© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/04 23. Januar 2004

Zehn atemlose Jahre
Vor zehn Jahren wandelte sich die JF unter großen Mühen von einem Monatsblatt in eine Wochenzeitung
Ekkehard Schultz

Als am 21. Januar 1994 die erste Wochenzeitungsausgabe der JUNGEN FREIHEIT an den Kiosken erhältlich war, räumten selbst wohlwollende Betrachter dem Blatt kaum mittelfristige Überlebenschancen ein. Zu verrückt erschien der Plan, eine Zeitung, die über wenig mehr verfügte als den Enthusiasmus und Idealismus ihrer jungen Mitarbeiter, künftig im regelmäßigen Turnus von sieben Tagen herauszugeben. Gerade erst vor etwas mehr als sieben Jahren von Schülern gegründet, im besten Sinne den Kinderschuhen entwachsen, wollte sie den Kampf mit den bundesdeutschen Mediengiganten aufnehmen.

Aber waren diese Anfänge der JF nicht schon genauso abenteuerlich? Mitte der achtziger Jahre faßte eine Handvoll junger Leute aus dem badischen Raum bei einem Grillabend den spontanen Entschluß, eine eigene Zeitung zu gründen. Auch wenn über die konkrete Ausrichtung des neuen Organs zu diesem Zeitpunkt noch heiß diskutiert wurde, so richtete doch die kleine Mannschaft den Blick klar auf eine entscheidende Lücke in der (west-)deutschen Presselandschaft. Das Hauptziel der Neugründung sollte darin bestehen, über die Entwicklung von Parteien und Organisationen des konservativen Spektrums zu berichten, die von den anderen Medien unterdrückt bzw. verschwiegen wurden. Zentrales Thema war ferner die Suche nach Möglichkeiten zur deutschen Wiedervereinigung jenseits des damaligen Blockdenkens und bloßer parteipolitischer Absichtserklärungen.

Inhaltliche und konzeptionelle Vorbilder waren das von dem Münchner Publizisten Caspar von Schrenck-Notzing herausgegebene Criticón, das national-revolutionäre wir selbst, aber auch Blätter des universitären Umfeldes wie die Zeitung student. Bei allen Übereinstimmungen mit diesen Publikationen war den JF-Redakteuren jedoch von Beginn an bewußt, daß sie ein eigenständiges Profil entwickeln mußten, um längerfristig erfolgreich zu sein.

Startkapital kam nur schleppend zusammen

Über die Tatsache, daß der Einstieg in das Wochenzeitungsgeschäft alles andere als leicht werden würde, machte sich die JF-Mannschaft, die sich bis Dezember 1993 ausschließlich aus ehrenamtlichen Kräften zusammensetzte, von Anfang an keine Illusionen. Wie schwierig eine Behauptung auf diesem Markt sein würde, unterstrich nicht zuletzt die mühsame Entwicklung der zum Jahresbeginn 1993 gestarteten Nachrichtenmagazine Focus und Die Woche. Beide Projekte wären ohne millionenschwere Anschubinvestitionen und weitere stetige Zuschüsse überhaupt nicht denkbar gewesen. Trotzdem mußte die Woche im Oktober 2001 schließlich aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden. Wie sollte der JF gelingen, was einem großen Medienkonzern trotz finanzieller Förderung in vielfacher Millionenhöhe nicht glückte?

Tatsächlich erwies sich die Situation noch als weit schwieriger als erwartet, da auch die ersten Versuche, das notwendige Kapital für eine Wochenzeitung zu akquirieren, wenig hoffnungsvoll stimmten. Im November 1992 startete die Zeitung eine Werbekampagne, die Leser und Sympathisanten zur Zeichnung von Kommanditanteilen bewegen sollte. Erklärtes Ziel war es, bis zum Wochenzeitungsstart über eine Summe von zwei Millionen Mark zu verfügen, in Anbetracht der bevorstehenden Aufgaben mit Sicherheit kein besonders üppiges Startkapital. Doch bereits im Herbst 1993 zeichnete sich ab, daß diese Hürde nicht zu überwinden war. Bis zum Zeitpunkt des anvisierten Wochenzeitungsstarts konnten erst gut zehn Prozent der zwei Millionen Mark auf dem Firmenkonto verbucht werden.

Sollte die JF ihren Wochenzeitungsstart deshalb verschieben? Ihre Leser enttäuschen; ganz besonders diejenigen, die sich bereits im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten für das Projekt engagiert hatten? Ein solcher Entschluß hätte mit einem enormen Vertrauensverlust bezahlt werden müssen. Zugleich wäre eine Verschiebung des Starts Wasser auf die Mühlen aller Zweifler und politischen Gegner gewesen.

Hinzu müssen die umfangreichen technischen Vorbereitungen der letzten Monate gerechnet werden: Erst nach einer monatelangen beschwerlichen Suche konnten im Oktober 1993 im Potsdamer Stadtteil Bornstedt Büroräume für die JF-Redaktion angemietet werden; Computer und große Teile des Archivs waren gerade erst aus dem badischen Freiburg in die neue Mitte Deutschlands transportiert worden. So startete die JF schließlich doch zum vorgesehenen Datum als Wochenzeitung - allen vorhandenen Zweifeln, die es auch innerhalb der Redaktion gab, zum Trotz.

Nicht zuletzt spielte bei diesem Entschluß auch eine Rolle, daß sich der Bekanntheitsgrad der JF just seit jener Pressekonferenz im Oktober 1992, bei der Chefredakteur Dieter Stein das wöchentliche Erscheinen ab Januar 1994 angekündigt hatte, deutlich erhöht hatte. Von vielen Medien wurde sie zum ersten Mal mit einer ausführlichen Berichterstattung bedacht.

Bereits im Zuge dieser Berichterstattung zeigte sich jedoch, daß eine offene, faire politischen Auseinandersetzung mit den Themen der JF zu keiner Zeit stattfand. In erster Linie sollten nur bestehende Klischees bedient werden, Diskussion war wenig erwünscht. Kurz nach der Ankündigung vom Oktober 1992, künftig als Wochenzeitung zu erscheinen, wurde Chefredakteur Stein noch zu zwei Fernsehauftritten geladen. Nachdem jedoch die erhoffte "Entzauberung" und Bloßstellung nicht erbracht werden konnte und die JF im Gegenteil auch von Zuschauern viel positive Resonanz erfahren hatte, erfolgten fortan keine weiteren Einladungen. Die Sender weigerten sich sogar, interessierten Anrufern die Anschrift der JF mitzuteilen, damit diese mit der Zeitung in Kontakt treten und sich ein eigenes Bild machen konnten.

Weiterhin taten die biederen bürgerlichen Medien alles dafür , um die JF in den Geruch rechtsextremistischer Bestrebungen zu rücken. Besonders heimtückisch war eine Verleumdungskampagne des Spiegel im März 1995, in der das Hamburger Nachrichtenmagazin der Zeitung pauschal antisemitische Tendenzen nachsagte. Durch die Erwähnungen der JF in den Verfassungsschutzberichten von Nordrhein-Westfalen seit Mai 1995 erhielten sie dabei auch noch staatliche Rückendeckung.

Gewalttätige Übergriffe von Linksextremisten

Hinzu kamen die Angriffe linksextremer "Autonome", die es nicht bei Sachbeschädigungen und der Bedrohung von Kioskbesitzern, die die JF in ihrem Angebot führten, bewenden ließen. Anfang Oktober 1994 erzwangen vermummte Täter in der Druckerei in Weimar unter Zuhilfenahme von Waffengewalt die Herausgabe von Adressenlisten der JF. Ende Oktober 1994 fand in der Nähe der JF-Redaktion in Potsdam eine Demonstration von "Autonomen" statt, bei der es zu schweren Ausschreitungen kam und nur durch einen massiven Polizeieinsatz das Vordringen in das Redaktionsgebäude verhindert werden konnte. Nur wenige Wochen später, in der Nacht vom 4. zum 5. Dezember 1994, wurden durch Brandstiftung erhebliche Teile der Druckerei vernichtet. Der Sachschaden bezifferte sich auf 1,5 Millionen; kurz darauf kündigte die Druckerei den Vertrag mit der JF. Im Januar 1995 steckten Linksextremisten das Fahrzeug des JF-Chefredakteurs sowie einen Wagen des Pressevertriebs in Brand.

Besonders schwer machten der Zeitung die ständigen Angriffe linker Chaoten auf die Kioske zu schaffen, durch die die JF bis heute wirtschaftlich schwer geschädigt wird. Der Gesamtschaden ist dabei nur annähernd zu beziffern. Weitaus gravierender wirkt sich die langfristige Lahmlegung wichtiger Vertriebswege aus, die anschließend nur unter großen Mühen wieder neu aufgebaut werden können.

Anfang 1995 stand die JF vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Doch gerade in dieser scheinbar ausweglosen Situation bewies die Redaktion einen außergewöhnlichen Grad an Durchhaltevermögen. Aus dem höchst unerfreulichen politischen Klima in Potsdam zog die Zeitung selbst Konsequenzen. Im Oktober 1995 zog sie in das Mosse-Zentrum in der Berliner Zimmerstraße um. Nach einem Jahr folgte ein weiterer Umzug, diesmal in den Stadtteil Wilmersdorf, wo die JF bis heute residiert.

Auch die Jahre nach 1995 waren nur mit einem unbeugsamen Willen, aber auch dem Mut zu ebenso schmerzlichen wie unabänderlichen Reformen zu meistern. Letztere trafen die JF doppelt schwer, waren sie doch nicht nur mit einer vorübergehenden Herabsetzung der Seitenzahl, sondern auch mit der Entlassung langjähriger treuer Redaktionsmitarbeiter verbunden.

Insbesondere das Krisenjahr 1998 erwies sich als harte Bewährungsprobe. Doch auch hier kam die Schadenfreude mancher JF-Gegner zu früh: Seit 1999 baute die Zeitung kontinuierlich wieder alles auf, wovon sie sich zuvor allein aufgrund der wirtschaftlichen Notsituation getrennt hatte.

Ein besonderes Merkmal der JF war und ist, daß sie selbst in diesen Zeiten äußerst unbefriedigender Bilanzen beharrlichen Wert auf eine kontinuierliche Qualitätssteigerung legte. Dies fängt mit der Gestaltung der Zeitung, dem Layout, an. Ein besonders großer Schritt konnte mit der Formatumstellung im April 2000 vollzogen werden, die zugleich von der Einführung neuer Rubriken wie Pro&Contra gezeichnet war, die heute aus keiner Ausgabe mehr wegzudenken sind.

Ebenso großer Wert wird auf die stetige Werbung qualitativ hochwertiger Autoren gelegt: 1995 konnte die JF den exzellenten Jenaer Philosophieprofessor Günter Zehm alias "Pankraz" zur regelmäßigen Mitarbeit gewinnen. 2000 wechselte der langjährige Osteuropakorrespondent der Welt, Carl Gustaf Ströhm, zur JF.

Nicht zuletzt schlägt sich die zunehmende Professionalisierung der Zeitung in den veröffentlichten Interviews nieder. Bereits in den ersten Jahren hatte die JF den Ehrgeiz, ihren Lesern nicht nur eine Vielzahl interessanter und angesehener Interviewpartner zu präsentieren, sondern kritisch scheinbar bestens bekannte Positionen zu hinterfragen. Darunter befinden sich Mittler fast aller politischen Denkrichtungen, Kulturschaffende und Philosophen.

Die Zeitung versteht sich als Leserinitiative

Nicht nur die mittlerweile bereits über 500 Ausgaben als Wochenzeitung legen ein beredtes Zeugnis von einer bewegten Zeit ab. Aus dem anfänglichen Mini-Unternehmen hat sich eine Firma entwickelt, die heute insgesamt 20 Angestellte - darunter acht Redakteure - umfaßt.

Die JF verstand und versteht sich bis heute als Leserinitiative. Der regelmäßige Kontakt zwischen Lesern, Redakteuren und Autoren bedeutet eine Selbstverständlichkeit. In diesem Sinne hat sich die seit dem 15jährigen Bestehen der JF im Juni 2001 jährlich organisierte Dampferfahrt mit mehreren hunderten Teilnehmern zum sommerlichen Höhepunkt entwickelt.

Zu einer demokratischen Medienlandschaft gehören Zeitungen aus dem konservativen Meinungsspektrum ebenso wie die als selbstverständlich betrachteten Blätter aus dem linken bzw. linksliberalen Milieu. Dieser Aufgabe weiß sich die JUNGE FREIHEIT auch in Zukunft verpflichtet.

Foto: Grundversorgung für Journalisten: Ohne ständigen Kaffeekonsum wäre das Arbeiten in der JF-Redaktion überhaupt nicht möglich. Deswegen läuft in der kleinen Küche die Kaffeemaschine von frühmorgens bis zum späten Feierabend. Zu den unerklärlichen Phänomenen des Alltags gehört aber auch, daß es gerade vor Redaktionskonferenzen immer jemanden gibt, der einem die letzte Tasse vor der Nase wegschnappt.


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