Als er endet, erwähnt Bisky wenigstens kurz das, was er als "stalinistische Deformation" bezeichnet.

Auch der Programmentwurf für die neue Partei ist von linker Rhetorik durchzogen. Starker Widerstand gegen Ausbeutung sei im Entstehen, heißt es da. Die kapitalistische Globalisierungspolitik wird als Katastrophe bezeichnet. Und natürlich sieht man sich dem Kampf gegen "Populismus, Rassismus und Antisemitismus" verpflichtet. Das Modell des sozialdemokratischen "Dritten Weges" sei endgültig gescheitert.

Außenpolitisch lehnt die Linkspartei den IWF und die WTO ebenso ab wie die Nato. Der Entwurf endet mit den Worten: "Eine andere Welt ist möglich. Die Zukunft ist hier. Es gibt kein Ende der Geschichte." Das Knüpfen internationaler Kontakte steht seit jeher ganz weit oben auf der Aufgabenliste der PDS-Funktionäre. Allein in der ersten Jahreshälfte 2003 gab es dreißig internationale Begegnungen, an denen Genossen teilgenommen haben.

Trotz allem scheinen die Beteiligten nicht von Zufriedenheit erfüllt, als sie sich nach dem Luxemburg-Liebknecht-Gedenken wieder trennen.


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