© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/04 13. Februar 2004

Zweideutigkeiten
Der Irak-Krieg stand im Mittelpunkt der 40. Münchner Sicherheitskonferenz
Alexander Griesbach

Die rot-grüne Bundesregierung hat die 40. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik genutzt, um ihre ablehnende Position im Hinblick auf ein mögliches Engagement Deutschlands im Irak zu unterstreichen. Außenminister Joseph Fischer machte unmißverständlich deutlich, daß es keine deutschen Truppen bei einem Nato-Einsatz im Irak geben werde. Daß sich Berlin durch die bisherige Entwicklung im Irak in der Ablehnung des Krieges bestätigt sieht, daran ließ der grüne Außenamtschef in seiner Eröffnungsrede keinen Zweifel aufkommen.

Und Fischer wäre nicht Fischer, wenn er sich nicht auch wieder als "Visionär" betätigt hätte. Die EU und die USA sollten ihre Mittel zu einer neuen transatlantischen Initiative für den Nahen und Mittleren Osten zusammenführen. Weil die EU und die Nato hier bereits kooperierten, so Fischer, sollten sie einen gemeinsamen Mittelmeer-Prozeß starten. Daran anschließend könnte dann eine "Erklärung für eine gemeinsame Zukunft" folgen, die die gesamte Region des Nahen und Mittleren Osten umfasse. Als ein "ehrgeiziges Ziel" schwebt Minister Fischer bis 2010 die Schaffung einer gemeinsamen Freihandelszone von Syrien über Israel und Palästina bis Marokko vor.

Während dieser Teil der Rede nicht mehr als Schall und Rauch bleiben dürfte, werden Fischers Äußerungen zum Irak bei der US-Regierung entsprechende Resonanz finden. Die FAZ befürchtet in ihrem Kommentar als Folge der Münchner Konferenz eine Isolation Deutschlands, für die das Land "einen hohen Preis bezahlen" werde. In der Tat hat die Münchner Konferenz die Grenzen des diplomatischen Autodidakten Joseph Fischer deutlich aufgezeigt. Wo Vieldeutigkeit gefragt gewesen wäre, wählte er die Eindeutigkeit. Und dies ohne Not.

Der neue Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer betonte nämlich, daß er eine Entscheidung über einen Nato-Einsatz im Irak für zu früh halte. Der niederländische Ex-Außenminister verwies darauf, daß die politische Entwicklung und die Machtübergabe an eine legitime Regierung im Irak abgewartet sowie die künftige Rolle der UN definiert werden müßte. Wenn diese Fragen geklärt seien, wäre es nach den Worten des Christdemokraten "gut, wenn Deutschland unter diesen Umständen mitmachen könnte". Oberste Priorität für die Nato habe aber Afghanistan. Und dort sei Deutschland stark engagiert.

Es bestand aus deutscher Sicht also keinerlei Notwendigkeit, sich bereits in München in irgendeiner Art und Weise festzulegen. Diese Eindeutigkeit könnte Deutschland und damit die rot-grüne Regierung in der Tat in eine Außenseiterrolle bringen, aus der es nur bei einem Regierungswechsel in Deutschland ein Entkommen gibt. An alledem ändert die Zusicherung von Bundeskanzler nichts, daß sich Deutschland noch stärker in Afghanistan engagieren werde, um das Land zu stabilisieren.

Sibyllinisch fielen die Kommentare von Spitzenpolitikern der Unionsparteien aus. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte, der Irak-Krieg habe eine Reihe von positiven Entwicklungen in Gang gesetzt. Der Sturz von Saddam Hussein sei nicht nur eine Erlösung für das irakische Volk, sondern auch ein Katalysator für politische Veränderungen in der ganzen Region. Der CSU-Chef forderte die Nato zu Einigkeit im Kampf gegen den internationalen Terrorismus auf. CDU-Chefin Angela Merkel vermied es sorgsam, sich überhaupt in irgendeiner Art und Weise festzulegen. Im Kern sei es bei dem Krieg gegen den Irak um eine Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Despoten gegangen und darum, "wie wir uns als Demokratien Autorität verschaffen". Schon gar nicht wollte sich Merkel in der Frage eines möglichen Nato-Einsatzes im Irak festlegen.

Unbestritten ist, daß Fischer in der Sache recht hat. Daß die Argumente, die US-Präsident George W. Bush für die Verteidigung seines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen den Irak anbringt, fast jedes Niveau unterschreiten, demonstrierte er erneut letztes Wochenende. In einer Fernsehsendung behauptete Bush, Saddam Hussein habe eine Gefahr dargestellt, und es wäre unverantwortlich gewesen, "ihn an der Macht zu lassen und einem Verrückten zu vertrauen".

Daß bisher nur (fragwürdige) Indizien dafür vorhanden seien, daß der Irak die Herstellung von Massenvernichtungswaffen beabsichtigt habe, berühre die Richtigkeit der Entscheidung zum Krieg in keiner Weise. "Saddam Hussein war auch gefährlich mit der Fähigkeit, solche Waffen herzustellen", betonte der US-Präsident. Hier scheint einmal mehr jene Rechtfertigungsstrategie durch, mit der die USA seit jeher ihre Kriege zu begründen pflegen. Der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt sprach in diesem Zusammenhang vom "diskriminierenden Kriegsbegriff". Dessen besonderes Kennzeichen ist, daß der Feind in einen Verbrecher oder "Verrückten" verwandelt wird, von dem jederzeit erwartet werden muß, daß er "unerlaubt" Krieg führt.

Gegen solche "Verrückte" ist ein gerechter Krieg im Namen der Menschheit legitim. Ein derartiger Krieg erlaubt notfalls auch die totale Entrechtung im Namen des Rechts. Diesem Begriff folgte die Kriegspropaganda der US-Regierung gegenüber dem Irak bis ins Detail.


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